Claudia Schmieds schweres Erbe

Schmied verlässt das Unterrichtsministerium. Übernimmt es Heinisch-Hosek?
Die SPÖ will das Unterrichtsressort behalten. Mögliche Anwärter: Heinisch-Hosek und Ostermayer.

Ich nehme es zur Kenntnis.“ Trocken kommentiert der oberste Lehrergewerkschafter, Paul Kimberger, den Abgang von Claudia Schmied. Am Montag tat die SPÖ-Bildungsministerin kund, was sich abgezeichnet hatte. Sie verlässt die Politik – wenn die neue Regierung, die kleiner als die derzeitige sein soll, steht. Und sie überlässt dem Nachfolger, mit den widerborstigen Standesvertretern in Sachen Lehrerdienstrecht handelseins zu werden.

„Das Amt kostet Kraft. Bildungspolitik ist kein Sonntagsspaziergang“, sagte Schmied, die sechs Jahre im Unterrichtsressort werkte und mit Beamtenboss Fritz Neugebauer clinchte, im ORF-Radio. Was sie fortan beruflich macht, sei offen: „Ich habe Angebote, die ich prüfen werde.“ Aus Wirtschaft und Kultur sind sie; Schmied war ja auch für Letzteres politisch zuständig.

Bildung gehört zu den Kernthemen der Roten. Und so wollen sie dieses Ministerium auch in einer neuerlichen Koalition mit der ÖVP nicht abgeben. Wer wird es führen?

Mögliche Anwärter

Gut möglich, dass Gabriele Heinisch-Hosek, Ministerin für Frauen und Beamte, Schmied beerbt. Die Lehrerdienstrechtsmaterie ist ihr vertraut. Sie hat mit Schmied und Finanzministerin Fekter mit den Gewerkschaftern verhandelt. Die Frauen-Agenden könnte sie als Bildungsverantwortliche behalten; gegen diese Kombination hätten auch die SPÖ-Frauen nichts. Die Beamten könnten zu Werner Faymanns Intimus, Medienstaatssekretär Josef Ostermayer, wandern. Kunst und Kultur könnten ihm ebenfalls zugeschlagen werden – Ostermayer stiege zum Kanzleramtsminister auf. Denkbar ist auch, dass er die Bildungsbelange übernimmt. Was dagegen spricht: Das würde Ostermayer zeitlich sehr binden; Faymann wird ihn in einer künftigen Koalition mit der ÖVP noch mehr brauchen als bisher.

Als weiterer Anwärter für das Bildungsressort genannt: Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl. Er war einst Hauptschullehrer und SPÖ-Chefverhandler bei Koali­tionsgesprächen zwischen Rot und Schwarz. Als Landeshauptmann könnte ihm Norbert Darabos folgen. Der Burgenländer hat den jetzigen Wahlkampf gemanagt, als solcher das historisch schlechteste Ergebnis in der Parteigeschichte mitzuverantworten. Fraglich ist freilich: Will Niessl den vergleichsweise kommoden Landesposten gegen ein Ministeramt tauschen, in dem er sich mit Neugebauer herumschlagen muss?

Niessls Kärntner Amtskollege Peter Kaiser möchte jedenfalls einen Regierungsjob für einen der Seinen. Die Begründung: Bei der Landtagswahl habe die SPÖ den Landeschefsessel zurückerobert; und bei der Bundeswahl – entgegen dem SPÖ-Trend – zugelegt.

Nach der Wahl ist vor Wahl. Der Stimmenpott ist bis auf ein paar Stellen hinterm Komma ausgezählt. Jetzt beginnt der Kampf um die beste Ausgangsposition fürs nächste Mal. Michael Spindelegger will wenigstens vom Verhandlungstisch als Sieger aufstehen. Die SPÖ hat rein rechnerisch nur die Option auf eine Neuauflage von Rot-Schwarz, die ÖVP gleich zwei Karten in der Hinterhand: Ein Bündnis mit Blau-Stronach oder Blau-Neos. Raufen sich Rot und Schwarz am Ende doch wieder zusammen, ist das die kleinste Große Koalition, die das Land je regierte.

