Mittelstandsplattform mobilisiert gegen Bürokratie

Günter Stummvoll, Michaela Reitterer: Nach Vermögenssteuern bekämpft Mittelstands-Plattform überbordende Auflagen für Betriebe.
Beispiele aus Absurdistan: Notruf ins indische Callcenter, Anrainerrecht gegen "sich Drehendes" in einer Großstadt.

Jene elf Unternehmerverbände, die erfolgreich gegen die Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuern kampagnisierten, machen weiter. Ihr neues Ziel: die Abschaffung überbordender Bürokratie. Nächste Woche werden die elf Wirtschaftsvertreter – Industrie, Gewerbe, Hotellerie, Forstwirte etc. – ihre neue Kampagne starten. Der Sprecher der Plattform, Ex-ÖVP-Politiker Günter Stummvoll: "Die Bürokratie ist die Bremse Nummer 1 für Wachstum. Alle wollen neue Jobs und Wachstum, aber keiner lockert die Bremse." Das Beamten-Bashing der Regierung hält Stummvoll für den falschen Weg: "Ich muss zuerst die Aufgaben für die Beamten reduzieren, bevor ich die Zahl der Beamten reduziere."

Wirtschaftsvertreter erzählen dem KURIER vom ganz normalen Bürokratie-Wahnsinn im Alltag: Felix Montecuccoli, Forstwirt und Besitzer von 1000 Hektar Wald: "Alle drei bis vier Monate werden wir mit neuen Vorschriften konfrontiert. Unsere Büroarbeit gilt zu 80 Prozent nicht dem eigentlichen Forstbetrieb, sondern bürokratischen Auflagen." Montecuccolis jüngstes Lieblingsbeispiel für "absurde Vorschriften": Für das Aufbringen von Verbiss-Schutzmittel (sodass Waldtiere nicht die Bäume auffressen), brauchen Jäger neuerdings einen "Pflanzenschutzmittel-Ausweis". Rund 15.000 Jäger werden zu einem Kurs vergattert, damit sie den Pflanzenschutzmittel-Ausweis erhalten.

Michaela Reitterer, mehrfach preisgekrönte Hotelière (sie betreibt das weltweit erste Stadthotel mit Null-Energie-Bilanz), erzählt: "Wenn ein Gast im Lift stecken bleibt, kann er über den Notruf nur die Aufzugfirma anrufen. Da landet der Gast oft in einem Callcenter in Indien und muss eine Stunde warten, bis ihn wer rausholt. Der Gast merkt oft nicht, dass er nicht unsere Rezeption angerufen hat, und unsere Rezeptionisten bemerken nicht, wenn jemand im Lift steckt. Sie könnten mit einem Schlüssel den Gast binnen Minuten befreien. Früher ging das, aber jetzt ist der Notruf an die Liftfirma obligatorisch."

Ein besonders absurdes Kapitel ist das Mitspracherecht von Anrainern. Reitterer: "Wenn ein einziger Anrainer etwas ablehnt, wird es schon nicht genehmigt. Ich wollte auf dem Hoteldach kleine Stadtwindräder anbringen, mit denen ich 20 % des Strombedarfs erzeugt hätte. Ein frühpensionierter Anrainer sagte, er stehe den ganzen Tag am Fenster und würde deppert, wenn er dauernd auf etwas sich Drehendes schauen müsste. Die Behörde gab ihm recht."

Reitterer könnte "Bücher füllen mit schikanösen Auflagen", wie sie sagt. "Ich verstehe, wenn Unternehmer nach Bratislava abwandern wollen. Beamte verhalten sich oft so, als wären wir noch in der Kaiserzeit und nicht in einer Dienstleistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts."

Gustostückerln aus dem Dschungel der Bauvorschriften hat die Wirtschaftskammer parat. Zitat: "Bei Treppen in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen und mehr als drei Stufen sind an beiden Seiten Handläufe anzubringen. In Oberösterreich genügt ein Handlauf auf einer Seite, wenn es einen Personenaufzug gibt. In Niederösterreich und Salzburg muss ein Handlauf erst ab vier Stufen angebracht werden, außer, die Stiege hat eine Durchgangsbreite von mehr als 1,50 m (Niederösterreich) oder mehr als 2m (Salzburg). In diesen Fällen ist ein zweiter Handlauf anzubringen. WKO-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser fordert ein Durchforsten von Vorschriften: "Wir haben der Regierung eine 20 A4-Seiten lange Liste mit Paragrafen, die man ändern, vereinfachen oder abschaffen könnte, übermittelt."

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