Faymanns Rede von 100 Genossen boykottiert

Faymanns Rede von 100 Genossen boykottiert
Rote Parteijugend protestiert im Vorfeld, 100 Genossen verließen den Saal.

Unter dem Motto "Bewegen wir Wien: Mutig. Menschlich. Miteinander" hat am Samstag der 71. Landesparteitag der Wiener SPÖ begonnen. Wie sehr die Roten tatsächlich an einem Strang ziehen, wird sich vor allem an der erwartbaren Debatte rund um den Flüchtlingskurs der Partei zeigen. Die Parteijugend protestierte jedenfalls bereits vor Beginn des Treffens.

Rund 30 Vertreter u.a. der Sozialistischen Jugend (SJ) hatten sich vor dem Eingang zur Halle D der Messe, wo der Parteitag stattfindet, postiert und via Taferl durchaus scharfe Botschaften an Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann adressiert. "Faymann du Orban", "Werner, rechts der FPÖ ist Überholverbot" oder "Notverordnungen waren 1933 schon out" war auf den Taferln zu lesen.

"Menschlich sein! Gegen Verschärfungen des Asylgesetzes" oder "Mutig sein! Gegen Regieren per Notverordnung" war außerdem auf einem Transparent zu lesen. Im Saal selbst wurde Delegierten außerdem ein gelber Sticker mit der Aufschrift "#TEAM HALTUNG" verteilt.

100 Genossen verließen bei Faymanns Rede den Saal

Gut 100 Genossen - großteils mit dem Sticker "#TEAM HALTUNG" ausgestattet - verließen zu Beginn der Rede von Werner Faymann den Saal bzw. stellten sich in die Nähe des Ausgangs.

Faymann ließ sich von der Aktion, die laut APA-Informationen von Jugendorganisationen und Teilen der Bezirksorganisationen initiiert wurde, nicht beirren und unterbrach seine Rede nicht. Tatsächlich blieb die überwiegende Mehrheit der knapp 1.000 Delegierten im Saal sitzen. Bei der Klubtagung der Wiener SPÖ im März, wo Faymann von einer Handvoll Jugendvertretern mit Pfeiferln und Taferln gestört worden war, hatte der Kanzler noch äußerst emotional reagiert.

Faymanns Rede von 100 Genossen boykottiert
ABD0034_20160416 - WIEN - ÖSTERREICH: BK Werner Faymann, im Rahmen des Landesparteitages der Wiener SPÖ "Bewegen wir Wien. Mutig. Menschlich. Miteinander" am Samstag, 16. April 2016 in Wien. - FOTO: APA/HERBERT P. OCZERET

Freilich ging er in seinem gut zehnminütigen Referat - neben Lob für den roten Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer - auch auf das innenpolitische Thema Nummer eins ein: "Wir haben in der Frage der Flüchtlinge im Vorjahr gezeigt, dass wir ein Land sind, dass zuerst einmal die Ärmel aufkrempelt und hilft", betonte er. Gerade Wien stehe "vorbildlich" zu dieser Verpflichtung, "weil es zu unserer Tradition und unserer Auffassung gehört".

Faymann verteidigt seinen Kurs

Faymann verteidigte allerdings auch einmal mehr den verschärften Flüchtlingskurs der Regierung: "Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren, wenn wir als Sozialdemokraten sagen, wir können nicht alle Menschen aufnehmen in Österreich", betonte Faymann demonstrativ Einigkeit. "Wir brauchen dazu europäische Lösungen, Richtwerte, die aufmerksam machen darauf, dass wir nicht alleine in der Lage sind, alle Flüchtlinge aufzunehmen."

"Wenn in unserer Partei hart diskutiert wird, dann entspricht das der Tradition unserer Sozialdemokratie", kommentierte Faymann die innerparteilichen Debatten zum Flüchtlingskurs. "Andere Parteien haben Parteitage, da ist alles bestens und einstimmig, aber sie haben schon den vierten Obmann, seit ich Bundeskanzler bin", stichelte er gegen den Koalitionspartner ÖVP. "Ich weiß, dass unsere Diskussionen lauter, härter, aber auch ehrlicher verlaufen, bis wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen."