Schon heute proklamieren sie: „Genug gestritten“. Und geloben für den Fall des Falles besseren Verkauf der gemeinsamen Regierungsarbeit. Das haben wir zwar noch nach jeder Wahlniederlage gehört. Den ersten Beweis, dass sie den Denkzettel der Wähler sinnerfassend gelesen haben, können sie schon umgehend antreten.

Bildungsministerin Claudia Schmied hat gestern mit ihrem Abgang den Weg zu einem Neuanfang im ewigen Schulstreit frei gemacht. Künftig gelten auf beiden Seiten keine Ausreden mehr. Die schwarze Beamtengewerkschaft könnte ab sofort ihre volle Energie in zügige Verhandlungen statt in die lähmende Feindbildpflege investieren. Schmieds Nachfolger/in könnte unbelastet losstarten – allerdings nur mit der Garantie, dass die Regierung nicht bei erstem Gegenwind die Courage verliert.

Aber so weit sind wir noch lange nicht. Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf. Die SPÖ versucht ihr Glück mit dem Slogan „Österreich braucht eine stabile Regierung“. Die ÖVP setzt auf die Operation Nerventest: „Die Große Koalition ist nicht in Stein gemeißelt.“

62 Regierungsprojekte hat Unterrichtsministerin Claudia Schmied seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2007 auf Schiene gebracht, darunter die flächendeckende Umstellung der Hauptschule auf die Neue Mittelschule (NMS) oder die Reform der Lehrerausbildung. Allerdings haben viele Projekte Schönheitsfehler, so mancher große Brocken ist unerledigt geblieben - großteils aufgrund des Widerstands von Koalitionspartner ÖVP und den Ländern. Im Folgenden ein Überblick über große Projekte der Ära Schmied:

LEHRERDIENSTRECHT: Am wohl deutlichsten gescheitert ist Schmied mit ihrem Ansinnen, Lehrer zu mehr Anwesenheit an den Schulen zu verpflichten. Schon 2009 war sie mit ihrem Plan, dass diese als Beitrag zur Bewältigung der Wirtschaftskrise zwei Stunden zusätzlich unterrichten sollen, am Widerstand der Gewerkschaft und der mangelnden Unterstützung durch die Regierung gescheitert. Auch der nächste Anlauf für eine Reform war kein Erfolg: Im Mai 2012 wurden Verhandlungen mit der Gewerkschaft begonnen, diesmal als "Regierungsprojekt" unter Einbindung von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP). 33 Runden später gab es noch immer keine Einigung. Der Gesetzesentwurf, den die Regierung dennoch Mitte August in Begutachtung geschickt hat, wurde in rekordverdächtigen über 1.700 Stellungnahmen großteils harsch kritisiert und auch die ÖVP, die sich bereits davor wiederholt vom Regierungsentwurf distanziert hatte, ortet noch Verbesserungsbedarf.

LEHRERAUSBILDUNG: Nach mehr als vier Jahren Vorarbeit wurde die Reform beschlossen, aus der ursprünglich angekündigten gemeinsame Lehrerausbildung für alle wurde allerdings nichts. De facto wird es weiterhin unterschiedliche Wege zu verschiedenen Lehrämtern geben, die Zweiteilung der Ausbildung (Pflichtschullehrer an den Pädagogischen Hochschulen, AHS- und BMHS-Lehrer an den Unis) bleibt großteils erhalten. Die Reform sieht vor, dass künftig jeder angehende Lehrer ein Aufnahmeverfahren bestehen und langfristig ein Masterstudium absolvieren muss, was für Pflichtschullehrer zu einer deutlich längeren Ausbildung führt. Kritik setzte es daran, dass die Ausbildung der Kindergartenpädagogen vorerst weiter kaum an Hochschulen stattfinden wird.

