Regierung sucht Schulterschluss gegen IS-Terror

Gastgeber der Tagung: Kurz, Brandstetter, Mikl-Leitner
Gipfel gegen Hetze: VP-Minister beraten mit Kultusgemeinde und Islamsprecher Maßnahmen gegen Radikalismus.

Antisemitische Attacken während des Fußballspiels Maccabi Haifa gegen OSC Lille und Gewalt gegen israelische Kicker im Juli in Salzburg sind für Wolfgang Brandstetter Grund genug, den Verhetzungsparagrafen zu verschärfen. "Wer Hass und Gewalt sät, wird Gefängnis ernten", warnte der Justizminister am Dienstag eindringlich bei einem Sicherheitsgipfel in Wien.

Der Verhetzungsparagraf wird künftig schon wirksam, wenn vor nur zehn Personen gehetzt wird, bisher waren es mindestens 150. Zusätzlich wird der Strafrahmen bei Hetze und Gewaltanwendung erhöht – auf bis zu fünf Jahre.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will die Gefahr islamistischen Terrors durch stärkere Kontrollen – auch im Internet – bannen.

Und Integrationsminister Sebastian Kurz sucht den "nationalen Schulterschluss zwischen Politik, Sicherheitsexperten, Religionen und der Zivilgesellschaft".

Symbolhaft dafür, wie vernünftig der interreligiöse Dialog im Kampf gegen Radikalismus und Terrorismus sei, hob Kurz die Anwesenheit von Oskar Deutsch, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, und Fuat Sanaç, Vorsitzender der Islamischen Glaubensgemeinschaft, hervor. Beide saßen in der ersten Reihe und hörten den Politikern und Experten aufmerksam zu.

Tickende Zeitbombe

"Gegen Terroristen sind wir nicht neutral", betonte der Integrationsminister. Mehr als 3000 Dschihadisten aus der EU haben sich bereits den Terrormilizen des Islamischen Staates (IS) angeschlossen, davon 150 aus Österreich. Von diesen 150 sind 60 bereits zurückgekehrt, "eine tickende Zeitbombe", erklärt Mikl-Leitner.

Alle drei Minister sowie Strafrechts- und Islam-Experten waren sich einig: Prävention, Information und Aufklärung sei das beste Mittel, um gegen Radikalismus vorzugehen. "Dort, wo man es braucht, muss man das Strafrecht aber auch einsetzen", betonte Brandstetter.

Am Gipfel nahm auch Victoria Grand, die Kommunikationschefin von Google/YouTube teil (siehe Artikel rechts). "Mit dem Internet-Riesen wird es eine Zusammenarbeit geben. Meinungsfreiheit hat ein Ende, wenn es um Gewalt und Terrorismus geht", sagte Mikl-Leitner nach einem Gespräch mit Grand.

Als Rednerin beim Gipfel ist auch die Google-Managerin Victoria Grand geladen, die erklärt, welche Strategien der Internetkonzern auf seinen Plattformen anwendet, um gegen Hass und Verhetzung vorzugehen.

Die Thematik ist keine unbekannte, hat jedoch vor dem Hintergrund der IS-Aktivitäten im Netz zuletzt wieder an Dringlichkeit gewonnen. Weil Radikalisierung heute auch über Social Media - von Twitter über Facebook bis hin zu YouTube - stattfindet, sucht die heimische Politik nun offenbar Strategien, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Experten für Sicherheit und Privatsphäre

Google ist als Betreiber der Videoplattform dabei täglich mit einer großen Menge problematischer Inhalte konfrontiert. Victoria Grand kümmert sich in ihrer Funktion als Head of Communications and Community Policy bei YouTube um Themen wie Privatsphäre, Sicherheit für Kinder und Familien im Netz, aber auch um Strategien, die konzernweit bei Google angewendet werden können. Bevor die Google-Managerin für den Internetkonzern arbeitete, war sie unter anderem auch als Lehrerin und Beraterin in Bildungsfragen tätig. Außerdem hat Grand eine juristische Ausbildung und sammelte berufliche Erfahrung in einer Rechtsanwaltskanzlei.

Kürzlich wurde seitens Google eine eigene Richtlinie zum Thema Verhetzung veröffentlicht. Google arbeitet dabei mit Organisationen wie der Anti-Defamation League (ADL) zusammen und stand zwei Jahre lang in engem Austausch mit NGOs und Experten, um Ideen und Strategien zu der Problematik zu diskutieren. Dem Konzern geht es dabei auch um die richtige Balance zwischen freier Meinungsäußerung und dem Unterbinden und Entfernen verhetzender Inhalte.