Häupl steht zur Notstandsverordnung

Bürgermeister und Landesparteichef Michael Häupl hat mit seiner Rede die Genossen auf einen gemeinsamen Kurs bei der Flüchtlingspolitik eingeschworen. Man müsse Menschen in Not helfen, an dieser Haltung habe sich in der SPÖ nichts geändert, so Häupl. Zur Notstandsverordnung stehe er aber, bekräftigte er in seiner 50-minütigen Rede am Vormittag.

"Wir haben nicht erst seit dem Wahlkampf (mit einer Pro-Flüchtlingslinie bei der Wien-Wahl 2015, Anm.) sehr klare Vorstellungen davon, wie man Menschen zu helfen hat, die vor Terror, Krieg und Not fliehen, und die zu uns kommen. An dieser Grundmeinung hat sich auch nichts geändert", betonte der Bürgermeister. Flüchtlinge seien keine Feinde, sondern hilfsbedürftige Menschen. Auf den Auszug einiger Dutzend Genossen bei Beginn der Rede von Kanzler Werner Faymann zuvor ging der Stadtchef mit keinem Wort ein.

Faymanns Rede von 100 Genossen boykottiert
ABD0043_20160416 - WIEN - ÖSTERREICH: Wiens Bürgermeister, Michael Häupl im Rahmen des Landesparteitages der Wiener SPÖ "Bewegen wir Wien. Mutig. Menschlich. Miteinander" am Samstag, 16. April 2016 in Wien. - FOTO: APA/HERBERT P. OCZERET

Vielmehr signalisierte Häupl Unterstützung in Richtung Faymann, was die - zuletzt etwas abgemilderte - Verschärfung des Asylgesetzes betrifft. "Ich begrüße es durchaus, dass wir uns vorbereiten darauf, falls sich wieder Hunderttausende (Flüchtlinge, Anm.) auf den Weg nach Österreich machen", meinte er in Richtung der umstrittenen Notstandsverordnung. Denn dann könne man das derzeitige Niveau der Versorgung - vom Schulplätzen über Wohnraum bis zu Deutschkursen - nicht aufrechterhalten.

"Die mieselsüchtigen Grantler, die Sorgenvollen, die Verängstigten wählen die FPÖ."

"Diese Notsituation ist zur Stunde aber nicht gegeben und wir haben keine Veranlassung, so zu tun, als würden unsere Systeme zusammenbrechen", stellte Häupl zugleich erneut fest - was ihm starken Zwischenapplaus einbrachte. Man dürfe die Leute nicht verunsichern, denn: "Die mieselsüchtigen Grantler, die Sorgenvollen, die Verängstigten wählen die FPÖ." Optimisten, die sagen würden, man könne das, "die wählen uns - wen auch sonst".

Der Wiener SPÖ-Vorsitzende forderte außerdem einmal mehr eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage und darüber hinaus finanzielle Unterstützung für Länder wie Italien oder Griechenland ein: "Wenn wir von Griechenland erwarten, dass es die EU-Grenzen in humaner Form schützen soll, dann wird man helfen müssen." Für mehr Mittel aus Österreich plädierte Häupl auch für den UNHCR. Denn in Ländern wie dem Libanon und Jordanien würden Hunderttausende in Lagern unter menschenunwürdigen Zuständen leben.

Häupl gegen Bundes-ÖVP

Was die Flüchtlingspolitik anbelangt, ging Häupl mit der Bundes-ÖVP scharf ins Gericht. Denn die Herausforderungen werde man nicht dadurch lösen, "indem wir uns - wie der Herr (ÖVP-Klubobmann Reinhold, Anm.) Lopatka - jeden Tag neue Grauslichkeiten einfallen lassen", erwähnte er etwa schwarze Pläne zur Kürzung der Mindestsicherung: "Diesen Schritt zurück in die sozialpolitische Steinzeit machen wir nicht mit."

Es gebe einen Teil der Volkspartei, der offenbar die SPÖ aus der Regierung hinausdrängen wolle. Darum werde versucht, "Zwietracht in die Sozialdemokratie hineinzutragen", mutmaßte Häupl: "Aber nicht jedes Mal, wenn es der ÖVP schlecht geht, muss es uns auch schlecht gehen."

Hundstorfer-Rundumschlag gegen seine Mitbewerber

Zuvor hatte Bundespräsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer in seiner Rede zum Rundumschlag gegen seine Mitbewerber ausgeholt und die Genossen auf die Präsidentschaftswahl eingeschworen: "Nützen wird diese acht Tage", rief er zum Lauf um Stimmen auf und erntete Standing Ovations, als er seine Frau auf die Bühne holte.

