Steuerreform von sechs Milliarden nur mit "Wunder"

Parteiobmann der ÖVP Reinhold Mitterlehner
Der ÖVP-Chef kritisiert, dass die SPÖ ihre Ideen via Medien publik mache. Mitterlehner appelliert an die Länder, Gebührensenkungen anzudenken.

Die geplanten Steuerreform steht im Fokus, so auch in der ORF-Pressestunde: Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner betonte am Sonntagvormittag, dass sich die Regierung bei der Steuerreform auf ein Volumen von fünf Milliarden Euro - "nicht sechs" - geeinigt hat. Sechs Milliarden Euro könnten es nur sein, wenn die Konjunktur gut läuft:

"Vielleicht haben wir ja ein Wunder."

Nun gelte es einmal, alle Vorschläge, etwa auch jene der Deregulierungskommission, zu prüfen. Mitte März nächsten Jahres soll die Steuerreform stehen. Nicht näher eingehen wollte Mitterlehner auf die Frage, ob beim Scheitern der Reform eine Neuwahl drohe.

Kanzler Werner Faymann von der SPÖ hatte auf dem Parteitag der steirischen SPÖ am Samstag indes eine Entlastung von sechs Milliarden Euro gefordert.

Mitterlehner nimmt Wien ins Visier

Mitterlehner appelliert im Zusammenhang mit der geplanten Steuerreform an die Bundesländer, Gebührensenkungen anzudenken. Dies könnte Bürger 100 Euro mehr in der Geldbörse bringen, stellte er in der ORF-Pressestunde fest. Hier wandte er sich besonders an das rot-grün regierte Wien. In der Bundeshauptstadt seien die Bürger mit enormen Gebührensteigerungen konfrontiert, so Mitterlehner. Nichts hält er von einer Steuerreform auf Pump. Auch seine Position gegen Negativsteuern bekräftigte er.

Keine Details zur Reform

ÖVP-Details zur Reform ließ er sich nicht entlocken, kritisierte jedoch, dass die SPÖ ihre Ideen via Medien publik macht. Er verstehe, dass der Koalitionspartner in zwei Wochen einen Parteitag zu schlagen hat: "Aber wir können nicht über die Medien verhandeln", forderte der ÖVP-Chef, sich wie vereinbart intern auszutauschen und in Ruhe zu verhandeln. Derzeit tage die Expertengruppe zur Steuerreform noch bis Ende November, dann starten die politischen Gespräche. Nun mit Einzelvorschlägen an die Öffentlichkeit zu gehen, mache keinen Sinn, bekräftigte Mitterlehner. In dem Fall würden einzelne ihre Position gleich wieder einzementieren, verwies er auf die Diskussion am Wochenende über den SPÖ-Vorschlag zu Einsparungen beim Finanzausgleich und die darauffolgende Empörung der Landeshauptleute. Dieses Thema sei mit den Betroffenen zu diskutieren, so Mitterlehner.

Das Streitthema Studiengebühr wollte Mitterlehner nicht ansprechen, zumal sich diese nicht im Regierungsabkommen finden. Reden wollte er hingegen über die Pensionsautomatik und die Angleichung des Frauenpensionsantrittsalters an jenes der Männer.

Nach LuxLeaks: Mindeststeuersatz statt Bandbreiten

Nach der Luxemburg-Affäre um extrem niedrige Steuerbelastungen für international tätige Konzerne plädierte auch Vizekanzler Mitterlehner für einen Mindeststeuersatz anstelle von Bandbreiten. Ein Satz von zum Beispiel 15 Prozent sei besser als eine Bandbreite von ein bis 30 Prozent, was "lächerlich" wäre, so Mitterlehner am Sonntag.

Bei der Neuordnung sollten ohne Ausnahmen "alle mit gleichen transparenten Regeln arbeiten", wünschte sich Mitterlehner. Er kenne dazu auch den Vorschlag von EU-Parlamentarier Othmar Karas. Dieser forderte diese Woche die Prüfung aller Steuerpraktiken in den EU-Mitgliedstaaten durch die Brüsseler Kommission. "Wir brauchen endlich eine gemeinsame europäische Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung und mehr Transparenz in diesem Bereich", so Karas.

Mitterlehner hofft auf Junckers Paket

Zur Konjunktursituation in Österreich hofft Mitterlehner, "dass die Prognosezuwächse stärker sind als vorprognostiziert". Das Problem der Konjunkturschwäche sei kein österreichisches, sondern bestehe in Europa und weltweit - wegen der geopolitischen Konflikte sei nämlich die Stimmung sehr negativ, so der Minister darauf angesprochen, dass unser Land eventuell in eine Rezession schlittern könne. "Die EU hat positive Einschätzungen und viele andere auch", hält er dem entgegen.

Als Investitionsstütze für die Unternehmen hoffe er auch auf das Paket, das Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerade schnüre. Zudem ziehe man die Breitband-Milliarde vor, plane Investitionen durch die Bundesimmo-Gesellschaft BIG, "und auch im Wohnbau gibt es eine eigene Gruppe, die aktiv ist". Mitterlehner: "Ich bin schon optimistisch, dass wir in den nächsten Monaten eine bessere Entwicklung haben."