“Millionen Menschen nutzen YouTube, Blogger und Google+ jeden Tag. Für uns steht es dabei im Vordergrund, eine sichere und lebendige Plattform sowohl für die NutzerInnen als auch die Kreativen zu gewährleisten”, sagt Wolfgang Fasching-Kapfenberger, Unternehmenssprecher bei Google Österreich. “Wir stellen daher online Werkzeuge zur Verfügung, um Hass-Botschaften im Internet zu melden und wir reagieren sehr rasch darauf, Inhalte zu entfernen, die unsere Richtlinien verletzen.”

Hilfe für Familien

Google bietet darüber hinaus auch Tipps und Videos, wie man sich sicher online bewegen kann. Google arbeitet dabei mit Partnerorganisationen zusammen, die Hilfestellungen leisten, wenn es zu Cybermobbing oder anderen Übergriffen kommt. Es werden auch spezielle Angebote für Eltern geschaffen, die sich Hilfe holen können, wenn ihre Kinder online in Gefahr oder Schwierigkeiten geraten. Informationen zu den Sicherheitstools finden sich auf Googles Website unter folgendem Link. Dabei werden etwa auch Anleitungen geboten, wie man eine sichere Suche auf seinem Rechner einstellt oder den sicheren Modus bei YouTube aktiviert.

Nutzer können jederzeit aktiv werden und unpassende Inhalte melden. Auch dazu hat Google mehrere Seiten eingerichtet. Was erlaubt ist und was nicht, lässt sich in den Community-Richtlinien, wie etwa hier für YouTube nachlesen.

Der heimische Verfassungsschutz und die Staatsanwaltschaften sind mit einer Flut an Verfahren gegen mutmaßliche Dschihadisten, deren Freunde und Unterstützer konfrontiert. Das ergibt sich aus einer Bilanz des Innenministeriums: Derzeit laufen knapp 100 Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Dschihadisten. Das gab das Innenministerium am Montag der APA bekannt.

"Unser Staatsschutz hat gegen sämtliche Syrienreisende Maßnahmen eingeleitet", erklärte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Gegen sie besteht der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Hohe Aufmerksamkeit schenken die Ermittlungsbehörden den Rückkehrern. Rund 60 sind laut Behörden-Information aus dem Kriegsgebiet nach Österreich zurück gereist. "Ausnahmslos jeder" werde angezeigt. Darüber hinaus durchleuchten die Staatsschützer auch das Umfeld jedes einzelnen Heimkehrers. Deren radikale Freunde und Unterstützer würden einvernommen und ebenfalls "ausnahmslos" angezeigt werden.

Wichtige Informanten für die Behörden kämen laut dem Innenministerium aus dem Kreis der "überwiegenden Mehrheit der gemäßigten Moslems". Die Innenministerin warnte "neuerlich davor, eine ganze Religionsgemeinschaft zu verunglimpfen und Übergriffe auf Unschuldige zu provozieren".

Schwierige Verfahren

Auf die Behörden warten aufwendige Verfahren: Denn sie müssen nachweisen, dass sich die Heimkehrer an Kampfhandlungen beteiligt bzw. einer Terrormiliz wie dem Islamischen Staat angeschlossen hatten.

Wie schwer das sein kann, zeigte der Fall von Osman K. Vieles sprach dafür, dass der 20-Jährige in Syrien in einem Terror-Camp war. Er prahlte auf Facebook damit, hatte eine syrische Geldnote in einem Koran bei sich, war laut einem – vom Verfassungsschutz aufgezeichneten – Chat-Protokoll von der arabischen Tastatur vor Ort überfordert. Ein stichfester Beweis, dass er sich an der Waffe ausbilden ließ, fehlte aber. Dem Gericht reichten allerdings die Indizien. Der Malerlehrling fasste 21 Monate unbedingte Haft aus.

Für Schlagzeilen in der internationalen Presse sorgte eine Meldung der Gratiszeitung Österreich: Eines der beiden Mädchen, die mutmaßlich in Syrien im Heiligen Krieg sind, wolle heimkehren. Internationale Medien übernahmen die Meldung. Auf KURIER-Anfrage erklärt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck: "Dafür gibt es keine Bestätigung." Es gebe aus "grundsätzlichen Überlegungen keinen Kommentar zu Einzelfällen".

Obwohl Grundböck sich dazu nicht äußert, liegt das Kalkül auf der Hand: Denn vor allem der Islamische Staat scheint ein ausgeprägtes Medien-Screening zu haben. Je prominenter über Einzelfälle berichtet wird, umso wertvoller sind die Betroffenen für die Propaganda – und umso unwahrscheinlicher ist eine Heimreise.

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