Muna Duzdar: Nur ein paar Schritte zu den Heldinnen

Am Heldenplatz beginnt die Staatssekretärin ihren Spaziergang: „Frauengeschichte gibt es in Wien an jeder Ecke“
Die neue Staatssekretärin spazierte mit dem KURIER zu Schauplätzen feministischer Geschichte.

Am Heldenplatz, beim Prinz-Eugen-Denkmal, startet Staatssekretärin Muna Duzdar ihren Stadtspaziergang mit dem KURIER. "Wie passend", scherzt sie. "Mich hat man ja einmal in einem Hassposting als dritte Türkenbelagerung bezeichnet."

Aber die 37-Jährige steht nicht am Heldenplatz, um über ihre Herkunft Scherze zu machen – die im Übrigen nicht türkisch, sondern palästinensisch ist. Die gebürtige Wienerin steht da, um auf Geschichten von Heldinnen aufmerksam zu machen, die viel zu selten erzählt würden, sagt sie: "Man liest in den Geschichtsbücher selten etwas über Frauen. Das macht den Eindruck, als hätten sie nichts Wichtiges gemacht. Dabei muss man in Wien nur ein paar Schritte gehen und man stolpert über Beweise ihres entscheidenden Einflusses."

Kein "Mädi"

Am Heldenplatz hielt die Widerstandskämpferin Rosa Jochmann 1993 beim Lichtermeer eine Rede. Da, wo Hitler 1938 den Anschluss Österreichs verkündet hat. Die Sozialdemokratin hatte monatelange Gestapo-Haft und fünf Jahre im KZ Ravensbrück überlebt, und sagte: "Man sah Tausende, die Hitler zugejubelt haben. Aber es gab auch Tausende, die zu Hause geweint haben." Wenige Monate später starb Jochmann 93-jährig.

Am Michaelerplatz vor dem Loos-Haus fällt Duzdar die Geschichte von Lina Loos, Gattin des Architekten Adolf Loos, ein. Er habe sein "Mädi" zwar vergöttert, aber dass es seine Schauspielkarriere weiterverfolgen wollte, passte ihm offenbar gar nicht.

"Mädi, bist du nicht mehr meins?", soll er entgeistert gefragt haben. Lina begann daraufhin eine Liaison mit dem Sohn einer Frauenrechtlerin und engagierte sich friedenspolitisch. Ihr Motto: "Man muss mutig sein, alles auf die Spitze treiben."

Die neue Staatssekretärin als "Mädi" zu titulieren, würde wohl niemandem einfallen. Ihre politische Karriere ist seit ihren Anfängen 2001 als Bezirksrätin in Wien-Donaustadt steil bergaufgegangen: Die Rechtsanwältin machte ihren Master an der Pariser Elite-Uni Sorbonne und wechselte 2012 vom Bundesrat in den Wiener Landtag. Heuer im Mai wurde sie vom neuen SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern in sein Regierungsteam geholt.

Geschichte schreiben

Die 37-Jährige – Zweite von sechs Geschwistern, Vater Haustechniker, Mutter Hausfrau –, ist die erste Frau mit Migrationshintergrund in einem Regierungsamt.

In ihrer Familie hat die Staatssekretärin ein großes Vorbild: Ihre Großtante Shahinda Duzdar. Sie hat sich in den 1930er-Jahren für die palästinensische Frauenbewegung in Jerusalem stark gemacht. "Frauenbewegungen gab es schon früh überall auf der Welt – ohne sie wäre kein gesellschaftlicher Fortschritt möglich gewesen", erklärt Muna Duzdar.

Ob auch sie eines Tages als Politikerin in die Geschichte eingehen wird? "Darüber habe ich noch nicht nachgedacht", sagt sie bescheiden.

Am Ende der Tour steuert Duzdar auf ein Gebäude in der Wallnerstraße 9 zu: Hier hat Eugenie Schwarzwald 1913 die österreichweit erste Schule gegründet, an der Mädchen die Matura machen konnten. Künstler Oskar Kokoschka, Architekt Adolf Loos und Hans Kelsen, Vater der Bundesverfassung, unterrichteten dort.

"Langeweile ist Gift", lautete das Credo von Schwarzwald, und Duzdar würde das sofort unterschreiben. Seit der Bundeskanzler ihr Chef ist und ihre Agenden Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung sind, beginnen ihre Arbeitstage frühmorgens und enden spätnachts mit den Vorbereitungen für den nächsten Tag.

Freizeit? Ein Fremdwort. Als "Urlaub" bezeichnet sie eine Woche in der Steiermark, in der sich zwischen Terminen "eventuell mal eine Abkühlung in einen See ausgehen" werde. Eine Limonade mit Zitrone und Minze gönnt sie sich noch im Café Griensteidl, dann spaziert die 37-Jährige wieder zurück ins Bundeskanzleramt: arbeiten.

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