Nur die wenigsten Flüchtlinge werden genau registriert

Flüchtlinge überqueren die Slowenisch-Österreichische Grenze bei Spielfeld
Die Polizei überprüft nicht alle, die über die österreichische Grenze kommen. Wer nach Deutschland will, wird durchgewunken.

Mit 95.000 Asylanträgen rechnet Wolfgang Taucher, Leiter des Bundesasylamtes, für 2015. Ein Vielfaches an Flüchtlingen hat Österreich in den vergangenen Monaten durchquert.Was weiß man über die Hunderttausenden, die über die Grenzen im Burgenland und der Steiermark kommen? Wie gut arbeiten die EU-Staaten zusammen? Und wie sehr tappen auch die Behörden im Dunkeln?

Werden alle, die über die Grenze kommen, registriert oder gezählt?

Nein. Die Polizei registriert nach Kapazität.Stichprobenartig. In Bad Radkersburg wurde bislang "relativ viel, aber nicht lückenlos" registriert, sagt Oberstleutnant Robert Pontesegger von der Landespolizeidirektion Steiermark zum KURIER. In Spielfeld, wo der Andrang bis vor Kurzem erheblich größer war, werde "deutlich weniger" registriert. Manchmal werde sehr genau gezählt, dann wieder gar nicht.

Welche Daten werden bei Asylwerbern erfasst?

Beantragt jemand in Österreich Asyl, wird er genau überprüft. Nur von Asylwerbern wird auch ein Fingerabdruck genommen; dieser Abdruck wird mit der EU-Datenbank EURODAC abgeglichen. So soll verhindert werden, dass Menschen in zwei Ländern Asyl beantragen.

Und was, wenn jemand sagt, er will ohnehin weiterreisen?

Dann bekommt er lediglich ein Formular, das er handschriftlich ausfüllt. Diese "Registrierung" dauert laut Oberstleutnant Helmut Marban von der LPD Burgenland "einige Minuten".

Was mit den Daten passiert? Vorerst gar nichts.

Laut Polizei habe das Innenministerium noch nicht entschieden, ob diese Formulare aufgehoben oder gar irgendwann elektronisch verarbeitet werden sollen. Der Hintergrund: Schon an der Schengen-Außengrenze sollten die Flüchtlinge ja registriert werden. Und im Zielland – meist Deutschland – sollen ohnehin beim Asylverfahren alle Daten erfasst werden.

Welche Daten werden zwischen den EU-Staaten ausgetauscht?

Relativ wenige. Nur, wenn Asyl beantragt wird, gibt es eine Abfrage in der EURODAC-Datenbank, wo u.a. die Fingerabdrücke gespeichert sind. Bis zu einem Asylantrag werden zwar von manchen Flüchtlingen Daten erhoben, aber nicht genau überprüft bzw. mit Daten anderer EU-Staaten abgeglichen.

Was, wenn ein Flüchtling keinen Pass hat?

Laut Behörden gibt es dann eine sogenannte "Erkennungsdienstliche Behandlung": Es werden Name, Geschlecht, Geburtsdatum etc. aufgenommen. Dabei muss man sich allerdings in der Praxis auf jene Daten verlassen, die der Flüchtling an der Schengen-Außengrenze bereits angegeben hat.

Sind Flüchtlinge verpflichtet, in einem bestimmten Land zu bleiben?

Theoretisch: Ja.

Praktisch: Nein.

Derzeit können die Flüchtlinge zum Beispiel ungehindert nach Deutschland weiterreisen, es wird auch niemand nach Griechenland oder Ungarn zurück geschickt, so wie es die EU-Verordnung ("Dublin III") vorsieht, wonach Asylverfahren immer im ersten Land zu führen sind, das ein Flüchtling in der EU betreten hat.

Die lückenhafte Registrierung und die Masse an Menschen führt dazu, dass niemand genau sagen kann, wie viele Flüchtlinge sich gerade in welchem Land befinden. So lange man kein Asyl bzw. Hilfsleistungen beantragt, kann man in der Praxis ganz gut ein "U-Boot" bleiben. Laut Spiegel gehen die deutschen Behörden davon aus, dass derzeit zwischen 150.000 und 300.000 Menschen in Deutschland unterwegs sind, "ohne dass jemand ihre Herkunft, ihre Identität oder ihr Ziel kenne".

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