"Respekt, der von innen kommt"

Bei Simon Inou in dessen Wiener Büro: "Das N-Wort ist beleidigend. Es ist mit Sklaverei verbunden"
Wie der Österreicher Simon Inou die FPÖ-Debatte über diskriminierenden Sprachgebrauch sieht.

Simon Inou kam 1995 nach Österreich. Er stammt aus Kamerun, ist mittlerweile österreichischer Staatsbürger und beherrscht Deutsch so perfekt, dass er als Journalist arbeiten kann. Seine Kinder, acht, dreizehn und siebzehn Jahre alt, sind hier geboren und fühlen sich als Österreicher. "Leider", sagt Inou beim KURIER-Besuch in seiner Redaktion in der Wiener City, "haben wir noch nicht den Punkt erreicht, wo die Kinder von allen anderen voll als Österreicher akzeptiert werden. Wir müssen dorthin kommen, dass es selbstverständlich ist, dass Österreicher nicht nur Weiße sind."

Die Rechtsaußen-Postille Zur Zeit ist davon weit entfernt. Sie würdigte David Alaba wegen dessen Hautfarbe als nicht vollwertigen Österreicher herab. Andreas Mölzer wurde deshalb und wegen anderer rassistischer Aussagen ("Negerkonglomerat") von der FPÖ gefeuert. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geht noch weiter: Er wünscht sich, dass das "N-Wort" von "uns allen" nicht mehr verwendet wird, er selbst tue es auch nicht.

"Vor fünf Jahren hätte ich das nicht für möglich gehalten", sagt Inou. "Es ist ein Fortschritt, dass die Debatte über Rassismus und diskriminierende Sprache in der FPÖ angekommen ist", meint auch Alexander Pollak von SOS Mitmensch. Allerdings befürchtet er, dass "die FPÖ so schnell nicht zur Rassismus-freien Zone werden wird".

Dennoch: Sensibler Sprachgebrauch ist ein großer Schritt nach vorne. "Es geht nicht um Vorschriften der politischen Korrektheit. Es geht um Respekt, der von innen kommt", sagt Inou. Das "N-Wort"sei für die Bevölkerung in Afrika und in der Diaspora beleidigend. Inou: "Es ist mit Unterdrückung, Mord und Sklaverei verbunden. Das ist eine sehr, sehr traurige Geschichte, die so respektvoll betrachtet werden sollte wie die Schoah."

Inou ist klar, dass die ältere Generation in Österreich mit dem N-Wort aufgewachsen ist, aber: "Die Welt entwickelt sich weiter, und mit ihr die Sprache. Deutsch ist keine tote Sprache, sondern sie lebt. Zum Glück."

Wer unsicher ist, welcher Begriff "richtig" ist, sollte sich an eine Grundregel halten, rät Alexander Pollak: "Man richtet sich nach den Betroffenen. Sie haben das Recht zu entscheiden, wie sie angesprochen werden wollen – und wie nicht. Es ist wie im Freundeskreis: Wenn jemand einen Spitznamen nicht mag, verwendet man ihn nicht."

In Deutschland, sagt Inou, habe sich der Begriff Afro-Deutscher verbreitet. Er selbst bezeichne sich als schwarzer Österreicher.Terezija Stoisits, die sich als Abgeordnete und Volksanwältin Jahrzehnte hindurch mit Minderheiten und Diskriminierung beschäftigt hat, sagt: "Wenn eine Gruppe etwas nicht will, halte ich mich daran." Das betreffe nicht nur ethnische Gruppen, sondern auch Menschen mit Behinderungen. So wollen etwa Gehörlose nicht als "taub" bezeichnet werden, denn taub bedeute, dass man überhaupt nicht rezeptiv oder sensitiv sei ("taubes Gefühl").

Für heftige Debatten sorgt immer wieder, wie mit alten Kinderbüchern umzugehen ist. Die des Rassismus unverdächtige Kinderbuch-Autorin Christine Nöstlinger ist gegen das Umschreiben, weil sie meint, Kinderbücher seien Literatur, und es werde ja auch Goethe nicht umgeschrieben. Die Anti-Rassismus-Kämpfer sehen das anders. "Kleinen Kindern sollte man auf jeden Fall die zeitgemäßen Ausdrücke vermitteln. Älteren Kindern oder Jugendlichen kann man dann ja erklären, warum im Tom Sawyer das Wort Neger steht, und warum man es heute nicht mehr verwendet", meint Pollak.

Inou hat eine Initiative gegründet, dass auch die Schulbuchverlage verstärkt auf diskriminierende Sprache achten. Inou: "Das Wort Türkenbelagerung muss verschwinden. Die Türkei gab es damals gar nicht, der Ausdruck richtet sich gegen Menschen von heute. Richtig wäre, von Osmanenbelagerung zu reden." Tatsächlich hat Jörg Haider die sogenannten "Türkenkriege" als Propaganda in seinem Anti-Ausländervolksbegehren gegen Zuwanderer aus der heutigen Türkei verwendet. "Wozu haben wir die Türkenkriege geführt, wenn heute alle da sind?!" pflegte er in eine johlende Menge zu werfen.

Das war 1993. Inzwischen seien sehr wohl Fortschritte zu bemerken, sind sich Inou, Pollak und Stoisits einig. Vor allem Jüngere sehen die bunter werdende Welt als selbstverständlich. Inou ist zuversichtlich: "Österreich hat nach zwei Weltkriegen das Land aufgebaut, und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir die Aufgabe, respektvoll miteinander umzugehen, nicht auch meistern sollten. Wir haben zwar nicht alle dieselbe Vergangenheit, aber wir haben dieselbe Zukunft."

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