Für Rot-Schwarz "läutet Endzeit"

Reinhold Mitterlehner, Werner Faymann: Regierung im Abwärtstrend
Gleichstand SPÖ/FPÖ kann auch in Wien passieren – Unzufriedenheit mit Bundespolitik schlug bei Landtagswahlen durch.

Den einen oder anderen Unzufriedenen mit der Landespolitik wird es wohl gegeben haben – dennoch ist das Debakel von SPÖ und ÖVP in der Steiermark nicht auf die Reformarbeit der Landeskoalition zurückzuführen. Der beste Beleg dafür ist das Wahlergebnis im Burgenland. Hans Niessl vertritt ein deutlich anderes Politik-Konzept als die Steirer – und musste dennoch gewaltig Stimmen abgeben.

Auch über die ÖVP ist das Desaster bundesländer-übergreifend hereingebrochen.

Für Rot-Schwarz "läutet Endzeit"
"Man kann nicht jeden Skurrilo einladen, um über die Hypo zu debattieren." - Josef Kalina hält nichts von der Gesprächseinladung des Vizekanzlers an den Mimen.
"Ich ordne diese Wahlergebnisse in eine europäische Entwicklung ein. Es läutet die Endzeit für das traditionelle Schema aus Christdemokratie und Sozialdemokratie", befundet der Experte für politische Kommunikation und frühere SPÖ-BundesgeschäftsführerJosef Kalina (Bild).

In vielen europäischen Ländern gebe es neue Protestbewegungen, die einen führen nach links, die anderen nach rechts, manche wie Italiens Beppe Grillo "ins Nirwana", sagt Kalina.

Für Rot-Schwarz "läutet Endzeit"
Landesthemen, ob Reformpartnerschaft oder Uhudler, hätten am Sonntag nur am Rande eine Rolle gespielt. Laut Kalina haben zwei Mega-Themen auf die Wahlergebnisse durchgeschlagen: wirtschaftliche Unsicherheit plus Job-Ängste und der Komplex Zuwanderung/Asylwerber/Flüchtlinge. Kalina: "Das Errichten von Zeltstädten ist ein Wahnsinn. Die Leute beschäftigen sich nicht mit den Details des Polit-Streits um Asylquoten. Sie sagen: Was, so viele Flüchtlinge sind schon da, dass wir gar keine Quartiere mehr haben und schon Zeltstädte errichten müssen?"
Für Rot-Schwarz "läutet Endzeit"
Heidi Glück, Michael Schmitz, Interview, Thurn, Karriere
KommunikationsexpertinHeidi Glück(Bild) sagt, sie wüsste zwar nicht, was InnenministerinJohanna Mikl-Leitnerangesichts des Widerstands von Ländern und Gemeinden hätte anders machen können, aber: "Die Uneinigkeit in der Flüchtlingsfrage hat sicher geschadet. Von der Politik wird Lösungskompetenz verlangt."

Alarmstimmung herrscht in SPÖ und ÖVP in Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen. In Oberösterreich, wo am 27. September gewählt wird, zeigen die Umfragen schon seit Monaten, dass die SPÖ von der FPÖ überholt und auf den dritten Platz verwiesen werden dürfte. Die Steiermark liefert ein weiteres Indiz dafür: Die Arbeiter wählten in der Steiermark am Sonntag mehrheitlich blau, im Industrieland Oberösterreich ist die Arbeiterschaft eine Kernklientel der SPÖ.

Für Wien – es wählt am 11. Oktober – bedeutet das burgenländisch-steirische Ergebnis "die Götterdämmerung", sagt Kalina. "Ein Defacto-Gleichstand von FPÖ und SPÖ kann auch in Wien passieren." Kalina warnt davor zu versuchen, die FPÖ in Sachen Anti-Ausländer-Populismus zu überholen: "Da gehen die Wähler lieber zum Schmied als zum Schmiedl."

Für die Bundesregierung bedeutet das Wahlergebnis eine Schwächung. Die größte Steuerreform aller Zeiten hat nichts aufgehalten. Der Ärger über Begleitmaßnahmen – gläserne Konten, Grunderwerbsteuer, Angestellten-Rabatte usw. – überlagert die Botschaft, dass es ab 1. Jänner mehr Geld auf dem Konto geben wird. "Die Leute sagen, bis dahin nimmt uns die Regierung das drei Mal wieder weg", sagt ein ÖVP-Abgeordneter zum KURIER. Glück bestätigt: "Die Steuerreform hat die Regierung kommunikativ total versemmelt. Die ÖVP hat vergessen, dass zwei Drittel ihrer Wähler Arbeitnehmer sind, und hat die Steuersenkung nicht als Erfolg verkauft. Anstatt über die Tarifsenkung zu reden, steht jetzt der Eingriff in Grundrechte auf der Agenda."

Das Zutrauen zur Bundesregierung wird nach diesem Desaster weiter schwinden, aber personelle Konsequenzen zeichnen sich nicht ab. Die ÖVP hat einen neuen, unumstrittenen Obmann, aber die Unzufriedenheit mit dem Steuerreform-Kompromiss ist gewaltig. Es gibt erste, vereinzelte Kritik an Finanzminister Hans Jörg Schelling.

Bei der SPÖ ist der dramatisch schlechte Zustand nicht neu, sondern nur neuerlich bestätigt worden. Trotz beliebter Landeshauptleute wie Niessl und Franz Voves ist die SPÖ abgestürzt.

Für Rot-Schwarz "läutet Endzeit"
Die allgemeinen Probleme der SPÖ sind bekannt: dünne Personaldecke, eine auf die Kernwähler konzentrierte Retro-Politik, keine neuen Ideen, kein Leadership... Ändern dürfte sich in der SPÖ aber nichts, weil es kein Machtzentrum gibt. Niemand besitzt das Moment des Handelns.

Schleichender wirtschaftlicher Abstieg, steigende Arbeitslosenzahlen – dass Unzufriedenheit mit der Bundesregierung eine Rolle spielte, ist durch Umfragen belegt. Im Auftrag des KURIER befragte OGM die Steirer. Demnach sagten 62 Prozent, dass sie mit der Bundesregierung unzufrieden sind. Zufrieden sind nur 28 Prozent.

Wären gestern Nationalratswahlen gewesen, wäre in der Steiermark die FPÖ mit 30 Prozent klar vor SPÖ und ÖVP mit je 24 Prozent durchs Ziel gegangen.

Es gibt übrigens europäische Beispiele, wo Mehrheiten halten: David Cameron und Angela Merkel gewinnen das Vertrauen ihrer Wähler mit Leadership.

Weiterführende Links:

Alle Ergebnisse finden Sie hier für die Steiermark und hier für das Burgenland.

Was sagen Bundeskanzler Faymann und Vize Mitterlehner zum Wahlergebnis? Lesen Sie das Interview hier.

Der Wahltag im Ticker zur Nachlese.

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