Fekter als Reibebaum versetzte Parteitag in Stimmung

APA12497388 - 27042013 - WIEN - ÖSTEREICH: Bürgermeister Michael Häupl im Rahmen des Landesparteitages der SPÖ "Sozial denken. Gerecht handeln", am Samstag, 27. April 2013 in Wien. APA-FOTO: HERBERT P. OCZERET
Die SPÖ schaltet auf Wahlkampf-Modus: Schelte für die ÖVP, gute 93 Prozent für Häupl als Parteichef.

Der Krach ums Bankgeheimnis fand gestern auf dem Parteitag der SPÖ-Wien eine ausführliche Nachlese. Finanzministerin Maria Fekter diente sowohl Kanzler Werner Faymann als auch Bürgermeister Michael Häupl als Reibebaum, um die Parteitagsdelegierten in Kampfstimmung zu versetzen und das eigene, sozialdemokratische Profil zu schärfen.

Michael Häupl wurde mit 92,7 Prozent als Chef der SPÖ-Wien bestätigt, eine merkbare Verbesserung gegenüber den mageren 89,2 Prozent von vor zwei Jahren. Diese Geschlossenheits-Demonstration und die Abgrenzung von der ÖVP zeigen: Die SPÖ hat auf Wahlkampf-Modus umgeschaltet.

Am Beginn des Parteitags erklärte Kanzler Faymann, warum Österreich das Bankgeheimnis für ausländische Bankkunden aufgibt: „Die Sozialdemokratie muss im Interesse der Arbeitnehmer auf gemeinsame europäische Lösungen drängen. Die Superreichen verstecken 20 Billionen Euro in Steueroasen, das ist das Sechsfache der deutschen Wirtschaftsleistung. Wenn ein Datenaustausch notwendig ist, um denen auf die Schliche zu kommen, dann werden wir Österreicher vorne dabei sein.“

„Man soll nicht die Oma vorn hinstellen und in Wahrheit die Steuerbetrüger schützen.“

Direkt in Richtung Fekter sagte Faymann: „Mir war es wichtig, deutlich zu werden, wenn es um das Image Österreichs geht. Sozial, fair und engagiert – das muss das Image Österreichs sein in der Welt.“ Es habe sich auch „unser Bankenstandort nicht verdient, in den Ruf abzugleiten, wir seien ein Paradies für Oligarchen und Steuerhinterzieher.“ Fekter würde „die Oma vorne hinstellen und in Wahrheit die Steuerbetrüger schützen“. Die SPÖ hingegen „schützt die Großmütter und bekämpft den Steuerbetrug“. Anhaltender Applaus für Faymann.

Häupl begann seine Rede mit einer Anspielung auf Fekters umstrittenen Brief zum Bankgeheimnis, den Faymann nach Fekters Willen hätte unterschreiben sollen. Häupl zu Faymann: „Ich glaube, nicht einmal ein Geburtstagsschreiben wirst Du mit ihr gemeinsam unterschreiben. Denn das, was in diesem Brief der Frau Fekter drinnen steht, kann deine Unterschrift nicht verdienen.“ Häupl lobte, Faymann würde Grundsätze der SPÖ in der Regierungspolitik umsetzen: „ Die Omama schützen, aber nicht die Steuerbetrüger.“ Fekter sei eine „neoliberale Gralshüterin“.

Über die ÖVP sagte Häupl: „Ich kann, will und werde es nicht verstehen, dass sich eine Partei von einigen älteren Herren in der Lehrergewerkschaft in Geiselhaft nehmen lässt und die Zukunftsentwicklung der Schule verhindert.“ Der ÖVP sei ein „bestimmter Lehrerkreis wichtiger als die Kinder“.

Häupl ging auch auf den umstrittenen Fahrrad-Lobbyismus seines grünen Koalitionspartners ein: „Wir wollen weder die Autofahrer tratzen, noch werden sich 1,8 Millionen Menschen in dieser Stadt nur mit dem Fahrradl bewegen können, das gibt es nicht einmal mehr in Peking.“ Das adäquate Verkehrsmittel für Wien seien die Öffis.

