ORF: Was bei der Recherche schief lief

Dazuerfunden vs. schlecht recherchiert: Hofer und der ORF
Hofer tischte einen Anschlag auf, den es nie gab. Und der ORF recherchierte dazu falsch

Nach den Ungereimtheiten rund um einen angeblichen Terroranschlag auf dem Tempelberg, den FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer erlebt haben will, hüllte sich der ORF fast den ganzen Freitag in Schweigen. Wie der KURIER erfahren hat, unterlief den Journalisten ein Recherchefehler zu einem wesentlichen Detail: Es gab nämlich wirklich einen Schuss auf eine Frau am fraglichen Tag, wenn auch diese keine bewaffnete Terroristin war, sondern ultra-orthodoxe Jüdin. Im ORF ist man zerknirscht: Man hatte zwar online nach Berichten über eine "erschossene" (Suchterminus: "killed"), nicht jedoch eine "angeschossene" (Suchterminus: "shot") Frau gesucht. Deshalb wurden die Berichte über einen tatsächlichen Zwischenfall nicht entdeckt.

Öffentliches Eingeständnis

In der "Zeit im Bild" lieferte der ORF am Freitagabend dazu einen Faktencheck, wo die Fehler zugegeben wurden. "Wir stehen nicht an, zuzugeben, dass uns Medienberichte über einen Zwischenfall nicht bekannt waren", sagte Moderator Tarek Leitner. Im Bericht wurde der Fall noch einmal aufgerollt. Auch wenn der Zwischenfall von Israel offenbar nicht als Terror klassifiziert wurde, sei "doch nachvollziehbar, dass bei Absperrungen und Schüssen, diese Wahrnehmung entstehen kann".

Was passierte wirklich?

Übrig bleibt aber auch: Hofer hat in Israel Dinge erlebt, die im Nachhinein größer schienen als sie waren. Am Donnerstag konfrontierte Ingrid Thurnher Hofer beim TV-Duell mit seiner Erzählung über einen Israel-Besuch 2014, die so nicht stimmt.

Es geht um eine Amtshandlung gegen eine verwirrte Israelin beim Tempelberg. Die ereignete sich, als Hofer die Weihestätte am 30. Juli 2014 besuchte. Eine ultraorthodoxe Jüdin wurde von den Sicherheitskräften mit einem Schuss verletzt, weil sie bei einem Checkpoint nicht stehen blieb. Nach einem Warnschuss wurde der unbewaffneten Frau ins Bein geschossen, berichten israelische Medien. Sie überlebte.

Übertreibung

Hofer hat diese Begebenheit in mehreren Interviews wild übertrieben – zuletzt in der "ZiB2" am Mittwoch: "Ich bin mitten in einen Terrorakt hineingekommen. Neben mir wurde eine Frau erschossen", prahlte er dort. Bei Thurnher dichtete er am nächsten Tag dazu, die Frau habe auch "Handgranaten und Maschinenpistole" dabei gehabt.

Das ist nicht die einzige falsche Version der Story, die der blaue Präsidentschaftskandidat lieferte: Im April berichtete er im "Report", er sei bei bei der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gewesen, als neben ihm eine Frau erschossen worden sei. Wie geht das wieder? Die Stätte liegt kilometerweit vom Tempelberg entfernt.

ORF interviewte Polizeisprecher

Der ORF bat für das Duell einen Polizeisprecher vor die Kamera, der erklärte: "Ende Juli 2014 gab es am Tempelberg keinerlei solchen Zwischenfall. Definitiv nicht. Mit Granaten oder Waffen irgendeiner Art." Thurnher fragte Hofer: "Kann es sein, dass Sie hier etwas verwechseln?" Der explodierte fast.

Weil der ORF die Amtshandlung am Tempelberg, die mit Onlinerecherchen leicht zu finden gewesen wäre, nicht erwähnte (weil falsch recherchiert wurde), drehte die FPÖ den Spieß um: Parteichef Heinz-Christian Strache verlangte glatt den Rücktritt von Ingrid Thurnher sowie von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

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