"EU muss mehr für eigene Sicherheit tun"

Interview am 08.03.2013 im Parlament mit Gerald Klug, Verteidigungsminister
Verteidigungsminister Klug fordert mehr gemeinsame Militär-Kooperationen in Europa.

KURIER: Herr Bundesminister, im Nahen Osten eskaliert die Gewalt. Rund 170 österreichische Soldaten sind im Südlibanon stationiert. Sind unsere UNO-Soldaten in Gefahr?

Gerald Klug: Die UNO setzt Sicherheitsmaßnahmen, die Schutzvorkehrungen sind erhöht worden. Wir sind in ständigem Kontakt mit den Soldaten und dem Streitkräftekommando.

Ist ein neues Engagement Österreichs im Nahen Osten geplant, eine Rückkehr auf den Golan?

Die gemeinsame Entscheidung, die Soldaten vom Golan abzuziehen, hatte gute Gründe. Ich fühle mich aufgrund der Entwicklung in unserer Entscheidung bestätigt. Unser Schwerpunkt für das Auslandsengagement bleibt der Westbalkan mit rund 800 Soldaten.

Wann gehen die Einsätze in Bosnien und Kosovo zu Ende?

Die Mission ist noch nicht erfolgreich abgeschlossen. Mit unserer Präsenz signalisieren wir, dass wir ein verlässlicher internationaler Truppensteller und ein Partner in der Region sind.

Die EU will sich eine neue Sicherheitsstrategie geben. Warum?

Es gibt einen Auftrag der Staats- und Regierungschefs an die Hohe Beauftragte für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik bis Mitte 2015 einen Bericht zur sicherheitspolitischen Lage vorzulegen. Ein Österreicher, Brigadier Johann Frank, koordiniert den Thinktank der 28 Mitgliedsländer zur EU-Sicherheitsstrategie. Die Zeit ist reif für eine neue europäische Sicherheitsstrategie, die alte stammt aus dem Jahr 2003. Die Sicherheitslage im europäischen Umfeld hat sich maßgeblich verändert: Ukraine, Syrien, Naher Osten, die Folgen des Arabischen Frühlings. Dazu kommen knappe Budgets.

Was soll der Inhalt sein?

Zentrales Element werden Kooperationen sein, daran führt kein Weg vorbei. Sinkende Verteidigungsbudgets in den Ländern bergen die Gefahr eines unkontrollierten Abbaus der Fähigkeiten in ganz Europa in sich.

Sehen die anderen EU-Staaten das auch so?

Alle Experten argumentieren, dass die EU künftig mehr für ihre eigene Sicherheit tun muss, nicht nur, weil sich die USA Richtung Asien zurückziehen. Das wird bedeuten, die Kooperationen untereinander zu intensivieren. Die EU-Staaten gaben 2012 rund 190 Milliarden Euro für Verteidigung aus. Das ist mehr als China, Russland und Brasilien zusammen. Dieses Kapital muss besser eingesetzt werden.

Erwarten Sie neue Einsätze der EU im Ausland?

Europa wird sich stärker zu Friedensmissionen bekennen müssen. Europa muss dort für Stabilität sorgen, wo Krisen entstehen. Missionen auf dem afrikanischen Kontinent werden an Bedeutung gewinnen, auch militärische.

Sollen die Battlegroups erhalten bleiben?

Aus meiner Sicht ja. Das Konzept ist richtig, Verbesserungsvorschläge werden diskutiert. Wir werden uns aktiv 2016/2017 wieder in die Battlegroups einbringen.

Was bedeutet eine neue EU-Sicherheitsstrategie für uns?

Wenn wir politisch ein ernst zunehmender Partner bleiben wollen, werden wir uns weiterhin aktiv bei Friedensprojekten engagieren müssen. Wir werden unsere Stärken weiterhin einbringen und ausbauen: Spezialeinsatzkräfte, Gebirgsjäger-Ausbildung, ABC-Abwehr, Logistik und grenzüberschreitende Katastrophenhilfe. Dafür brauchen wir ein leistungsfähiges Bundesheer, in das investiert werden muss.

Muss Österreich seine Sicherheitsdoktrin ändern?

Unsere Sicherheitsstrategie trägt den neuen Inhalten des Lissabon-Vertrages Rechnung. So sind die Kooperationen genauso darin enthalten wie die grenzüberschreitende Katastrophenhilfe.

Warum ist bei der Luftraum-Überwachung nicht die Nacheile möglich, die es am Boden für die Polizei gibt?

Die Luftraumüberwachung ist Teil unserer Neutralität, wir werden sie weiterhin durchführen. Die Nacheile im Luftraum ist Gegenstand von Planungen des Generalstabs. Im Herbst wird das Konzept für das Bundesheer der Zukunft vorgelegt.

Wie der KURIER in seiner Freitag-Ausgabe berichtete, gibt das Ministerium viel Geld für Inserate in Gratis-Zeitungen aus. Stimmt das?

Wir betreiben eine aktive Kommunikationsarbeit. Es liegt daher auf der Hand, dass der neue Grundwehrdienst öffentlich beworben wird. Das ganze Haus weiß, dass jedes Ressort sparen muss. Am Ende des Jahres werden wir beim Budget eine Punktlandung hinlegen. Keine einzige Abteilung im Haus ist vom Sparen ausgenommen, auch nicht die Kommunikationsabteilung.

Verteidigungsbudgets

EU-Mitgliedsländer

2001: 251 Mrd. €; 2012: 190 Mrd; Prognose 2020: 147 Mrd. Österreich: 2014: zwei Mrd. €.

EU-Haushalt 2012

5,8 % des Budgets für Außen-, Sicherheits-, Verteidigungspolitik sowie Entwicklungshilfe.

EU-Sicherheitsstrategie

Koordinator des Thinktanks zur Ausarbeitung der neuen EU- Sicherheitsstrategie ist Brigadier Johann Frank, Leiter der Abteilung Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium. Er studierte Politik in Wien und an der ETH-Zürich (Mag., Dr., MAS).

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