Länger arbeiten wird sich rechnen

Länger arbeiten wird sich rechnen
Das Pensionskonto wird ab 2014 Anreiz für längeres Arbeiten sein.

In der Pensionsversicherungsanstalt arbeitet man derzeit auf Hochtouren. Während die Pensionskommission vergangene Woche einen ambivalenten Bericht zur Zukunft unserer Pensionen herausbrachte, wird dort an einer der größten Pensionsreformen der letzten Jahrzehnte gezimmert.

Rund neue 100 Mitarbeiter hat Winfried Pinggera, Chef der Pensionsversicherung, für das Großprojekt eingestellt. Sie erheben für 3,6 Millionen Versicherte die Pensionsansprüche, die ab 2014 auf einem individuellen Pensionskonto eingebucht werden. „Auf dem Pensionskonto kann sich jeder Versicherte ab Mitte 2014 seine Pensionsansprüche bis zum 31. Dezember 2013 ansehen“, sagt Pinggera. In Zukunft kann dann jeder online prüfen, um wie viel sich sein Pensionsanspruch jährlich erhöht. (Die dafür nötige Handysignatur gibt’s kostenlos bei der PVA)

Längere Durchrechnung

Vorteil eins: Die PVA kann künftig per Knopfdruck den Pensionsbescheid erstellen. Entscheidender für den Staatshaushalt ist aber der finanzielle Aspekt: „Vom Augenblick der Erstgutschrift gibt es die volle Durchrechnung der künftigen Pensionsansprüche. Die Pensionen werden im Vergleich zu heute daher tendenziell sinken“, sagt ein Experte.

Zählten einst die besten 15 Jahre als Grundlage für die Pension (und bis zum Pensionskonto die besten 26), ist es ab einem Jobantritt 2005 die gesamte Lebensverdienstsumme. „Die Durchrechnungszeiträume werden systematisch länger“, bestätigt auch Pinggera. „Dadurch wird sich die Ersatzrate (Pension in Prozent des letzten Einkommens) weiter verringern. Das verändert sich im internationalen Trend aufgrund der demografischen Entwicklung.“

Schließlich steigt die Zahl der Pensionisten stetig an – die Zahl der Beitragszahler und das Pensionsantrittsalter aber kaum (siehe Grafik unten). Schon derzeit stützt der Bund das Pensionssystem mit 8,3 Milliarden Euro. Soll das System nicht 2025 kollabieren (siehe Bericht unten), müssen die Versicherten länger arbeiten.

Ein Anreiz dazu ist das Pensionskonto. „Ein Jahr länger arbeiten bringt künftig rund sieben Prozent mehr Pension“, erklärt Pinggera. Mehr Klarheit, Transparenz und Arbeitsanreize attestiert auch der Pensionsexperte Bernd Marin. Der Versicherungsmathematiker Franz Pagler glaubt ebenfalls, dass das Konto „zu einer Erhöhung des Pensionsantrittsalters beitragen kann – wenn die Leute reinschauen“.

Länger arbeiten wird sich rechnen

65 für Frauen, 65 für Männer: Im öffentlichen Dienst ist ein höheres Pensionsantrittsalter für Frauen bereits Realität. Für alle anderen Versicherten heißt es: 60 für Frauen, 65 für Männer. Noch. Ab 2024 wird das Antrittsalter der Frauen dem der Männer angepasst. Ab 2033 gilt für alle 65.

Diese Regelung wurde 1992 als Verfassungsbestimmung von SPÖ und ÖVP fixiert. Das Motiv: Zuvor hatte der Verfassungsgerichtshof das unterschiedliche Pensionsalter als gleichheitswidrig aufgehoben. Grund für das Verfassungsgesetz war: So lange Frauen nicht gleichberechtigt, nach wie vor für Kindererziehung und Hausarbeit zuständig sind und weniger verdienen als Männer, so lange sollten sie bei der Pension einen Vorteil haben.

Benachteiligung?

Experten halten diesen späten Ausgleich für zweifelhaft. Frauen werde die Möglichkeit genommen, länger zu arbeiten. Das führe zu niedrigeren Pensionen.

