"Die 420.000 Jobs gibt es nicht"

Von Spindeleggers Wahlkampf-Versprechen bleibt nur ein Schatten übrig: Statt Arbeitskostensenkung und Strukturreformen gibt es Steuererhöhungen und Kostengeschnipsel.
ÖVP-Chef Spindelegger verabschiedet sich von seinem zentralen Wahlkampf-Programm.

So schnoddrig hat sich selten ein Politiker von einem zentralen Wahlkampf-Versprechen verabschiedet.

Am Donnerstag wurde ÖVP-Chef Michael Spindelegger von Lou Lorenz-Dittlbacher in der ZiB 2 gefragt, was aus den von ihm versprochenen 420.000 Arbeitsplätzen geworden sei. „Diese Zahl gilt für mich nicht mehr. Die 420.000 Arbeitsplätze wird es sicher nicht geben,weil ich nicht mit absoluter Mehrheit gewählt wurde“, antwortete Spindelegger. Und fügte an: „Außerdem ist die Konjunktur nicht, wie wir sie uns damals erträumt haben.“

Vor der Wahl hatte das noch ganz anders geklungen. Da hatte Michael Spindelegger von führenden Wirtschaftstreibenden, Wissenschaftlern und Experten des Landes ein Reformprogramm für „Österreich 2025“ erarbeiten lassen. Konzernchefs von der Voest bis Siemens hatten ihre Zeit und Erfahrungen investiert.

Reform für Wachstum

Der Ökonom Ulrich Schuh hatte die 700 Maßnahmen, die aus dem Programm abgeleitet wurden, auf deren ökonomische Auswirkungen abgeklopft. Es war dabei nie davon die Rede gewesen, dass die Konjunktur mitspielen müsse, sondern das Gegenteil: Genau diese 700 Maßnahmen hätten die Konjunktur ankurbeln sollen: Durch Reformen sollten die staatlichen Ausgaben gesenkt werden, um mit den frei werdenden Mitteln eine Arbeitskostenreduktion zu finanzieren. Familienfonds, Kommunalabgabe und Wohnbauförderung hätten von den Arbeitskosten weg kommen und aus dem Steuertopf bezahlt werden sollen. In Zahlen: Die Wirtschaft wäre bis 2025 um 15 Prozent oder 45 Milliarden zusätzlich gewachsen. Daraus hatten sich die besagten 420.000 Jobs abgeleitet.

Ein weiterer Kernpunkt des Programms war eine total neue Schulorganisation mit Lehrern als Angestellte autonomer Schulstandorte.

Schuh bei der Präsentation von „Österreich 2025“ am 9. Juli 2013 im Beisein des wahlkämpfenden Spindeleggers: „Die 700 Maßnahmen sind als Ganzes zu sehen. Rosinenpicken funktioniert nicht.“ Spindelegger damals dazu: „Ich möchte, dass möglichst alle Maßnahmen umgesetzt werden.“

Sechs Monate später gibt es stattdessen als erste Maßnahme des neuen Finanzministers Spindelegger ein Steuererhöhungspaket. Schuh gestern zum KURIER: „Der Unterschied zwischen dem, was vor der Wahl gesagt wurde, und dem, was nach der Wahl getan wird, ist gigantisch.“ Spindeleggers Ausrede, die Umsetzung scheitere, weil die ÖVP keine absolute Mehrheit errungen habe, lässt der Chef des Industrie-nahen Instituts EcoAustria nicht gelten: „Selbst wenn die ÖVP 90 Prozent der Stimmen bekommen hätte, wäre nichts davon umgesetzt worden.“ Die unterschiedlichen Flügel in der ÖVP hielten sich gegenseitig in Schach, „und dann passiert null“, sagt Schuh. Das Regierungsprogramm sei „ambitionslos“, und die Regierung sei „nicht gewillt, heiße Eisen anzufassen“.

Schluss mit der Blockade.“ Mit diesem Schlachtruf haben sich ÖVP-Obere aus Vorarlberg, Tirol und Salzburg dagegen verwahrt, dass Parteichef Michael Spindelegger Modell-Regionen für die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen ablehnt. Am heftigsten waren die Steirer. Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder befand via KURIER, „dieser Starrsinn“ tue der ÖVP nicht gut. Sie wolle nicht in einer Partei sein, „in der Kadavergehorsam verlangt wird“.

Kritik an Spindelegger "verheerend"

Jetzt maßregelt Niederösterreichs Bildungslandesrätin Barbara Schwarz Spindeleggers Kritiker. Aussagen wie jene Edlinger-Ploders seien „unangebracht. Von Kadavergehorsam kann keine Rede sein. Ich sehe mich beim Denken nicht behindert. Gewisse Disziplin ist aber sinnvoll in einer Partei.“ Intern sei zu reden: „Wenn jeder seine Ideen in den Medien platziert, erwecken wir den Eindruck, nicht zu wissen, was wir wollen. Das ist verheerend“, sagte Schwarz dem KURIER. Profilieren wollten sich diese Parteifreunde – nach dem Motto: „Ich bin moderner als die anderen.“ Im Übrigen sei „unsinnig, nach Modell-Regionen für die gemeinsame Schule zu rufen, bevor die Neuen Mittelschulen evaluiert sind. Wir machen lauter Baustellen auf.“ Abgesehen davon könnten jene, „die nach Regionen schreien, nicht einmal sagen, wie sie ausschauen sollen“.

Niederösterreichs ÖAAB-Chef Wolfgang Sobotka ärgert sich ebenfalls über die Kollegen aus dem Westen und der Steiermark: „Eine Modell-Region zu schaffen bedeutet, das Gymnasium abzuschaffen. Das kommt für Niederösterreich nicht infrage. Es gibt dazu auch keinen Beschluss.

Ruf nach Mäßigung

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer ortet nicht sachliche Motive von Edlinger & Co: „Landesobmänner sind verärgert, weil sie mit ihrem Land nicht in der Bundesregierung vertreten sind. Wenn man enttäuscht ist, kritisiert man leichter.“ Zu beenden sei „diese Phase. Mäßigung ist angesagt“, sagt Pühringer dem KURIER. Alle sollten sich an den Koalitionspakt halten. Darin sei fixiert: „Flächendeckende Neue Mittelschule, Ausbau der ganztägigen Schulformen nach Bedarf in der Region – und Beibehaltung des Gymnasiums.“

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