"Ich stehe weiterhin dazu, wir müssen im Interesse der Menschen, die in Österreich leben und der Menschen, die Schutz suchen, ehrlich sein, was können wir leisten, für wie viele Menschen können wir ein ordentliches und faires Verfahren durchführen", sagte Hundstorfer zum Asylthema. Das Schwierige sei, für alle ordentlichen Wohnraum, Bildungschancen und Chancen am Arbeitsmarkt zu bieten. "Hier wird es Grenzen des Machbaren und des Leistbaren geben", betonte Hundstorfer.

Gegen Mittag beginnt dann der Antragsmarathon. 160 stehen zur Debatte und Abstimmung, wobei die Flüchtlingsanträge nur einen kleinen Teil des Konvoluts ausmachen. Die inhaltliche Spannweite reicht von Wirtschafts- und Kulturpolitik über Wohnen und Verkehr bis zu Bildung und Frauen.

Für Aufmerksamkeit hatte unlängst auch ein Antrag der "Sektion 8" im Alsergrund gesorgt. Er plädiert dafür, Inserate der Stadt bzw. deren Unternehmungen künftig nur in Medien zu schalten, die sich zum Ehrenkodex des Presserats bekennen bzw. die sich an diesen halten. Der Antrag zielt vor allem auf Boulevardzeitungen wie "Krone", "Österreich" und "Heute" ab, die im Vorjahr wiederholt gegen die Richtlinien des Selbstkontrollorgans der heimischen Medien verstoßen haben. Dass das Begehr auf Zustimmung stößt, gilt allerdings als eher unwahrscheinlich. Schließlich empfiehlt die SPÖ-interne "Antragsprüfungskommission" den Delegierten ein Votum auf Zuweisung, was die "Sektion 8" schon im Vorfeld mit einem "Begräbnis" gleichgesetzt hat.

FPÖ und ÖVP haben am Samstag Kritik an den Aussagen von Bürgermeister Michael Häupl und Bundeskanzler Werner Faymann zum Thema Flüchtlinge beim Parteitag der Wiener SPÖ geübt. FPÖ-Bundesparteichef Heinz-Christian Strache attestierte Faymann "Realitätsfremde". Der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel meinte, die ÖVP habe einen Notstand verhindert, die SPÖ schmücke sich mit "fremden Federn".

"Wenn Kanzler Faymann betont, wie vernünftig und gut man vor allem in Wien mit dem Zuwanderungssturm der vergangenen Monate umgegangen ist, muss man ihm ehrlicherweise komplette Realitätsfremde konstatieren", sagte Strache laut Aussendung. Kritik an Häupls Bekräftigung des Flüchtlingskurses der Wiener SPÖ kam vom blauen Vizebürgermeister Johann Gudenus: "Den durchaus vernünftigen Kräften innerhalb der Wiener SPÖ wird kein Gehör geschenkt, stattdessen wird der 'Refugees welcome'-Fraktion weiterhin der Rücken gestärkt", meinte er.

Für Blümel ist es "absolut befremdlich, dass sich Bürgermeister Häupl heute beim Landesparteitag der SPÖ Wien dafür beklatschen lässt, dass es derzeit keinen Notstand in Österreich aufgrund der Migrationsströme gibt. Damit schmückt er sich wahrlich mit fremden Federn. Nur durch "massiven Druck der ÖVP" sei ein Notstand in Österreich "im letzten Moment verhindert" worden, meinte Blümel in einer Aussendung. "Enttäuschend" sei außerdem, dass sich Häupl einmal mehr gegen eine Reform der Mindestsicherung ausgesprochen habe.

Gegen die Protestaktion einiger Vertreter der Parteijugend, die vor dem Eingang der Messehalle mit Transparenten gegen Faymanns Flüchtlingspolitik protestiert hatten, wandte sich Rudolf Gelbard, der letzte überlebende KZ-Häftling im Bundesvorstand des Bundes Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer: "Es hat in der Geschichte der Sozialdemokratie immer Meinungsfreiheit gegeben. Was aber hier transportiert wird, ist untragbar", sagte Gelbard laut Aussendung. Faymann mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban zu vergleichen sowie Vergleiche mit den Notverordnungen einer faschistischen Regierung im Jahr 1933 seien "außerhalb jedweder Akzeptanz", so Gelbard.

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