Vor allem gut ausgebildete Frauen, die spät in den Beruf einsteigen, koste das niedrigere Antrittsalter wichtige Beitragsjahre für die Pension. Gegner einer früheren Anpassung fürchten hingegen, dass die Arbeitslosenrate bei Frauen stark steigen würde.

Der Sozialrechtsexperte Wolfgang Mazal rät zur Reform: „Um niemanden zu brüskieren, könnte die Regierung vereinbaren, das Antrittsalter für Frauen ab dem Ende der Legislaturperiode 2018 zu erhöhen“, sagt er zum KURIER. Dass die Verfassungsbestimmung nur mit Zweidrittelmehrheit verändert werden könne, bestreitet er: „Das Höchstgericht hat nur den Abstand der fünf Jahre bis 2024 für zulässig erklärt. Es hat eine frühere Anpassung nicht verboten. Die kann mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.“

Mazal gesteht zu, dass die Gleichstellung der Frauen im realen Leben noch nicht erreicht sei. Die Zwangspension mit 60 sei aber eine „Diskriminierung“, die bei Gericht mit Erfolg angefochten werden könne. „Rechtlich gelten die Gleichbehandlungsgesetze.“ Es sei auch Aufgabe von AK und ÖGB, die Rechtsschutz gewährten, den Gesetzen durch Klagen zum Durchbruch zu verhelfen.

Mazal: „Diese Institutionen müssten permanent auf die Diskriminierung von Frauen bei Gehalt oder Beförderung aufmerksam machen. Ich würde jeder Frau raten, sich an diese Institutionen zu wenden, um sich gegen die Diskriminierung bei der Pension zu wehren.“

Bernd Marin gilt als einer der renommiertesten Pensionsexperten in Österreich. Mit dem KURIER spricht Marin über ein höheres Pensionsalter, die Bedrohung durch die „Generation Babyboom“ und Möglichkeiten, vorzusorgen. Marin über ...

... Pensionsreformen der Regierung „Die Regierung hat Maßnahmen getroffen, die ab 2014 oder erst bis etwa 2018 greifen (Invaliditätspension). Offen ist aber, wie sie wirken. Derzeit haben wir kaum messbare Ziele und Erfolgsmaßstäbe.“

... sinkende Pensionen „Sinken werden nur die Ersatzraten für den letzten Aktivbezug, nicht aber das gesamte Lebenspensionsvermögen. Das wird (wegen längerer Lebenserwartung) weiter steigen.“

... Budgetzuschüsse„Derzeit spendieren uns unsere Kinder und Enkel zwischen 100.000 (ASVG) und 400.000 Euro (Beamte) pro Kopf an Pensionszuschuss. Wem fällt ein Zacken aus der Krone, wenn wir über ein paar Jahre jeweils ein, zwei Monate länger beschäftigt bleiben oder bescheidenere Pensionsanpassungen haben? Diese Mindestsolidarität könnten die Jungen schon erwarten.“

... den Pensionscrash „Rein demografisch ist eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters bis 2025 gar nicht nötig. Aber ab dann geht die ,Generation Babyboom‘ in Pension. Wenn wir diese Babyboomer nicht weiter beschäftigen können, dann droht ein sozialer Kollaps.“

... das Pensionsantrittsalter „Zwischen 2025 und 2050 sollte das gesetzliche Pensionsantrittsalter um etwa fünf Jahre erhöht werden. Bei unveränderter Frühpension von 90 Prozent würde sonst zusätzlichen 800.000 Pensionisten die Altersarmut drohen. Keine Frau kann mit durchschnittlich 27,3 Beitragsjahren 28 Jahre ausreichende Pension erwarten.“

... die Möglichkeit, vorzusorgen„Die Menschen können durch Bildung, gesunde Lebensweise, Erhalt des Arbeitsvermögens und eigene Erwerbsarbeit im dritten Lebensabschnitt vorsorgen. In Schweden gibt es etwa die freiwillige Rückkehr aus der Pension in die Arbeit oder die Kombination von Rente und Erwerb ohne Wegfall- und Ruhensbe­stimmungen. Und natürlich kann man private oder betriebliche Eigenvorsorge betreiben, die nach Maßgabe der Pensionslücke nötig ist. Das ist bei allen außer den niedrigsten Einkommen sinnvoll, für die der Staat gut sorgt.“

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