ÖIAG soll neu aufgestellt werden

Zur ÖIAG bekräftigte Mitterlehner, dass das neue Konzept für die Staatsholding jedenfalls noch vor dem März stehen solle. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPÖ wolle man die ÖIAG "neu aufstellen und dafür sorgen, dass der Staat die Eigentümerrolle besser wahrnehmen kann". Zu den künftigen personellen Neu- bzw. Nachbesetzungen in der ÖIAG "haben wir schon Vorarbeiten gemacht und uns einen Nominierungsmodus überlegt", meinte der ÖVP-Chef: "Wir wollen eine sehr objektive Vorgangsweise, wir brauchen dort keine Versorgungsposten." Neben einer Cool-off-Phase solle es einen Fit&Proper-Test wie bei Banken üblich geben. Welche Firmen eventuell noch unters Holding-Dach kommen, wollte Mitterlehner nicht kommentieren, auch weil potenzielle Kandidaten - wie der Verbund - börsennotiert seien.

Mitterlehner und seine Vorgänger

Eine Woche nach seiner Kür zum neuen ÖVP-Obmann räumte Mitterlehner ein, dass er vor der Wahl seines Vorgängers Michael Spindelegger bereits über die Obmannschaft nachgedacht habe. Grundsätzlich plane er jedoch nicht: "Es kommt, wie es kommt." So erklärte er auch, dass es nicht sein persönliches Ziel sei, Bundeskanzler zu werden. Aufgrund der guten Umfragedaten für die Partei, der guten internen Stimmung und der Inhalte ergebe sich jedoch der Führungsanspruch für die ÖVP.

Den Auftritt eines weiteren Vorgängers, Wolfgang Schüssel, als Zeuge vor Gericht sowie dessen Aussagen dort vergangene Woche wollte Mitterlehner nicht kommentieren. Schüssel habe als Bundeskanzler "viel auf Schiene" gebracht. Die schwarz-blaue Regierung habe aber auch infolge zu "schmerzhaften" Klärungen geführt.

Der Auftritt von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in der ORF-Pressestunde ist nicht nur bei der Opposition, sondern auch beim Koalitionspartner auf Kritik gestoßen. So ortete die SPÖ bei der ablehnenden Haltung zur Negativsteuer etwa eine "kurzsichtige Klientelpolitik".

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos bekräftigte in einer Aussendung, die SPÖ wolle mit der Steuerreform vor allem die kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Dies sei eine Frage der Gerechtigkeit, ebenso wie die Vermögenssteuer. Die Forderung nach einer Gebührensenkung in den Ländern wiederum sei ein "leicht durchschaubares Ablenkungsmanöver" und könne nicht unmittelbar Teil der Steuerreform sein.

In Sachen Gebühren wehrte sich der Wiener SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler gegen "peinliche Ratschläge" Mitterlehners und den Vorwurf, dass die Gebühren und Abgaben in der Bundeshauptstadt zu hoch seien. Im Gegensatz zu anderen Städten biete Wien den Bürgern "Leistungen auf Top-Niveau", so Niedermühlbichler in einer Aussendung.

Kritik auch von der Opposition

Die FPÖ hingegen begrüßte den Vorstoß Mitterlehners, dass die Länder die Gebührenschraube zurückdrehen sollen. Sie sieht in der Forderung nach Einführung einer Pensionsautomatik jedoch eine "gefährliche Drohung".

Überhaupt Antworten von Mitterlehner vermisste das Team Stronach. Auch Klubobfrau Kathrin Nachbaur kritisierte die Pensionsautomatik, um mittels höherem Pensionsantrittsalter bei den Ausgaben zu sparen.

Die Aufforderung Mitterlehners an die Bundesländer, die Gebühren zu senken, verärgerte die Grünen. "Das ist ein unseriöser Unfug, weil sich die Gebühren an den hoffentlich effizienten Dienstleistungen der Gebietskörperschaften zu orientieren haben. Ich finde es geradezu peinlich, dass Mitterlehner diesen 'alten schwarzen Schmäh' auf ein Taferl malt", meinte Finanzsprecher Werner Kogler.

Haslauer über SPÖ-Idee verärgert

Wie seine Amtskollegen aus Vorarlberg und Tirol hat sich am Sonntag auch Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer über die SPÖ-Idee zur Kürzung des Finanzausgleichs verärgert gezeigt. Salzburg werde ein "einseitiges Diktat" des Bundes nicht akzeptieren, betonte er in einer Aussendung. Haslauer nahm den Bund in die Pflicht: Es könne nicht sein, dass Salzburg seinen Haushalt schrittweise in Ordnung bringe, Schulden abbaue und ab kommendem Jahr wieder ausgeglichen bilanziere, und auch noch die "größte Struktur- und Verwaltungsreform" der vergangenen Jahrzehnte durchführe, während die Bundesebene weiterhin den Willen zu Deregulierungen und Verwaltungsreformen im eigenen Bereich vermissen lasse. "Diese wären allerdings Grundvoraussetzungen zur Finanzierung einer Steuerreform, die sich die Menschen nicht wieder selber zahlen müssten", betonte der Landeshauptmann.

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