Wünsche an den neuen Justizminister

8. Wolfgang Brandstetter. Bisher hatte er eher mit Schurken und Studenten zu tun. Doch selbst härteste Kritiker attestieren dem WU-Professor und neuen VP-Justizminister ausgezeichnetes Fachwissen. Bringt Wirtschaftserfahrung ins Ressort.
Welche Baustellen wurden Wolfgang Brandstetter von seiner Vorgängerin Beatrix Karl hinterlassen? Der KURIER bat Justizexperten, das Programm ab 2014 zu skizzieren.

Nicht nur der Staatsanwalt soll seine Anklage vortragen dürfen. Im Sinne der „Waffengleichheit“ soll zu Prozessbeginn auch eine eigene „Verteidigungsschrift“ verlesen werden müssen. Außerdem soll der Verteidiger einen Privatgutachter beiziehen dürfen, der ebenfalls gehört werden muss. Keine vermummten Zeugen mehr, keine verdeckten Ermittler, Abschaffung der Geschworenen und stattdessen die Einführung eines größeren Schöffensenats aus drei Berufs- und drei Laienrichtern.

So stellt sich der Strafverteidiger Wolfgang Brandstetter den idealen Strafprozess vor. In einem Gutachten für den Österreichischen Juristentag hat er die Grundzüge skizziert. Das war vor zehn Jahren. Jetzt kann der Justizminister Wolfgang Brandstetter ans Werk gehen. Es ist nicht die einzige Baustelle, die ihm seine Vorgängerin hinterlassen hat.

Mit der Fortsetzung der von Beatrix Karl begonnenen Schließung von Bezirksgerichten wird sich Brandstetter unter seinen einstigen Branchenkollegen keine Freunde machen. 2013 wurden 13 Bezirksgerichte „zusammengelegt“, wie das im Politjargon umschrieben wird, 2014 sollten mindestens so viele folgen. Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Rupert Wolff, warnt vor einem damit verbundenen erschwerten Zugang zum Recht. Wenn ein Justizminister beginne, Gerichte zuzusperren, schaffe er seine Existenzgrundlage ab.

Gebühren senken

Apropos Hürden auf dem Weg zum Recht: Wolff sieht auch die hohen Gerichtsgebühren als solche an. Die Justiz, die (unter anderem aus den eingehobenen Geldstrafen) ohnehin selbsterhaltungsfähig ist, führe sich auf wie ein Großunternehmer. Daher: Senkung der Gebühren und Deckelung bei hohen Streitwerten. Außerdem plädiert der Anwaltspräsident für die durchgehende Einführung des elektronischen Strafaktes, statt weiterhin Tonnen von Papier hin und her zu schieben.

Der Präsident der Richtervereinigung, Werner Zinkl, erwartet vom neuen Justizminister eine Angleichung der Gehälter von Staatsanwälten, Straf- und Verwaltungsrichtern. Letztere bekommen im Schnitt monatlich um 200 Euro mehr als die besser ausgebildeten Strafrichter, Staatsanwälte sind in dieser Gruppe Spitzenverdiener. Die Personalhoheit (von Aufnahme bis Karriere) sollte laut Zinkl in einem Rat der Gerichtsbarkeit selbst verwaltet und nicht vom Minister verfügt werden.

Der Verein Neustart schlägt vor, die längst als sozialschädlich erkannten kurzen Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten generell durch gemeinnützige Leistungen zu ersetzen.

Weniger Strafen

Der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer ruft nach einer dringenden Reform des Maßnahmenrechts: Immer mehr Täter werden zur unbefristeten Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt, die Therapiemöglichkeiten sind aber längst ausgeschöpft. Der langjährige Gefängnischef und Leiter des Fortbildungszentrums Strafvollzug, Wolfgang Gratz, schlägt vor, eine gesetzliche Hürde für die Einweisung zu schaffen: Sie soll nicht schon wie bisher bei (geringen) Delikten möglich sein, die nur mit einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, sondern erst ab einem Strafrahmen von drei Jahren.

Kriminologe Gratz wünscht sich vom neuen Ressortchef überhaupt einen Rückbau von unwirksamen Sanktionen, das sind eben Haftstrafen. Die Rückfallsquoten sind hier sehr hoch. Hingegen sollten die als wirksam erkannten sozialkonstruktiven Maßnahmen (neben den gemeinnützigen Leistungen der außergerichtliche Tatausgleich) ausgebaut werden.

Was 2014 jedenfalls kommt, ist die bundesweite Familiengerichtshilfe, die den Kampf um Obsorge und Besuchsrecht für Kinder in Scheidungsverfahren vermeiden soll.

Die Wunschliste an Brandtstetter

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