"SPÖ ist die Partei der Großeltern"

Die SPÖ feiert sich am "Tag der Arbeit".
Die SPÖ verliert den Anschluss an die Zukunft und hat auch sonst jede Menge Probleme.

Diese Woche hat die SPÖ den Termin für ihren Parteitag festgelegt: den 28. und 29. November. Sie sollte ihn zum Anlass nehmen für eine ehrliche Bestandsaufnahme, denn die SPÖ ist in einem erbarmungswürdigen Zustand.

Ihre Mitgliederzahl ist von 750.000 in den Hochzeiten unter Bruno Kreisky auf 250.000 geschrumpelt.

Seit 2006, in nur acht Jahren, hat sie fast ein Drittel ihrer Wähler verloren. Bei der EU-Wahl, ein Stammwähler-Test, haben magere zehn Prozent aller Wahlberechtigten ihr Kreuz bei der SPÖ gemacht. Bei Mitgliedern wie Wählern zeigt die Tendenz weiter dramatisch nach unten, beide sind überaltert.

Und Nachwuchs ist wenig in Sicht. Die SPÖ ist dabei, den Anschluss an das jüngere, leistungsbereite Aktivpotenzial der Bevölkerung zu verlieren. Dort tummeln sich Neos und Grüne, auch ein Sebastian Kurz hätte Chancen.

Dieser für die SPÖ alarmierende Befund geht nicht nur aus den traditionellen soziodemografischen Wahlanalysen hervor, sondern auch aus den modernen Sinus-Studien, die in Deutschland gang und gäbe sind. In Österreich arbeitet das Integral-Institut mit dieser Methode, bei der Milieus nach Werthaltungen und Lebenswelten herausgefiltert werden. Dabei sind Reste der einstigen Volkspartei SPÖ erkennbar: Die SPÖ ist in vielen Sinus-Milieus zumindest ein wenig vertreten, woraus man ihre grundsätzlich Breite ablesen kann. Alarmierend sind aber ihre Schwerpunkte: Von der SPÖ fühlen sich "Etablierte" und "Traditionalisten" besonders angesprochen, die gesellschaftliche Avantgarde nimmt sie kaum wahr. "Die SPÖ ist die Partei der Großeltern", sagt Martin Radjaby, Kommunikationsstratege der Grünen. Die Grünen arbeiten seit Jahren mit der Sinus-Methode und nehmen sich Milieu für Milieu gezielt vor.

Bertram Barth, Chef des Integral-Instituts, bestätigt den Befund: "Die Erzählung der Sozialdemokratie ist insgesamt eine sehr alte. Das Versprechen an den Mittelstand, dass man Wohlstand erlangt, wenn man sich bildet und brav arbeitet, ist aus Sicht der Jungen obsolet." Kein Wunder: Die Jungen sind oft besser gebildet als die Etablierten und hanteln sich trotzdem nur von Praktikum zu Praktikum.

Die Lebenswelt der Jungen ist charakterisiert durch Schlagworte wie: erlebnishungrig, individuell, spaßorientiert, aber auch leistungsbereit und – ausgeprägt pragmatisch. Man nimmt, was gerade kommt, und macht das Beste draus.

Die Funktionärswelt der SPÖ ist ein anderes Universum. Zu manchen neuen Lebenswelten gibt es offenbar nicht einmal mehr Sprechkontakt. "Die Sprache der Funktionäre geht bei jüngeren Wählergruppen ins Leere", sagt Politikwissenschafter Fritz Plasser. "Die SPÖ bietet keine Personen, mit denen sich Jüngere identifizieren", sagt Barth.

Den letzten Versuch, ein in die Zukunft gerichtetes Politik-Konzept zu formulieren, unternahm Alfred Gusenbauer mit der "solidarischen Hochleistungsgesellschaft". "Das ging in die richtige Richtung", sagt Barth. Aber die SPÖ hat darauf "allergisch reagiert", wie ein Präsidiumsmitglied erzählt. "Leistung, und schon gar Hochleistung, darf man bei uns nicht in den Mund nehmen."

Manchem SPÖ-Spitzenfunktionär dämmert langsam, dass es wie bisher nicht weitergeht. Ein Präsidiumsmitglied: "Wir haben vor Wahlen immer einen Brief an unsere Basis geschrieben und darauf vertraut, dass sie hingeht und uns die Mehrheit sichert. Jetzt kommen wir drauf, dass viele Brief-Empfänger bereits tot sind."

Kosten überschritten

Die SPÖ ist auch von Alltagssorgen gebeutelt. Sie stöhnt unter drückenden Schulden von angeblich rund zehn Millionen. Bestätigen will Kassenwart Christoph Matznetter nichts, aber: "Armut ist keine Schande. Wir sind sehr arm." Tatsächlich wird die Parteizentrale personell ausgeräumt, ein Teil der Mitarbeiter soll in den Klub transferiert werden, um zu sparen. Man leistet sich nicht einmal einen Kommunikationschef. Geschäftsführer Norbert Darabos will mit den jährlich acht Millionen Parteiförderung die Schulden bis 2017 abtragen. Hinzu kommt, dass die SPÖ wahrscheinlich die gesetzliche sieben Millionen Wahlkampfkosten-Grenze überschritten hat. Darabos: "Das Problem sind jene 3,5 Millionen, die der Klub im Wahlkampf ausgab, die wir dann aber als Parteiausgabe deklarieren mussten." Das Prüfergebnis gibt es am 30. September. Darabos: "Sollten wir über der Grenze liegen, werden wir alles transparent darlegen und zeigen, dass wir nichts zu verbergen haben."

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