Rürup: "Wenig Leistung bei hohen Gesundheitskosten"

Kapazunder Rürup: Österreich leistet sich mehr Spitalsbetten als alle anderen EU-Länder
Experte Bert Rürup mahnt zu mehr Reformen im Gesundheitssystem.

Für Bert Rürup war es eine Premiere. Über Jahre hinweg hat der Universitätsprofessor die deutsche Bundesregierung in Sachen Pensionen beraten; er war in etlichen sozialpolitischen Kommissionen, er erfand die "Rürup-Rente"; doch über Österreichs Gesundheitssystem hat sich der Kapazunder nicht geäußert – zumindest bisher nicht. Denn auf Einladung des Wiener Ärztekammer-Chefs Thomas Szekeres referierte der Top-Wissenschaftler kürzlich zum Thema in Wien. Und manches, was er zu sagen hatte, war für seine Zuhörer harter Tobak. Einer der wesentlichen Befunde des Deutschen lautet: Österreichs Gesundheitssystem ist zwar gut; dafür, was es kostet, ist es aber eindeutig zu teuer. Durchschnittlich 4593 Euro werden pro Jahr und Kopf in die Gesundheitsversorgung investiert. Ein Wert, der nur von vier europäischen Ländern übertroffen wird. Gleichzeitig seien die Leistungen, die die Versicherten bekämen, unterer Durchschnitt. Rürup zitiert eine IHS-Studie, wonach Österreich bei wesentlichen Qualitätsindikatoren (Lebenserwartung, Herzerkrankungen, etc.) unter 15 europäischen Ländern nur Platz 13 belegt. "Andere Länder haben viel geringere Ausgaben und schaffen bessere Leistungen", sagt Rürup.

An der Zahl der praktizierenden Ärzte kann es nicht liegen. Sie ist in Österreich mit 4,9 Ärzten pro 1000 Einwohnern nämlich höher als überall sonst (Norwegen: 4,2; Schweden: 3,9; Luxemburg 2,8). Als besonderes Problem bezeichnet Rürup, dass die Österreicher mehr Spitalsbetten haben als alle anderen Länder; dass sie sich gleichzeitig (bis auf Belgien) mehr niedergelassene Ärzte leisten als der Rest der EU – und überdies enorm oft ins Krankenhaus gehen: Entfallen auf 100.000 Einwohner hierzulande pro Jahr 27.030 Spitalsentlassungen, sind es in Deutschland nur 25.093 und in den Niederlanden weniger als die Hälfte (11.646). Das wäre alles nicht weiter schlimm, würden Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung nicht dazu führen, dass die Kostenschere deutlich aufgeht.

Königsweg

"Die Gesundheitskosten steigen schneller als das Bruttoinlandsprodukt", sagt Rürup und plädiert für Gegenmaßnahmen. Zum Beispiel? "Es gibt keinen Königsweg, aber wichtig wäre, das faktische Pensionsantrittsalter anzuheben." Zudem solle man überlegen, von der Pflichtversicherung zur Versicherungspflicht zu wechseln. "Wettbewerb ist ein möglicher Weg", sagt Rürup und meint damit: Könnten Patienten wie in Deutschland zwischen Krankenversicherern wählen, so wären diese gezwungen, mit den Leistungsanbietern, also Ärzten, Pharma-Industrie, etc., härter über Honorare und Kosten zu verhandeln. Und schließlich macht Rürup einen Vorschlag, der etwa im ÖAAB zur Finanzierung der Pflege schon öfters gemacht wurde, nämlich: "Warum nicht die Umsatzsteuer anheben?"

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