"Schlechte Ratschläge": Faymann weist Kritik zurück

Faymann: "Die Aufarbeitung muss noch besser werden. Nur in den Rückspiegel zu schauen, damit kommt man auch nicht weit."
Der Kanzler wehrt sich gegen parteiinterne Anwürfe – in puncto Steuerreform verweist er auf den beschlossenen Zeitplan.

Das KURIER-Interview mit Burgenlands SP-Landesrat Peter Rezar (siehe unten) hat die Wogen beim heutigen Pressefoyer nach dem Ministerrat hochgehen lassen: Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann, der nach längerer Abstinenz wieder mit seinem Vize Spindelegger vor den Journalisten sprach, verteidigte sich dort gegen die Kritik, er habe die Wahlschlappe vom Sonntag zu verantworten.

Die Aufforderung Rezars, sich doch auch in Richtung FPÖ zu öffnen, kommentierte er so: "Das halte ich für einen schlechten Ratschlag, und schlechte Ratschläge nehme ich nicht entgegen." Er halte es bei Einflüsterern anders: "Wenn es unter 2.000 Mandataren wahrscheinlich mehr als einen gibt, der mir Ratschläge erteilt, dann nehme ich die guten auf", so der Kanzler.

Zudem nahm er die Medien in die Pflicht, die die Sache in seinen Augen hochgespielt hätten. Er bemerke "an einigen eine diebische Freude" zu bemerken, wenn eine interne kritische Stimme gefunden werde. "Falls einmal jemand beim Recherchieren Hilfe braucht, ich kann Ihnen so 10, 20 sagen, die nicht immer meiner Meinung sind", versprach er den anwesenden Journalisten.

Rufe nach Steuerreform

Beim SPÖ-Präsidium am Montag habe man das Wahlergebnis jedenfalls "im Lichte von sehr positiven Einstellungen" erörtert. Den Vorwurf mangelnder Durchsetzungsfähigkeit seiner Partei bei einer Reform des Steuersystems – ÖGB-Präsident Erich Foglar etwa hatte via KURIER auf eine baldigere Reform gedrängt (siehe dazu unten) - wies er ebenso zurück. Schließlich hätten alle Parteien außer ausgerechnet der FPÖ vergangene Woche dem Entschließungsantrag zugestimmt, wonach mit Ende 2014 ein Bericht über die Ergebnisse der Steuerreformarbeitsgruppe vorzulegen ist.

"Das halte ich für einen Fortschritt", so der SPÖ-Vorsitzende. Dass die SPÖ auch gerne ein Inkrafttreten zumindest teilweise schon 2015 hätte, sei kein Geheimnis; dass man sich darauf mit der ÖVP noch nicht einigen konnte, auch nicht. "Das lässt sich zur Stunde nicht vereinbaren." Man werde aber weiter die Linie verfolgen, "dass sie (die Steuerreform, Anm.) möglichst bald in Kraft treten soll".

Zeitplan

Noch hat die Steuerreformkommission indes ihre Arbeit nicht aufgenommen. Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) erklärte angesichts zumindest implizit geäußerter Vorwürfe aus der SPÖ, dass die Volkspartei hier verzögere, er "stehe genau zu dem Zeitplan": "Das werden wir jetzt eintakten, und das wird erfolgen", man werde "demnächst starten". Es gehe darum, mit Experten zu erarbeiten, "wie wir einen großen Wurf machen können", sagte er, betonte aber einmal mehr, dass es ohne Reformen wohl nicht gehen werde.

Burgenlands SPÖ-Vizelandesparteichef Peter Rezar fordert von Kanzler Werner Faymann ultimativ die Einführung einer Vermögenssteuer für "Superreiche". Sollte das mit der ÖVP nicht gehen, will der Landesrat die Koalition platzen lassen. Und der Rote, dessen Vater einst blauer Landesparteichef war, kann sich durchaus eine Koalition mit der FPÖ vorstellen.

KURIER: Die SP ist wieder nicht Erster, was ist schiefgelaufen?
Peter Rezar: Bei mehr Glaubwürdigkeit wäre das Wahlziel leichter erreichbar gewesen. Seit eineinhalb Jahren wird von der Millionärssteuer geredet, passiert ist nichts.

War Eugen Freund der ideale Spitzenkandidat?
Die SPÖ hat schon zwei Mal Quereinsteiger geholt, die Ergebnisse kennen wir.

Wer hat Schuld am schlechten Abschneiden – Kanzler Faymann, Wahlkampfmanager Darabos oder Freund?
In erster Linie sicher der Kanzler selbst.

