30 Jahre Peter Pilz: Der letzte grüne Mohikaner

Peter Pilz vor dem Parlament, das er seit 30 Jahren prägt.
1986 zogen die Grünen ins Parlament ein. Peter Pilz sitzt seit damals auf der Abgeordnetenbank.

KURIER: Herr Pilz, 2016 sind die Grünen 30 Jahre im Parlament. Die erste Spitzenkandidatin, Freda Meissner-Blau, starb vor wenigen Tagen. Wie groß ist der persönliche Verlust für Sie?

Peter Pilz: Der Verlust ist sehr groß. Freda war am Anfang unser persönliches Qualitätssiegel und unser Türöffner ins Parlament. Sie meinte, sie bringt uns einmal rein, dann müssen wir selber schauen, wie wir weiterkommen. Für mich ist klar: Ohne Freda würde es mich als Abgeordneten nicht geben.

Sie sind der letzte grüne Mohikaner, der seit der ersten Stunde auf der Abgeordnetenbank sitzt. Es war aber nicht immer eine Liebesbeziehung zwischen Ihnen und der Partei. Ist das Neid aufgrund Ihrer medialen Dauerpräsenz?

Nein, meistens war es viel mehr ein Richtungsstreit, wie es mit der Partei weitergehen soll. Ich war immer auf der Seite jener, die meinten, wir müssen etwas Neues ausprobieren. Vor jeder Entwicklungsstufe gab es eine große Debatte: Machen wir diesen Schritt überhaupt? Das war 1997 so beim Bundeskongress: Ich drängte darauf, dass wir eine Reformpartei mit Wirtschafts- und Sozialkompetenz werden müssen. Dazu brauchten wir einen Ökonomen wie Alexander Van der Bellen. Auch da gab es eine große Debatte. So schafften wir den Sprung auf 7,5 Prozent. Dann stellte sich 2003 die Frage: Sind wird regierungsbereit? Die Folge der Verhandlungen mit Wolfgang Schüssel war nicht eine Regierungsbeteiligung im Bund, sondern in sechs Bundesländern. So schafften wir es auf 11 bis 12 Prozent.

Und jetzt wünschen Sie sich den Sprung auf 17 Prozent?

Ja. Die Wahlen der Zukunft werden nicht mehr durch Wechselwähler, sondern durch Protestwähler entschieden. Wer gewinnt die Protestwähler? Geben wir den Kampf gegen die FPÖ auf, bevor er begonnen hat? Oder kämpfen wir mit der FPÖ um diese Menschen? Nun gibt es wieder welche, die sagen: Das geht ja gar nicht. Aber ich bin mir sicher: Das geht. Diese Wähler wählen vielleicht FPÖ, aber sicher nicht mehr SPÖ oder ÖVP. Wir sind die Einzigen, die eine Alternative sein können. Dazu müssen wir die Menschen ansprechen und gewinnen, damit wir den Sprung von 12 auf 17 Prozent schaffen. Wenn uns das nicht gelingt, kommt Schwarz-Blau.

Das soll jetzt mit linkem Populismus passieren....

Ja, denn da geht es um Menschen, die große Lebensfragen haben. Von den Mieten bis zur Ausbildung ihrer Kinder. Vom Arbeitsplatz bis zur Pflege. Es sind Bürger, die sich vor dem sozialen Absturz und vor Ausländern fürchten. Ich weiß, dass wir einen Teil dieser Menschen gewinnen können, weil das keine Rechten sind, sondern Menschen mit Zukunftsängsten.

Trotz der Krise genießen Sie eine Sonderstellung. Wären Sie bei einer anderen Partei schon längst rausgeflogen?

Aus der SPÖ bin ich rausgeschmissen worden. Heute, über drei Jahrzehnte später, sage ich: Die SPÖ hatte vollkommen recht. Ich war dort vollkommen fehl am Platz. Durch den Rauswurf bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, mit Menschen, die keine politische Heimat hatten, die Grünen zu gründen. Nur diese offene Partei hält mich aus. Bei jeder anderen wäre ich schon drei Mal rausgeflogen.

Zentral war stets Ihr Kampf gegen die Eurofighter. Ihr Ziel war es, sie wegzubekommen. Sie sind noch immer da...

Das Problem löst sich von selbst. Wir wissen heute schon, dass die Staaten, die den Eurofighter unserer Tranche 1 betreiben, den Betrieb 2018 einstellen wollen. Jetzt beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, damit die Republik das Geld zurückbekommt.

Die Schmiergeld-Recherchen haben Sie aufgegeben?

