NGO: Information als Menschenrecht

NGO: Information als Menschenrecht
Der 28. September gilt international als der Tag der Informationsfreiheit. Heuer wurde er erstmals auch in Österreich begangen.

Den Internationalen Tag der Informationsfreiheit, den sogenannten “Right To Know Day”, gibt es seit zehn Jahren. Seine Geburtsstunde feierte er in Bulgarien, inzwischen wird er in vielen Ländern der Welt begangen, um das Bewusstsein für ein mancherorts stiefmütterlich behandeltes Bürgerrecht zu schaffen: das Recht auf freien Zugang zu Behördeninformationen.

“Mehr noch als ein Bürgerrecht: Es ist ein grundlegendes Menschenrecht”, sagt Menschenrechtsaktivistin Helen Darbishire. “Dazu gibt es ein eindeutiges Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.” Auch die EKMR (Europäische Kommission für Menschenrechte) führt das Recht auf Information in Artikel 10 der Menschenrechtskonvention. Es sei untrennbar mit dem Recht auf Meinungsfreiheit verknüpft, so die Gründerin der Menschrechtsorganisation Access Info Europe: “Um mein Recht auf freie Meinungsäußerung überhaupt wahrnehmen zu können, brauche ich Information. Um zu kommentieren, was meine Regierung tut, muss ich erst einmal wissen, was sie tut!”

Darbishire war am Freitag direkt von einer Transparenz-Sitzung des Europaparlaments nach Wien gekommen, um hier über die Position Österreichs im internationalen Vergleich zu sprechen: Diese ist gelinde gesagt dürftig, was Informationsfreiheit anbelangt. Von 89 Ländern mit Transparenzgesetzen hat Österreich das schwächste. “Ein paar Rahmenbedingungen sind da”, meint Darbishire tröstend, “Aber da ist noch viel Platz nach oben.”

Serbien an der Spitze

Oben – das ist dort, wo man Serbien findet. Hier sind die Regelungen am fortschrittlichsten. “Das ist ein Gesetz auf dem Papier, das heißt noch nicht, dass es auch so exekutiert wird ”, relativiert die Menschenrechtsaktivistin. Dennoch: Es sei erstaunlich, wieviel Information etwa Journalisten dort sammeln könnten.

Amtsgeheimnis vs. Auskunftspflicht

Davon könne man in Österreich nur träumen. Zwar steht den Bürgern gemäß §2 des Auskunftspflichtgesetzes ein Recht auf Auskunft zu, durch die Verankerung des Amtsgeheimnisses in der Verfassung, wird dieses Recht jedoch massiv beschnitten. “Die Auskunftpflicht gilt nur, wenn das Amtsgeheimnis nicht verletzt wird. Und Letzteres steht in der Verfassung. Es ist eine Katze, die sich in den Schwanz beisst”, erklärt Josef Barth (Forum Informationsfreiheit) das typisch österreichische Paradoxon.

Beispiel gefällig? Nach Christoph Leitls berühmt-berüchtigtem “Abgesandelt-Sager”, sprang ÖVP-Chef Spindelegger dem Parteikollegen zur Seite und zitierte eine Studie des Finanzministeriums, wonach durch Konzern-Absiedelungen zwischen 2008 und 2012 ein Steuerausfall von 1,26 Mrd. Euro entstanden sein und 70.000 Arbeitsplätze verloren gegangen sein sollen. Die Medien griffen das Thema auf, ein umfangreicher Beitrag im Ö1 Mittagsjournal nannte auch die betroffenen Firmen, wie etwa Kapsch.

Barth: “Uns hat interessiert, wo diese Zahlen her sind und wir haben beim Finanzministerium nach der Studie gefragt.” Die Auskunft wurde indes mit Hinweis auf das Amtsgeheimnis verweigert. Die Begründung: Da Namen von Unternehmen genannt würden, könne man die Studie aus Rücksicht auf diese Unternehmen nicht veröffentlichen. “Das wirft schon einige Fragen auf”, meint der Transparenz-Aktivist, “Entweder hat jemand Informationen gesetzwidrig ausgeplaudert – die Namen waren schließlich auf Ö1 zu hören – oder es wurde gesetzwidrig Auskunft verweigert.”

Korruption präventiv verhindern

Dass eine Kultur des Unter-Verschluss-Haltens hoch problematisch ist, haben nicht nur die Affären der jüngeren Vergangenheit gezeigt.

Österreich hat zwei Probleme, die virulent sind: Ein Korruptionsproblem und ein Transparenzproblem”, sagt Enthüllungs-Journalist Kurt Kuch in seinem Unterstützervideo für transparenzgesetz.at: “Die beiden sind untrennbar miteinander verbunden. Wenn man ein Transparenzgesetz ermöglicht, dann ist das ein aktiver Beitrag, um das Korruptionsproblem effizient zu bekämpfen.” Puls-4-Informationschefin Corinna Milborn ergänzt: “Der Effekt ist schon ein präventiver: In dem Moment, wo man in Österreich wüßte, dass öffentliche Geldflüsse ins Internet kommen und nachsehbar sind, würde Korruption extrem zurückgedrängt werden.”

