Regierung schiebt Rauchverbot auf lange Bank

Wolfgang Brandstetter und Alois Stöger statt Kanzler und Vize.
Das erste Pressefoyer ohne Faymann und Spindelegger: Die „Spiegelminister“ Stöger und Brandstetter plädieren für ein generelles Rauchverbot in Lokalen - legistisch dauert das aber.

Einen neuen Stil wollen sie pflegen, haben die neuen und alten Koalitionspartner bei der Unterzeichnung ihres Paktes geschworen. Ein äußeres Zeichen dafür ist das Pressefoyer neu: Hinter den beiden Glaspulten bezogen heute nicht wie gewohnt Kanzler Werner Faymann und sein Vize Michael Spindelegger Stellung, sondern zwei „Fachminister“, wie es hieß. SP-Gesundheitsminister Alois Stöger und sein Konterpart Wolfgang Brandstetter, VP-Justizminister, stellten sich heute erstmals den Journalistenfragen.

Vom Ressort her durchaus passend, schließlich hat die Ankündigung, dass die Regierung den geltenden Nichtraucherschutz kippen will, für Schlagzeilen gesorgt: SP und VP kippen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom Sommer, in dem festgeschrieben steht, dass es „Nichtrauchern nicht zumutbar wäre, in Lokalen auf dem Weg zu den Toiletten durch Raucherbereiche gehen zu müssen“. Im Klartext: Die Regierung repariert das Tabakgesetz dahingehend, dass das Erkenntnis des VwGH obsolet ist.

Die Konsequenz: Man will die Gastronomie vor umfassenderen Auswirkungen des Tabakgesetzes schützen - ein Rauchverbot rückt damit in weite Ferne.

Keine Mehrheit für Rauchverbot

Das konnten die beiden Minister auch vor der Presse nicht verleugnen. Gesundheitsminister Alois Stöger, der bis vor kurzem ein generelles Rauchverbot verhandelt hat, rückt von seinem Plan dennoch nicht ab – er tritt weiterhin „für eine Stärkung des Nichtrauchens ein“. Hierzu brauche es aber eine parlamentarische Mehrheit und „die gibt es derzeit nicht“, so Stöger, dem auch Brandstetter beipflichtete.

Regierung schiebt Rauchverbot auf lange Bank
APA16564098 - 21012014 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Rudolf Hundstorfer am Dienstag, 21. Jänner 2014, vor Beginn des Ministerrates in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Sozialminister Rudolf Hundstorfer meinte im Vorfeld des Ministerrats, die Gesetzesnovelle sei als Übergangsregelung zu sehen: Es gehe nicht um eine Entschärfung des Rauchverbots, sondern darum, Rechtssicherheit herzustellen. Der Sozialminister geht davon aus, dass es sich in Richtung generelles Rauchverbot in Restaurants entwickelt. „Es ist halt noch nicht so entschieden“, so Hundstorfer.

Samenspende: Reparatur binnen Frist

Auch ein anderer Gerichtsentscheid wurde am Dienstag thematisiert: Frauen in homosexuellen Lebensgemeinschaften muss die Erfüllung ihres Kinderwunsches durch künstliche Fortpflanzung mittels Samenspende ermöglicht werden, hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Freitag mitgeteilt. Justizminister Brandstätter erklärte, man werde das Gesetz innerhalb der Frist reparieren. "Ich weiß um die Problematik", es handle sich um einen "heiklen Bereich", räumte Brandstetter ein. Legistische Reformen verglich er aufgrund der vielen Zusammenhänge daher mit einem "Mikadospiel".

"Jetzt haben wir eine relativ knappe Reparaturfrist bis Ende 2014. Das ist nicht viel. Das was notwendig ist, werden wir bis Jahresende schaffen", zeigte sich der neue Justizminister aber überzeugt. Ihm ist bewusst, dass es über die Reparatur hinaus Reformen brauche und er will daher "auf breiter Basis" einen Konsens suchen.

Ärzte-Protest: Sache des AKH

Nicht nur Rauchverbot und Smenspende-Urteil, auch Ärzteprotest und Gratis-Zahnspange wurden im Ministerrat behandelt. Der Ausstand der Mediziner sei „eine Sache zwischen Geschäftsführung und den Ärzten“, so Stöger. Es gehe um Arbeitszeitfragen, „die dort zu klären sind“, meinte der Ressortchef. Das Med-Uni-Rektorat hatte mit Anfang des Jahres elf Journal-Nachtdienste gestrichen, weitere sollen offenbar folgen; die Mediziner beklagen, dass die Belastung für die Ärzte ein nicht mehr tragbares Ausmaß erreicht habe.

Er fühle sich zuständig für die Versorgung der Patienten und "es sei natürlich die Aufgabe" der Krankenhausleitung qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen, wenn Patienten Hilfe brauchen, so Stöger. Wenn weniger Ärzte in der Nacht arbeiten, können mehr am Vormittag eingesetzt werden, so seine "Logik". Jedenfalls sei die Arbeitszeitfrage im Krankenhaus zu regeln. Generell erklärte Stöger, er arbeite in der Gesundheitsreform daran, dass zwischen Ländern, Sozialversicherung und Bund, die Bedürfnisse des Patienten umgesetzt werden. In diese Richtung wolle er weiter arbeiten.