NEUE MITTELSCHULE: Als Kompromiss zwischen der von der SPÖ geforderten und der ÖVP abgelehnten Gesamtschule wurde eine flächendeckende Umwandlung der Hauptschule in Neue Mittelschule (NMS) beschlossen. Während Schmied die NMS als Zwischenschritt zu einer gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen sieht, wird das Projekt, bei dem in Deutsch, Mathematik und Englisch zwecks besserer Individualisierung zwei Lehrer gemeinsam in der Klasse stehen, von der politischen Konkurrenz als bloßes Austauschen von Türschildern kritisiert.

GANZTAGSSCHULE: Der angekündigte Ausbau ist Schmied gelungen, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie die SPÖ es sich gewünscht hätte. Zwar wurden die Mittel auf 160 Mio. Euro pro Jahr bis 2018 verdoppelt, mit der Forderung nach einer weiteren Aufstockung auf 320 Mio. Euro hat Schmied sich von der ÖVP allerdings eine Abfuhr geholt. Die Ansage, dass künftig jede zweite Pflichtschule auf ein ganztägiges Angebot umgestellt werden soll, wurde von der ÖVP als Kampf gegen die "Zwangstagsschule" in den Wahlkampf getragen.

ZENTRALMATURA: Die Einführung ist zwar fix, allerdings musste die Ministerin den Starttermin nach massiven Protesten von Schüler-, Eltern- und Lehrervertretung um ein Jahr nach hinten verschieben. Der Vorwurf: Im Fach Mathematik sei die Zentralmatura unzureichend vorbereitet worden. Das Angebot, doch schon zum ursprünglichen Starttermin loszulegen, haben ganze zwei der fast 350 AHS wahrgenommen. Kritiker warnen außerdem vor einer Nivellierung durch die österreichweit einheitlichen Klausuren.

SPRACHFÖRDERUNG: Über Monate hinweg lieferte Schmied sich mit Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) einen medialen Schlagabtausch darüber, wie die Sprachförderung vor allem für Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache verbessert werden kann. Das Ergebnis: Deutschkenntnisse sollen künftig größeren Einfluss darauf haben, ob Kinder als schulreif eingestuft werden. Darüber, ob Sprachförderung integrativ oder in von Schmied einst als "Ghettoklassen" verurteilten eigenen Klassen passieren soll, soll der jeweilige Schulleiter entscheiden.

OBERSTUFE NEU: Die von Schmied gewünschte "Abschaffung des Sitzenbleibens" ist es dann doch nicht geworden. Künftig können Schüler mit bis höchstens zwei mit "Nicht Genügend" beurteilten Modulen in die nächste Schulstufe aufsteigen, positive Noten bleiben in jedem Fall erhalten. Ein echtes Modulsystem mit der Möglichkeit einer Abwahl von Fächern bei gleichzeitiger Vertiefung in anderen Gegenständen ist aber nicht entstanden: De facto wurde nur der Jahresstoff in zwei Semester-Module unterteilt.

BILDUNGSGARANTIE: Hier wurden Gratis-Kurse zur Alphabetisierung bzw. zum kostenlosen Nachholen des Bildungsabschlusses geschaffen.

BILDUNGSSTANDARDS: Zum ersten Mal wurde unter Schmied flächendeckend erhoben, wie es um die Kenntnisse Zehn- bzw. 14-Jähriger in Österreich bestellt ist. Dass die Neue Mittelschule (NMS) bei den Ergebnissen nicht separat ausgewiesen wurde, sahen Kritiker als Beleg für ein Scheitern dieser Schulform.

SCHULVERWALTUNG: Die im Regierungsprogramm vereinbarte "Light"-Reform wurde zumindest großteils umgesetzt. Kurz vor Ende der Legislaturperiode wurde die Abschaffung der Bezirksschulräte samt der nach Proporz besetzten Kollegien beschlossen.

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