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AutorinKatharina Schmidt(“Die Akte U - Das Protokoll des Untersuchungsausschusses”) sieht das ähnlich: Affären wie Buwog, Telekom oder Swap hätten durch ein Transparenzgesetz zwar nicht verhindert werden, man hätte aber viel früher eingreifen können: “Jemand, der sich auskennt, kann dann schneller aufschreien.”

Am Bewusstsein für all das mangelt es nicht. Barth: “Wir mussten nicht sehr viel argumentieren. Das Grundempfinden war da, dass es zu wenig Transparenz in Österreich gibt.” Allein an der Durchführung happert’s. Am 22. Mai 2013 haben die Koalitionsparteien beschlossen, das Gesetz zum Amtsgemeimnis zu ändern – passiert ist bislang nichts.

Paradebeispiel Sumsigate

Und das, obwohl der Initiative Dank eines “unfreiwilligen Elfers” (Barth) geradezu ein Lehrbeispiel in den Schoß fiel. Stichwort: Sumsigate. “Die Informationsfreiheit ist die andere Seite der Pressefreiheit – und just am Tag der Pressefreiheit hat sich Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich unter Berufung auf das Amtsgeheimnis geweigert, Auskunft darüber zu geben, wieviel Pestizide in Österreich versprüht werden.”

Aber immerhin: Inzwischen hätte man es geschafft, das Transparenzgesetz in jedem Wahlprogramm zu verankern. Nun gelte es, darauf zu schauen, dass die Umsetzung auch nach der Wahl wirklich eingehalten wird.

Gast-Referentin Darbishire ermutigt: “Es gibt auch andere Länder, bei denen es erst kürzlich soweit war. Auch der Yemen verabschiedete sein Gesetz erst 2012. Meine Botschaft ist: Österreich ist hinten nach, aber es ist nicht zu spät. Wake up and see what is happening in the world around you, Austria!

Mehr zum Thema

Was die Parteien zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses sagen, können Sie auf futurezone.at nachlesen, eine detaillierte Aufschlüsselung nach einzelnen Politikern finden Sie hier.

- Zentrale/r Informationsbeauftragte/r
- Zentrales Online-Register
- Veröffentlichungspflicht für Behörden
- Zugang zu Dokumenten der Verwaltung
- Umfassendes Recht auf Information

Der Right-To-Know-Day in Zitaten

Am Tag als das Wasser kam, ging Jerry Kennedy gleich drei Mal in die Badewanne. Wir schreiben das Jahr 2004 und Kennedy, amerikanischer Staatsbürger, hatte die ersten 54 Jahre seines Lebens ohne Anschluss an das Wasserleitungsnetz verbracht. Nicht, weil es in Zanesville, Ohio keine Leitungen gab – es gab sie bloß nicht für Schwarze. Während Kennedys weiße Nachbarn längst eine Waschmaschine ihr eigen nannten, wartete Kennedy mit dem Wäschewaschen immer auf den nächsten Regenguss. Sie haben richtig gelesen: 2004.

Das sollte sich ändern, als ein Anwalt aus Washington einen Blick auf die Stadtdaten warf: Welche Häuser der Stadt hatten Leitungen? Wo hatten sich schwarze, wo weiße Bewohner angesiedelt? Die Korrelationen waren zu aussagekräftig, um länger ignoriert zu werden. Die Folge: Ein Gerichtsurteil, das die Stadt zwang, endlich Wasser für alle zur Verfügung zu stellen. Plus 10,9 Millionen Dollar Schmerzensgeld.

Der "Freedom of Information Act"

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Dieser Erfolg lässt sich auf ein simples amerikanisches Gesetz zurückführen. Nein, nicht Bürgerrechte oder Gleichbehandlung, sondern auf denFreedom of Information Act, der jedem Bürger das Recht gibt, sämtliche Regierungsdaten einzusehen. Sobald Daten erhoben werden, müssen sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, seien es nun Wasserleitungsdaten, Ethnizitäten oder bloß die Anzahl von McDonalds Restaurants in Schulnähe.

„Das ist auch richtig so“, bekräftigt Open-Data-Experte Max Kossatz, „Alle Informationen, die von einer Regierung gesammelt werden, sind durch öffentliche Gelder finanziert. Im Gegenzug müssen sie der Öffentlichkeit auch uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Diese Daten betreffen uns alle: Umweltdaten, Verkehrsdaten, Finanzdaten, Parteienförderung, Luftfahrtsdaten etc.“

Dabei geht es gar nicht um das Veröffentlichen von Staatsgeheimnissen. Im Grunde sind alle diese Daten bereits öffentlich. Die Geodaten von Wien etwa sind ja keine Verschlusssache. Sie werden jedoch nicht gratis zur Verfügung gestellt, sondern an Firmen verkauft, die Karten herstellen. Diese erwerben dadurch das Recht, sie weiterzuverkaufen und die Stadt Wien verdient dabei ein bisschen Taschengeld. „Als Bürger zahle ich dann aber zweimal für die Daten; erst durch mein Steuergeld für ihre Erhebung und dann muss ich sie kaufen, wenn ich sie nutzen will“, sagt Kossatz.