Begleitet von Blasmusik strömten am Samstag 2000 Genossen in die Messehalle D, um dort den 68. Parteitag der Wiener SPÖ abzuhalten. In der Halle tönte „We are family“ aus den Lautsprechern, und Bürgermeister Michael Häupl schwörte die rote Großfamilie auf die Nationalratswahl im Herbst ein. Wien ist für die Roten bei dieser Wahl wichtiger den je. Entsprechend angriffig gab sich Häupl und kritisierte den Sparkurs von Finanzministerin Maria Fekter: „Wir brauchen Wachstum, um aus der Krise herauszukommen.“

Wachstum braucht Investitionen und damit Geld. Der neoliberale Ansatz sei es, zu privatisieren, etwa Gemeindebauten zu verkaufen, urteilt Häupl. „Das machen wir sicher nicht.“ Auch andere Dienstleistungen wie die Verkehrsbetriebe oder die Wasserversorgung bleiben in öffentlicher Hand, legt sich Häupl fest.

Stadtentwicklung

Damit Wien weiter lebenswert bleibt, warten auf die Stadt große Anforderungen. Jährlich wächst die Stadt um 20.000 Menschen. Bis 2014 werden daher im Stadtentwicklungsplan (STEP) Strategien für die Zukunft entwickelt. Häupl will Wien als unverwechselbare Stadt ohne soziale Trennungen weiterentwickeln. Auch einige der roten Anträge am Parteitag weisen in die Zukunft. Immobilienbesitzer sollen mit einer Reform der Grundsteuer stärker für Wertsteigerungen zur Kasse gebeten werden. Projektentwickler sollen sich an Infrastrukturkosten beteiligen. Die Stadt selbst baut 8000 Wohnungen pro Jahr. „Dieses Angebot wirkt mietpreisdämpfend“, sagt Häupl. Das werde auch fortgesetzt: „Wir haben im Gegensatz zu anderen Bundesländern die Gelder der Wohnbauförderung für Wohnungen ausgegeben und nicht auf dem Kapitalmarkt“, sagt Häupl und erntet tosenden Applaus.

Neben neuen Wohnungen braucht Wien auch Kindergärten und Schulen. Der Kindergarten sei die erste Bildungseinrichtung und werde gratis bleiben, versprach Häupl. Er sprach sich auch für die Gesamtschule für die 6- bis 14-Jährigen, „als Ganztagsschule mit guten Lehrern“ aus. Von den roten Genossen forderte Häupl mehr Mut: „Wien ist vier Mal hintereinander Weltmeister in der Lebensqualität geworden. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.“

Reaktionen

Kritik kommt von der Opposition. ÖVP-Obmann Manfred Juraczka meinte, „der Weg der SPÖ aus Klassenkampf und Selbstzufriedenheit wird den Standort definitiv nicht nach vorne bringen.“ FPÖ-Klubchef Johann Gudenus befürchtet zur Häupl-Forderung einer Gesamtschule, „ein weiteres Absinken des Bildungsniveaus“.

Michael Häupl hat seine politischen Gegner enttäuscht. Wer geglaubt hat, der Bürgermeister sei nach der Wahlschlappe bei der letzten Gemeinderatswahl noch immer angezählt und könnte noch in dieser Amtsperiode die Reißleine ziehen, wurde spätestens an diesem SPÖ-Parteitag eines Besseren belehrt.

„Der Wiener Bürgermeister ist der beste politische Job der Welt. Ich habe noch viel vor“, war kein Lippenbekenntnis. Nach zwei Jahren in der Defensive und Debatten über Gebührenerhöhungen oder Sinn und Unsinn von Volksbefragungen, geht Häupl in die Offensive.

Jetzt rückt der Bürgermeister die Stadtentwicklung ins Zentrum seiner Visionen. Damit Wien keine „beliebige Allerweltsstadt“ wird, wirft er die Stärken des Roten Wiens – Stichworte sozialer Wohnbau, Bildung, Sozialhilfe – in die Waagschale.

Die „Repolitisierung der Politik“ will er zur neuen Arbeitsmethode erheben und mit dem Bild vom Wiener Weg als Kontrapunkt zur europäischen Krise die nötige Stimmung erzeugen.

Für das rote Wien kommt dieser Bauchaufschwung des Parteichefs zur rechten Zeit. Zu oft wurde öffentlich die Frage gestellt, wie lange der Bürgermeister gedenkt, im Amt zu bleiben. Viel zu selten wurde über die Zukunft der Stadt und zu oft über Tagespolitik gesprochen.

Häupl hat am Parteitag wieder große Lust am Amt erkennen lassen. Und strategisch beginnt er sich zu Halbzeit der Periode neu zu positionieren. Die Grünen, immerhin Koalitionspartner in der Stadt, wurden in der Häupl-Rede nicht einmal peripher gestreift.

Denn das wirkliche Ziel des Bürgermeisters ist es, die SPÖ bei der nächsten Gemeinderatswahl in die Alleinregierung zurückzuführen.

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