Um Himmelswillen, nein. Wir verfolgen die Spur von knapp 200 Millionen Euro Schmiergeld und haben bereits fünf Schmiergeldkreisläufe nachvollziehen können. Ich habe gelernt, wenn man in der Politik was bewegen möchte, darf man nicht in Tagen oder Wochen denken. Mit der Causa Eurofighter beschäftige ich mich seit 2003. Mein langfristiges Ziel war es, Korruption in Österreich erfolgreich zu bekämpfen. Als ich in die Politik kam, war es selbstverständlich, dass sich viele schmieren ließen. Wenn man heute auf die Straße geht und fragt, welche Partei ist nicht korrupt, dann kommt unisono eine Antwort: Die Grünen.

Wie lange wollen Sie im Parlament bleiben? Ist man nach 30 Jahren nicht ein Sesselkleber?

Als ich 1986 ins Parlament kam, gab es das Rotationsprinzip: Da war es klar, man bleibt vier Jahre und dann ist man wieder weg. Dann haben wir diese Periode auf acht Jahre ausgeweitet. Ich war überzeugt davon, dass es nichts Schrecklicheres gibt als Berufspolitiker. Irgendwann habe ich entdeckt, dass Abgeordneter ein unglaublich schwieriger Beruf ist, den man erlernen muss. Meine große Vision ist heute, aus dem Parlament etwas Besseres zu machen.

Wie viele Lehrjahre benötigten Sie?

Ich bin ein langsamer Lerner. Die ersten 10 bis 15 Jahre waren meine Lehrjahre. Durch meine ersten Erfolge mit Lucona und Noricum habe ich gesehen, dass einzelne Abgeordnete stärker sein können als eine Regierung, die ihre Macht missbraucht.

Was ist Ihr größter Verdienst? Dass Sie Alexander Van der Bellen in die Politik gebracht haben?

Das sehe ich nicht als Verdienst. Die Zeit war reif für eine neue Entwicklung. Ich sehe das als glücklichen Zufall.

Wird Van der Bellen antreten?

Ja. Da bin ich mir sicher.

Warum?

Er ist ein ruhiger, intelligenter, weltoffener Mensch, der aus diesem Amt wirklich was Gutes machen kann. Würde die Gefahr bestehen, dass jemand wie Erwin Pröll in die Hofburg einzieht, würde ich ein halbes Jahr meines Lebens dafür geben, um Van der Bellen zu unterstützen.

Warum lehnen Sie Erwin Pröll ab?

Erwin Pröll, Karl-Heinz Grasser und Jörg Haider stehen für Machtmissbrauch. Deswegen hat Pröll in der Hofburg nichts verloren. Hätte ich Zeit, dann sollten wir uns das niederösterreichische Finanzsystem anschauen. Ich glaube, dass Erwin Pröll dem Jörg Haider posthum zeigen könnte, wer die größere Nummer ist.

Warum wurden Sie zum Aufdecker?

Das hat mit meiner Erziehung zu tun. Ich wurde in dem Geist erzogen: Ungerechtigkeit darf es nicht geben. Beim Machtmissbrauch und seiner schlimmsten Form, der Korruption, wird Ungerechtigkeit am spürbarsten. Wird ein System einmal als korrupt empfunden, dann werfen die Menschen den Hut drauf und meinen: Weg mit dem ganzen System, weg mit dem Parlament – ein starker Mann muss her.

Sie zeigen sich ja als sehr konfliktfreudig. Sind Sie das auch privat?

Nein. Ich muss sagen, ich hatte im Leben sehr viel Glück. Ich führe ein wunderbares Leben, habe viele Freunde, trete gerne mit meiner Band "Prinz Pezi und die Staatssekretäre" auf. Ich habe eine wunderbare Frau, die mich sehr gut kennt und oft zu mir sagt: "Na, des hättest aber nicht sagen müssen." Da pflege ich dann nicht zu widersprechen.

Wann war das zuletzt?

Als ich zuletzt in einem Interview meinte: "Ich stehe nicht mit einer Kerze an der Südgrenze und freue mich über jeden, der kommt." Das hat meine Frau heftig kritisiert. Dann folgte eine lange Diskussion. Am Ende war klar: Meine Frau hatte recht. Das hätte ich mir sparen können.

Ein Privileg, das oft kritisiert wurde, ist Ihre Gemeindewohnung. Sollten Sie nicht aus moralischen Gründen ausziehen?

Warum? Hier lebe ich seit über 40 Jahren. Ich habe der Gemeinde Wien eine einkommensabhängige Miete angeboten, habe dem Stadtrat gegen seinen Willen monatlich Geld überwiesen. Es gibt nicht zu viele Abgeordnete im Gemeindebau, sondern zu wenige. Ich bin im Gemeindebau zu Hause. Im Gegensatz zu den Abgeordneten der FPÖ. Denn die wohnen nicht bei ihren Wählern.

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