Daten schaffen Ideen

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Damit keine Missverständnisse aufkommen: Niemand ist der Stadt ihre Einkünfte neidig. Es hat sich nur gezeigt, dass Daten, die der Öffentlichkeit gratis und ohne Copyright-Einschränkungen zur Verfügung stehen, über Umwegrentabilität weitaus mehr Geld in die Stadtkassa fließen lassen, als jene, die eifersüchtig gehortet und nur an ausgewählte Geschäftspartner verkauft werden. Das belegen Erfahrungen aus England, wo seit kurzem sämtliche erhobenen Daten öffentlich zugänglich sind. „Daten sind in ihrer reinen Form stinklangweilig“, sagt Internet-ErfinderTim Berners-Lee, der gemeinsam mit dem damaligen Premierminister Gordon Brown das Projekt„Data Government U.K.“auf Schiene brachte, „Aber sie tragen ganz wesentlich dazu bei, was in unserem Leben geschieht. Und wenn man Daten kreativ miteinander in Beziehung setzt, öffnet man die Schleuse für eine ungeahnte Vielfalt von Projekten. Genau an diesem Punkt stehen wir gerade: Wir fordern alle Regierungen auf, ihre unbearbeiteten Rohdaten zur Verfügung zu stellen. Es gibt genug Leute da draußen, die damit arbeiten wollen – auch wenn es keine unmittelbare Rendite für sie gibt.“

Beispiel gefällig? Einer der ersten Datensätze, die in England online gingen war eine Statistik über Fahrradunfälle. Unnötig und uninteressant könnte man meinen. Weit gefehlt. Innerhalb weniger Stunden (!) nach der Veröffentlichung hatte bereits jemand eine Integration dieser Daten mit Google Maps programmiert, sodass die Strecken mit der größten und jene mit der geringsten Unfallwahrscheinlichkeit klar sichtbar wurden. Und Menschen begannen ihre tägliche Arbeitsroute danach zu richten.

Kossatz: „Man weiß im Vorhinein nie, welche Daten im herkömmlichen Sinne »sinnvoll« sind. Aber je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto mehr kann man damit anfangen. Auch bei Wikipedia hat am Anfang niemand geglaubt, dass das sinnvoll ist…“

Apps for Democracy

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Gerade mit Geodaten gibt es inzwischen die unglaublichsten Beispiele. Vor allem, weil die USA unter dem Motto„Apps for Democracy“einen Innovations-Wettbewerb ausgerufen hat – Projekte über Hygienestandards in Restaurants bis zur ökonomischeren Parkplatzsuche (www.parkshark.mobi) waren die Folge. Und in New York finden Sie seither auch leichter einen Hundepark, wenn sie mit Bonzo Gassi gehen wollen (www.heywalkies.com).

Wenn Geodaten der Anfang sind, so sind Finanzdaten die Ausbaustufe. Gerade hier zeigt das Parade-Beispiel der englischen Regierung, was bei vorhandenem politischen Willen alles möglich ist. „Ich glaube, dass das Offenlegen von Finanzdaten einen großen Impact hat!“ meint Kossatz, „Momentan ist es so, dass ich Steuern einzahle, aber wohin mein Geld fließt und was damit passiert, ist nicht nachvollziehbar. Mit der Offenlegung der Daten wird all das transparenter. Für die Politik, für den Staat ist das wichtig, um seine Existenz zu berechtigen, um wieder einmal zu zeigen, warum es ihn eigentlich gibt und was er tut.“

Kein Wunder also, dass sich die britische Seite Where does my money go? regen Interesses erfreut. „Wenn sich das auch nicht auf das Wahlergebnis auswirkt, so wirkt es sich mittelfristig auf die Politikverdrossenheit, auf die Wurschtigkeit der Bevölkerung aus.“

Engerwitzdorf ist überall

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In Österreich konnte man davon lange Zeit nur träumen. Aber es wird langsam! Überraschende Vorreiterrolle nimmt dabei Engerwitzdorf ein. Die oberösterreichische Gemeinde hat onlinemehr Datensätze veröffentlicht als der ganze Bund.Helen Darbishire(siehe Artikel oben): “Wenn Engerwitzdorf das schafft, schafft es jeder!”

Natürlich würde die völlige Freigabe der Daten in Österreich Geld kosten. Sie könnte aber Innovationen und völlig neue Geschäftsfelder ermöglichen. Wer die Wirtschaft entfesseln mag, tut daher gut daran, vorab die erhobenen Daten zu entfesseln. „Daten“, so Berners-Lee, „sind unerschlossenes Potential. Die Zukunft des Internets heißt nicht mehr verknüpfte Dokumente, sie heißt verknüpfte Daten. Und diese Zukunft wird größer als wir uns heute vorstellen können.“

[Anm.: Die ursprüngliche Fassung dieses Textes stammt von Juni 2010, die angesprochenen Punkte haben indes nach wie vor Gültigkeit; überarbeitet am 28.9.2013]

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