"Pfiffig" oder "ungerecht"? Experten über türkis-grüne Steuerpolitik
Wenn es um das Thema Steuern geht, hat die türkis-grüne Regierung sich ambitionierte Ziele gesetzt - die Steuerzahler sollen massiv entlastet werden. Allerdings muss die die große Entlastung über ein paar Jahre verteilt werden. Der KURIER hat bei Experten nachgefragt, was sie von den Plänen der Regierung halten.
Herbert Kovar, Deloitte: "Köst-Senkung nicht auf die lange Bank schieben"
„Für die Wirtschaft hat Planbarkeit höchste Priorität. Der Etappenplan zur Steuerreform mag der Budgetpolitik geschuldet sein, sollte von der Regierung aber sobald wie möglich auf den Tisch gelegt werden. Unternehmen und Bürger wollen wissen, was wann kommt, sagt Deloitte-Steuerexperte Herbert Kovar.
Das gelte für die Tarifsenkung in der Lohnsteuer. Sie diene z.B. der Anlockung ausländischer Talente im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Das gelte aber genauso für die Reduktion der Körperschaftssteuer von 25 auf 21 Prozent. Kovar: „Das ist ein wichtiges Signal für internationale Investoren. Das bitte nicht auf die lange Bank schieben.“
Positiv an den Steuerplänen von Türkis-Grün sei die Ökologisierung des Systems. Die Streichung der Kapitalertragssteuer für ethische und ökologische Investments hält Kovar für eine „pfiffige Idee“. Die Abgrenzung was wirklich ethisch oder ökologisch ist, werde aber „sicherlich spannend“.
Kovar freut sich auch auf die Entrümpelung des komplexen Steuerrechts. Kovar: „Formal oder inhaltlich absurde Regeln gehören abgeschafft, das spart viel Geld für Bürger und Verwaltung. Die Kunst wird sein, auch auf die bestehende Judikatur Rücksicht zu nehmen.“„Sehr positiv“ sei auch die Ausweitung des Auskunftsbescheids für Unternehmen und der Rechtsanspruch auf eine Steuerprüfung. Beides erhöhe die Rechtssicherheit der Unternehmen im Umgang mit der Finanz.
Philipp Gerhartinger, AK: "Für Arbeitnehmer in Relation viel weniger"
Das Volumen der Tarifsenkung von bis zu vier Milliarden Euro hält die AK prinzipiell für ausreichend. Problematisch sei, dass der Zeitpunkt der Lohnsteuersenkung (zumindest teilweise) noch offen ist. „Die Tarifsenkung ist rasch notwendig, denn mit jedem weiteren Jahr steigt die kalte Progression um rund 400 Millionen Euro“, sagt AK-Experte Philipp Gerhartinger.
Problematisch sei aber auch, dass Türkis-Grün im Steuerbereich teilweise hinter Türkis-Blau zurückfalle. Positiv sei, dass, wie von Kurz angekündigt, der Spitzensteuersatz von 55 Prozent auf die (wenigen) Millionärseinkommen auch nach 2020 verlängert wird. Dafür sei die damals geplante Erhöhung der Werbungskostenpauschale nun hinfällig oder soll die Spekulationsfrist für Aktienbesitzer wieder eingeführt werden. Das stellt jene steuerfrei, die ihre Papiere länger als die Frist (wahrscheinlich ein bis zwei Jahre) behalten. Gerhartinger: „Das kostet 300 Millionen und kommt zu 80 bis 90 Prozent den reichsten zehn Prozent der Haushalte zugute. Der kleine Sparer kann sich doch keine Aktien leisten.“
Ungerecht sei auch, dass die Körperschaftssteuer zwar nur neun Milliarden bringe, aber um 1,6 Milliarden gesenkt werde. Demgegenüber kassiere der Fiskus 29 Milliarden an Lohnsteuer und gibt durch die Senkung der Tarifstufen nur 3,5 bis vier Milliarden zurück. „Für die Arbeitnehmer gibt es also in Relation viel weniger.“
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