Spindelegger will "Entfesslung“ Österreichs

Spindelegger will "Entfesslung“ Österreichs
Der ÖVP-Chef erhob erneut Anspruch auf den Posten des Bundeskanzlers.

Vizekanzler und ÖVP-Chef Michael Spindelleger hat sich für den Nationalratswahlkampf die "Entfesselung" Österreichs respektive der Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben. In der ORF-Pressestunde kritisierte er die SPÖ, die "alles tut, um Wirtschaftstreibenden das Leben schwer zu machen". Einmal mehr erhob er Anspruch auf den Posten des Bundeskanzlers. Einer Koalitionsansage verweigerte er sich und schloss weder die SPÖ, noch die Grünen oder das Team Stronach als künftige Partner aus.

Eine Absage erteilte er einem "Wettbewerb mit der SPÖ, wer wirft jetzt mehr Geld der Steuerzahler hinaus". Er bezog sich dabei auf geplante konjunkturbelebenden Maßnahmen nach der Insolvenz des Baukonzerns Alpine. Nachdem die ÖVP die Verwendung von 100 Mio. Euro aus Rücklagen der Ministerien angekündigt hatte, hatte Kanzler Werner Faymann am Samstag mit einem 500-Millionen-Paket gekontert.

"Hätte ich gesagt 500 Millionen, hätte er gesagt fünf Milliarden", so Spindelegger. Dies sei schädlich und auch unseriös, wenn man nicht gleichzeitig sage, wie man die Maßnahmen finanzieren wolle. Der Vizekanzler strebt hier dennoch das Einvernehmen mit Faymann an, bereits im Ministerrat am Dienstag will er die politische Einigung verkünden. "Wir werden uns einigen, aber nicht auf 500 Mio. Euro, weil es jemand sagt."

Wohnbau

Kritik am Koalitionspartner übte Spindelegger auch beim Wohnbau. "Ich kann nicht wie die SPÖ sagen, wir bauen als Staat neue Wohnungen, aus Geld das wir nicht haben. Das ist absolut nicht seriös." Wohnbau aus versteigerten Mobilfunkfrequenzen zu finanzieren, wie von Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) vorgeschlagen, sei nicht möglich, weil diese Mittel bereits im Pfad zur Budgetsanierung bis 2016 verplant seien. Stattdessen sollten die Pensionskassen in den gemeinnützigen Wohnbau investieren, wiederholte er den Vorschlag seiner Partei.

Gegen neue Steuern

Er sei für neue Arbeitsplätze, aber gegen neue Steuern, betonte der ÖVP-Chef, angesprochen auf Vermögens-, Schenkungs- oder Erbschaftssteuern. Eine Steuerreform - inklusive 7.000 Euro Familien-Freibetrag - sei möglich, allerdings erst, "wenn ich den Staat wieder auf solide Beine gestellt habe". Die versprochene Erhöhung der Familienbeihilfe sei dagegen "gut unterlegt mit den Einnahmen des Familienlastenausgleichsfonds".

In Personalfragen betonte er, ein Abtausch mit der SPÖ beim derzeit von der ÖVP gestellten EU-Kommissars gegen den Posten des ORF-Generaldirektors sei "nicht einmal in Ansätzen in meinem Kopf". Außerdem mache Johannes Hahn einen hervorragenden Job als Regionalkommissar. "Warum soll ich den jetzt opfern?"

Auch zu kolportierten parteiinternen Rochade-Szenarien - etwa dass Reinhold Mitterlehner bei einer weiteren Großen Koalition das Finanzministerium von Maria Fekter übernehmen könnte und er selbst das Wirtschaftsressort anstrebe - wollte sich Spindelegger nicht äußern. Er wolle als Bundeskanzler am Ende mit dem Partner die Ressortverteilung verhandeln. Derzeit kämpfe man als Team gemeinsam.

Golan: Abzug war bekannt

Die Entscheidung zum Abzug vom Golan verteidigte Spindelegger. Die internationalen Partner hätten gewusst, dass nach dem Ablaufen des EU-Waffenembargos gegen Syrien Österreich nicht Teil der Blauhelm-Mission UNDOF bleiben werde.

"Das wussten alle meine Kollegen in Brüssel, der UN-Generalsekretär und die Außenminister der USA und Russlands", so Spindelegger. Auch sei UN-Chef Ban Ki-moon Stunden vor der öffentlichen Verkündung des Abzugs telefonisch in Kenntnis gesetzt worden.

Spindelegger wehrte sich auch gegen Kritik seines Vorgängers als ÖVP-Chef und Vizekanzler, Erhard Busek. Dieser erklärte zuletzt gegenüber dem Magazin profil, die Republik habe mit der Golan-Entscheidung "außenpolitisch abgedankt" und den guten Ruf des Landes bei den Vereinten Nationen zunichtegemacht. Spindelegger erwiderte: "Haben Sie den Busek schon mal etwas Positives über mich sagen gehört?" Er sehe die Kritik "eher locker".