Die Konsequenz?
Sehr rasch die Glaubwürdigkeit wiedererlangen, von der viel verspielt wurde.

Ihr Heimatbezirk Oberpullendorf fordert die Millionärssteuer, hat der Kanzler reagiert?
Bis jetzt noch nicht, mittlerweile gibt’s auch in den Bezirken Oberwart und Güssing gleiche Forderungen.

Was wollen Sie genau?
Eine Vermögenssteuer mit Freibetrag von einer Million Euro. Die 80.000 Superreichen Österreichs verfügen über 460 Milliarden €, bei einem Steuersatz von 0,5 % brächte das rund 2,3 Milliarden, mir wären auch zwei Prozent nicht zu hoch. Und der Eingangssteuersatz muss von 36,5 zumindest auf 25 % sinken. Details sind mit der ÖVP zu verhandeln.

Warum drängen Sie so darauf?
Die Vermögenssteuer war eine zentrale Ansage des Kanzlers vor der Nationalratswahl, in meinem Bezirk gab es mehr als 40 % Zustimmung für die SPÖ. Jetzt gibt es eine Erwartungshaltung.

Wie lange warten Sie noch?
Wenn diese roten Kernforderungen bis Herbst nicht auf Schiene sind, wird Faymann beim Bundesparteitag ärgste Probleme kriegen.

Und wenn die ÖVP nicht will?
Dann muss der Kanzler sagen, mit der ÖVP und Spindelegger geht es nicht und die Koalition platzen lassen. Was jetzt passiert, ist eine lauwarme Politik. Ich habe den Eindruck, Faymann nimmt sich aus der Tagespolitik zurück. Es ist klass und lieb, wenn er Conchita Wurst empfängt, aber dann will ich auch die Vermögenssteuer haben.

Und nach der Neuwahl wieder mit der ÖVP koalieren?
Dann sind wir nicht mehr glaubwürdig.

Mit der FPÖ?
Wenn es eine glaubhafte Alternative ist. Das strategische Kernproblem der SPÖ ist es, eine Partei auszuschließen. Das hat ja keinen Sinn.

Also kein grundsätzliches Nein zur FPÖ?
Eine Koalition ist ein Zweckbündnis. Wichtig ist, sich in wesentlichen Punkten zu einigen. Wenn Forderungen gestellt werden, die für die SPÖ inakzeptabel sind, wie der EU-Austritt, geht’s halt nicht.

Ab Mittwoch wird noch mehr Tempo gemacht: Wenn der ÖGB-Vorstand vorbei ist, wird klar sein, dass der Druck der Arbeitnehmer-Seite für eine Steuerreform so bald nicht mehr nachlassen wird. Ein Modell von ÖGB und Arbeiterkammer soll bis Herbst fertig sein, danach beworben werden und Verhandlungsgrundlage für politische Verhandlungen sein.

ÖGB-Präsident Erich Foglar (SPÖ) kann zwar mit dem EU-Wahlergebnis leben, mit dem politischen Zwischenstand zu einer Steuerreform aber nicht: "Wenn die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer schon höher sind als die aus der Umsatzsteuer, sieht doch jeder, dass wir in dem Land ein Riesenproblem haben. Da sieht man doch, dass die Wirtschaft nicht floriert und die Leute kein Geld mehr zum Ausgeben haben." Das wüssten nicht nur die Arbeitnehmer, sondern spürten auch die kleinen Gewerbetreibenden, die weniger Aufträge bekämen.

Eine Gefahr fürs Land

Schon holt der ÖGB-Chef im KURIER-Gespräch zum K.-o-Schlag gegen das Finanzministerium aus: "Und was uns da am meisten auf den Nerv geht, ist das Nichtstun." Konkret gemeint: das Finanzministerium. "Diese Borniertheit im Finanzministerium ist schwerst bedenklich und mittlerweile eine Gefahr für das ganze Land", sagt Foglar zum KURIER – und nennt Versäumnisse: Nach der Hypo-Verstaatlichung sei jahrelang nichts passiert. "Die Cold-case- und CSI-Gruppen hätte man sich sparen können." Beim Budget werde wiederum ausschließlich nach der Rasenmäher-Methode gespart, was noch nie klug gewesen sei. Foglars Fazit: "Wir haben im Finanzministerium ein massives wirtschaftspolitisches Defizit. Dort wird keine Politik mehr gemacht." Foglar will diese Kritik aber nicht nur auf Finanzminister Spindelegger bezogen wissen. "Da geht es schon um das ganze Ministerium."

Kommentare