ÖVP: Sanfte Evolution ins digitale Zeitalter

"Django" Mitterlehner will die Partei neu aufstellen. Ein neues Parteiprogramm hat er jetzt dafür
Nach 20 Jahren gibt sich die Partei ein neues Programm. Experten vermissen "Ecken und Kanten".

Ich melde mich einen Tag vor dem größten Parteitag der ÖVP aller Zeiten", kündigte Generalsekretär Gernot Blümel am Montag via Facebook nicht gerade bescheiden an. Ein Jahr lange habe die ÖVP- Parteispitze ein neues Programm und ein neues Statut vorbereitet, mit dem Blümel die Volkspartei "vom letzten Jahrtausend ins neue Jahrhundert katapultieren" will.

20 Jahre alt

Tatsächlich ist das alte Parteiprogramm zwanzig Jahre und 21 Tage alt. Verantwortlich waren der damals neue ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel (und sein Vorgänger Erhard Busek) sowie Generalsekretär Othmar Karas (und sein Vorgänger Wilhelm Molterer).

Das neue Programm ist Ergebnis des "Evolution Volkspartei"-Prozesses des schwarzen Führungsteams von Generalsekretär Blümel und Staatssekretär Harald Mahrer. Die VP-Mitglieder wurden angehalten, online an neuen Ideen mitzuarbeiten.

Keine Revolution

Aber hält das neue Programm, was es verspricht? Woran erkennt man die Evolution der Volkspartei? Natürlich gibt es Neues: Der Digitalisierung wird viel Platz eingeräumt, auch der Respekt vor gleichgeschlechtlichen Partnerschaften kommt vor oder die Entwicklung hin zu einer EU-Armee. Begriffe wie "Gesamtschule" oder "Neutralität" finden sich nicht.

"Ängstlichkeit"

"Na ja, Revolution ist es keine", urteilt Polit-Berater Thomas Hofer über das ÖVP-Programm. "Offenbar ging es darum, extern und vor allem intern keine Angriffsfläche zu bieten. Innenpolitisch sollte nichts riskiert werden", erklärt Hofer. Wer sich klare Standpunkte zu den Themen der Zeit erwartet hat, werde enttäuscht.

Noch härter urteilt Politologe Anton Pelinka, der in der Wochenzeitung Die Zeit befand: Das neue Parteiprogramm sei ein "Dokument der Ängstlichkeit", reihe Selbstverständlichkeiten aneinander und beziehe konsequent keine Position. Die Volkspartei zeige sich "Grau in Grau", sie tue niemandem wirklich weh – "aber sie wird mit diesem Programm auch niemanden mitreißen".

Filzmaier urteilt positiv

Peter Filzmaier urteilt deutlich positiver: "Für ÖVP-Begriffe bedeutet das neue Programm sehr wohl große Schritte, was aber nicht heißt, dass das auch große Schritte für die Menschheit sind", findet der Politologe. "Für eine christlich-konservative Partei ist da schon Bewegung drinnen." Etwa bei der "Anerkennung alternativer Lebensformen", der Wahlrechtsreform oder sicherheitspolitisch mit dem langfristigen Ziel einer EU-Armee. Ihn störe nicht, dass das Programm nicht konkret Stellung beziehe: "Ein Parteiprogramm ist die höchste Ebene eines Parteibeschlusses und es hat auch das Recht, allgemein gehalten zu sein."

Das eigentliche Problem sieht Filzmaier in der Struktur der VP mit den unterschiedlichen Bünden und Landesgruppen. Es hätte einen "Unternehmensberater" gebraucht, der die Parteistruktur neu regelt – "weil so bleibt der Volkspartei immer nur eine Beweglichkeit wie die einer Weinbergschnecke."

Erstmals werden die rund 600 Delegierten des zweitägigen VP-Parteitages mittels elektronischen Abstimmungsgeräten über die Anträge entscheiden. Auf einer Leinwand soll bei jeder Abstimmung klar beschrieben sein, ob man etwa die Taste „1“ für „Ja“ und „6“ für „Nein“ drücken muss, oder ob der Antrag dem Parteivorstand zugewiesen wird. Die Anträge können von der Parteileitung, von den Bünden oder von zumindest 50 Delegierten gestellt werden.

Bis Montagnacht offen blieb, ob ein heikles Thema aufgegriffen wird: Nach KURIER-Informationen überlegen einige Delegierte, einen Antrag auf Aussetzen oder Abmilderung der geplanten Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu stellen. Ein Krach mit dem Koalitionspartner SPÖ wäre damit garantiert.
Staatssekretär Harald Mahrer wird einen Antrag zur „Sunset Legislation“ stellen – gemeint ist damit, dass manche Gesetze und Verordnungen mit einem Ablaufdatum versehen und nur verlängert werden, wenn es fundierte Argumente gibt.

Anträge

Aus der JVP kommen gleich mehrere interessante Anträge: etwa jener für ein minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht. Der Wahlsieger soll demnach die Hälfte der Mandate minus eins bekommen – dadurch kämen alle anderen Parteien als Koalitionspartner infrage. Die Jungen fordern zudem die Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres für alle mit Defiziten in der Unterrichtssprache Deutsch.
Ein weiterer Antrag fordert einen verpflichtenden Ethikunterricht für all jene, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Aber auch die Pensionsautomatik und ein Bonus-Malus-Pensionssystem (Abschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt, aber Zuzahlungen für Arbeiten über das gesetzliche Pensionsalter hinaus) werden gefordert.

Wirtschafts- und Bauernbund bringen einen gemeinsamen Antrag zum EU-USA-Handelsabkommen TTIPein – darin heißt es unter anderem, dass nur im Falle einer „positiven gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse“ dem Abkommen zugestimmt werden soll.

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