Bei der Frage des Zeitpunkts des Abzuges sagte der Außenminister, es werde weiterhin mit den Vereinten Nationen verhandelt. Der Truppenstellervertrag sehe ein Frist von drei Monaten - und damit den 6. September als Termin - vor. Die UNO habe einen früheren Abzug mit 31. Juli angeboten - von diesem Zeitpunkt aus werde ein früheres Abziehen verhandelt, sagte Spindelegger.

Verteidigungsminister Gerald Klug hatte nach Verkündung des Abzugs Anfang Juni gesagt, man werde die Soldaten binnen zwei bis vier Wochen zurückholen. Spindelegger betonte, er habe "immer gesagt, wir müssen den Abzug mit der UNO verhandeln".

Lehrerdienstrecht - ÖVP für 26 Stunden Lehrverpflichtung

Die Unterrichtsverpflichtung der Lehrer will Spindelegger von derzeit 20 bis 22 Stunden nicht wie ursprünglich geplant auf 24, sondern gleich auf 26 Wochenstunden erhöhen. Er sei für mehr Anwesenheit in der Schule. Mit den Lehrergewerkschaftern werde er sich in Sachen Dienstrecht kommende Woche erneut zusammensetzen. Kanzler Faymann lade er gerne ein, dazuzukommen.

Die 26 Stunden will Spindelegger für neueintretende Lehrer, wenn es dafür ein höheres Anfangsgehalt gebe. Auch der Forderung nach mehr Unterstützungspersonal will der Vizekanzler nachkommen. "Das hat eine Bedingung: Alles was ich mir erspare als Lehrer, das muss mehr in den Unterricht fließen."

Mit diesen Forderungen will Spindelegger kommende Woche mit Lehrervertretern zusammentreffen. "Gipfel" wollte er das nicht nennen. "Gipfel ist immer eine Inszenierung. Ich will eine Lösung." Die bisherige Basis bei den Dienstrechtsverhandlungen, ein von Unterrichtsministerin Claudia Schmied, Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (beide SPÖ) und Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) im Mai 2012 vorgelegter, ausformulierter Gesetzesentwurf, tat Spindelegger als Dienstrechtsentwurf von Schmied ab und meinte: "Der gehört jedenfalls überarbeitet."

Der Wahlkampfauftritt von Michael Spindelegger in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag ist von der Opposition mit Häme aufgenommen worden. Vor allem das Mantra von der Entfesselung der Wirtschaft stieß auf Spott. SPÖ und ÖVP ließen einmal mehr ihre Pressedienste heiß laufen, um die Konjunkturbelebungsideen ihrer Parteichefs ins beste Licht zu rücken.

Für die FPÖ konstatierte Parteichef Heinz-Christian Strache in einer Aussendung ein "beinahe rührendes Bild der Hilflosigkeit", das Spindelegger - "selbst wenig entfesselt" - geboten habe. "Wir sind eh so super, aber die SPÖ lässt uns nicht", so der ÖVP-Standpunkt aus FPÖ-Sicht. Auch die Grünen höhnten über den schwarzen "Entfesselungskünstler". In Wirklichkeit stehe die ÖVP von der Wirtschaft bis zu Schulpolitik überall auf der Bremse, so Vize-Parteichef Werner Kogler.

Das BZÖ kündigte den "Elchtest" für Spindelegger bei der kommenden Sondersitzung des Nationalrats an. Man werde die ÖVP-Vorschläge etwa zu Kostensenkungen, Steuerentlastungen und Arbeitsplatzbeschaffung auf Ernsthaftigkeit prüfen. Das Team Stronach wiederum pries "Frank" als den wahren Arbeitsplatzerschaffer.

Im Streit um das bessere Konjunkturpaket ließ die SPÖ unter anderem Staatssekretär Andreas Schieder, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Gewerkschafter Wolfgang Katzian sowie die Landeshauptleute Kärntens und des Burgenlands, Peter Kaiser und Hans Niessl, antreten, um den 500-Millionen-Euro-Vorstoß von Kanzler Werner Faymann zu unterstützen und als finanzierbar darzustellen. Das Geld solle aus Rücklagen sowie aus Mobilfunk-Frequenzversteigerungen kommen und für Wohnbau, Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, Pflege und Infrastruktur eingesetzt werden, meinte Schieder.

Für Spindelegger und seine Ideen zur Konjunkturanregung machten sich Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner, ÖAAB-Chefin und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sowie Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl stark. Ein im wesentlichen aufkommensneutrales, ausgewogenes Maßnahmenbündel zu schnüren, sei angesichts des dünnen Eises für die heimische Wirtschaft sinnvoll, meinte Letzterer.

Die Parteisekretäre der Koalitionspartner blieben einander in ihren Aussendungen nichts schuldig. "Die Sozialisten greifen mit Faymann-Steuern und der schamlosen Wiener Gebühren-Abzocke in die Börsel der Österreicherinnen und Österreicher", meinte ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch. Spindelegger habe einen "desaströsen Auftritt" hingelegt, konstatierte dagegen SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. "Wie man mit einem solchen Zick-Zack-Kurs den Kanzleranspruch stellen kann, ist schleierhaft."

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