Mitterlehners Mission

Die Probleme der ÖVP seien mit der Kür von Mitterlehner nicht gelöst, die Partei muss sich erneuern.
Die Partei hat einen neuen Chef, die Probleme sind geblieben. Wie VP-Insider die Schwarzen aus ihrem Tief holen wollen. Und ob Reinhold Mitterlehner die Trendumkehr schaffen wird.

Die ÖVP hat einen neuen Obmann, den mittlerweile 16. in der Zweiten Republik – und den vierten binnen acht Jahren. Reinhold Mitterlehner übernimmt nach dem abrupten Abgang von Michael Spindelegger eine Truppe, der es so schlecht geht wie nie zuvor. Bei nur noch 20 Prozent "grundelt" (Landeshauptmann Pühringer) die einst staatstragende Partei herum. Wie kann der neue Frontmann seine Schwarzen aus der Krise führen?

Die Probleme der ÖVP seien mit der Kür von Mitterlehner nicht gelöst, sagt Ex-Parteichef Erhard Busek: "Das schafft keiner alleine. Einen solchen Wunderwuzzi gibt es nicht." Dieser Meinung ist auch Ex-ÖVP-EU-Kommissar Franz Fischler: "Eine Grundsatzdebatte und eine komplette Neuaufstellung sind nötig – strukturell und inhaltlich". Der Tiroler warnt seine Gesinnungsfreunde: "Wenn man die Fundamente nicht ändert, wird man in zehn Jahren diskutieren, wie man auf zehn Prozent kommen kann."

Was also sollte passieren? "Wir müssen endlich einmal definieren, wofür die ÖVP steht. Jetzt haben sie wieder einen hingesetzt und schauen ihm zu. Nach einer Phase des Zuschauens fangen sie dann wieder an zu kommentieren. Das Zuschauen ist unerträglich. Mitterlehner muss klar seine Bedingungen formulieren", meint Busek.

Der einstige steirische Wirtschaftslandesrat Herbert Paierl formuliert es so: "Leadership nach innen und außen ist das Entscheidende. Daran wird der Obmann gemessen." Gemünzt auf die Landeshauptmänner sagt er: "Der Schwanz darf nicht mit dem Hund wedeln."

Auch Nationalbankchef Claus Raidl befindet: "Die Landeshauptleute sollten lernen, dass sie Teil der Bundespartei sind – und nicht kleine Warlords in irgend einer Region." Der Bundeschef wiederum müsse die Länderchefs "mehr einbinden. Letztlich entscheiden muss aber der Bundesparteiobmann, nicht eine lustige Achse von Landeshauptleuten."

Für den Jungabgeordneten Asdin El Habbassi sind "die Schlüsselwörter Leadership, Kommunikation und Vertrauen. Es muss parteiintern mehr und verbindlicher kommuniziert werden, etwa mit Bünden und Landesorganisationen."

In der Parteistruktur ortet Ex-Generalsekretär Hannes Rauch aber auch "einen Hemmschuh. Wenn es etwa nicht darum geht, dass die Partei durch die Bünde breit aufgestellt ist, sondern sich das darauf reduziert, wer wie viele Posten in der ÖVP besetzt." Mit diesem "Besitzstandswahrertum" müsse Schluss sein.

Streitfrage Steuern

Inhaltlich ist auch viel zu tun. Nach wie vor gibt es Schwarze, die etwa Vermögenssteuern nicht ausschließen – um die Bürger möglichst bald steuerlich entlasten zu können. So sagt Tirols Landesrätin Beate Palfrader: "Wir müssen über alles diskutieren, auch über Vermögenssteuern." Für ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm sind Steuern auf Eigentum hingegen "ein No-Go". Ihre Partei müsse "die harte Linie gegen Vermögenssteuern beibehalten". Paierl rät Mitterlehner ebenfalls, "in wirtschafts- und finanzpolitischen Grundsatzfragen" auf Kurs zu bleiben: "Die Gesamtbelastung aller Steuer- und Abgabenpflichtigen muss reduziert werden."

Zu öffnen habe sich die Partei anderweitig, meinen viele. Landesrätin Palfrader sagt: "Wir müssen Neues zulassen und ausprobieren." Die Tiroler Schwarzen plädieren ja dafür, die Gesamtschule in "Modell-Regionen" zu erproben – was Spindelegger stets abgelehnt hat.

Ein anderer Umgang mit dem Volk sei zudem nötig. Palfrader: "Es ist besonders wichtig, dass die Partei wieder auf die Menschen zugeht. Die Bürger müssen das Gefühl haben, dass die Politik versucht, etwas für sie zu tun."

Harald Mahrer, Präsident des ÖVP-Thinktanks Julius-Raab-Stiftung, meint, die Partei müsse vor allem auch mehr Städter ansprechen. Im urbanen Bereich tun sich die Schwarzen besonders schwer. In Wien sind sie bei der Wahl 2010 auf nur noch 14 Prozent gekommen. "In den Städten ist die DNA der ÖVP nicht sichtbar. Es gibt eine emotionale Distanz zwischen der Partei und den Bürgern." Das liege auch daran, dass sich die Volkspartei "davor gedrückt hat, in einigen Bereichen eine klare Position zu beziehen. Es gab zu viel Zickzack", analysiert Mahrer.

Problemgebiet Städte

Öffne sich die Partei gesellschaftspolitisch und werde sie moderner, könne sie auch in den Städten punkten, glaubt Ex-VP-Manager Rauch: "Dort ist die ÖVP für viele nicht mehr so attraktiv, weil sie den Lifestyle der Leute nicht erwischt. Den muss sie erkennen und das Lebensgefühl der Menschen treffen." Etwa in Sachen Familie. Dieser Ansicht ist auch Palfrader: "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist enorm wichtig." Ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen seien erforderlich. "Wir sind da auf einem guten Weg, aber das gehört noch forciert. Die Familie von damals gibt es nicht mehr, es gibt heute viele unterschiedliche Familien-Formen."

Einen "Evolutionsprozess" startet die ÖVP am 4. September, herauskommen solle ein Programm "auf der Höhe der Zeit", sagt Mahrer, der federführend dabei ist. Das inhaltliche Facelifting "wäre ideal, um die großen gesellschaftspolitischen Fragen intern breit zu diskutieren und dann klare Positionen zu beziehen", sagt El Habbassi.

Vorerst beteuern alle Länder- und Bündechefs, Mitterlehner beim Neustart zu unterstützen. Das haben sie freilich bisher jedem neuen Obmann zugesagt ...

Die Wünsche der VP

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