Gratis-Zahnspange bis 2018

Abgesehen davon berichtete Stöger, dass die Gratis-Zahnspange für Kinder vor Ende der Legislaturperiode 2018 umgesetzt werde. "Sobald als möglich", also sobald man in der Lage sei, sie zu finanzieren, soll die Gratis-Zahnspange kommen, meinte Stöger. Ob die Zahnspange nur dann kostenlos sein wird, wenn der Einsatz medizinisch initiiert ist oder auch aus kosmetischen Gründen, ließ Stöger offen.

Pressefoyer: Keine ständige Neuerung

Zum Thema Pressefoyer neu sagten die beiden Spiegelminister: „Es wird nicht jede Woche so sein, sondern manchmal werden sich Fachminister präsentieren und Antworten liefern“, sagte Stöger – ein neuer Weg, der eine Bereicherung für die mediale Landschaft wäre.

Regierung schiebt Rauchverbot auf lange Bank

Erstmals ist es wissenschaftlich belegt: Die österreichische Rauchschutzpolitik mit getrennten Räumen in Lokalen wirkt nicht. Manfred Neuberger vom Institut für Umwelthygiene der MedUni Wien und Co-Autoren haben jetzt mit Tests in Wiener Gastronomielokalen nachgewiesen, dass in den "Nichtraucher-Räumen" weiterhin eine hohe Belastung mit Ultrafeinstaub - fast halb soviel wie in Raucher-Räumen von Tabakgenießern - vorhanden ist. Bei Fein- und Ultrafeinstaub handelt es sich um extrem kleine, mit dem freien Auge nicht sichtbare Partikel. In der Lunge können die Staubteile Entzündungen, Asthma oder Krebs auslösen. Feinstaub-Verursacher sind u.a. Dieselruß, Heizungen, Industrieanlagen - und Zigaretten.

"Die österreichische Regelung für die Gastronomie ist eine Augenauswischerei. Da wird eine Sicherheit vorgespiegelt, die nicht vorhanden ist", kommentiert Neuberger gegenüber der APA die Ergebnisse seiner Studie.

Kontaminierte Nichtraucher-Räume

Die Experten hatten zwischen 6. November 2010 und 6. Juni 2011 unangemeldet Luftproben in 134 per Zufall ausgesuchten Gasträumen von 16 Wiener Kaffeehäusern, 51 Bars und Pubs, 14 Restaurants und sieben Diskotheken genommen. In 20 der Lokale war Rauchen erlaubt, in 46 gab es extra als solche ausgewiesene Nichtraucher-Räumlichkeiten. Bestimmt wurde erstmals die Zahl der Ultrafeinstaub-Partikel pro Kubikzentimeter Luft.

Der Wissenschafter: "Das war zumindest vier Monate nach dem Ende der 'Übergangsregelungen' bezüglich der Tabakgesetzgebung. Alle Lokale hätten also die gesetzlichen Bestimmungen erfüllen müssen. Ultrafeinstaub geht ganz tief in die Lunge hinein und auch direkt in das Blut. Damit werden direkt Organschäden und Teile des Herz-Kreislauf-Risikos (durch "Passivrauchen", Anm.) in Zusammenhang gebracht.

Regierung schiebt Rauchverbot auf lange Bank

Die Ergebnisse der Wissenschafter sprechen eindeutig gegen die Unterteilung in Raucher- und Raucher/-Nichtraucher-Lokale, wenn es um die Luftbelastung geht. Die Autoren der Studie: "Die höchste Konzentration an Partikeln wurde in Raucherlokalen und Raucher-Räumen mit median 66.011 pro Kubikzentimeter registriert. Sogar Nichtraucher-Räume in unmittelbarer Nähe zu Raucher-Räumen waren hoch kontaminiert (median 25.973 Partikel pro Kubikzentimeter)." In Nichtraucherlokalen waren es median auch noch 7.408 Partikel pro Kubikzentimeter.

Rauchschutz nicht wirksam

Neuberger und seine Co-Autoren: "Wir schließen daraus, dass die in Österreich geltende Tabak-Gesetzgebung beim Schutz der Kunden in Nichtraucher-Räumen in Lokalen nicht wirksam ist. Gesundheitsschutz von Nichtrauchern und Beschäftigten bezüglich der Ultrafeinstaub-Partikel ist ungenügend, sogar in ausgeschilderten Nichtraucher-Räumlichkeiten. Teilweise Rauchverbote mit getrennten Räumlichkeiten haben hier versagt."

Am 31. Mai ist Welt-Nichtrauchertag. Aus diesem Anlass veröffentlichte die britische Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" vergangene Woche eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Artikeln mit dem Thema Tabakkonsum bzw. Tabakgesetzgebung. Auf der Titelseite der Ausgabe der in Ärztekreisen weltweit zu den angesehensten Publikationen zählenden Zeitschrift heißt es: "Das Rauchen tötet mehr Europäer als jeder andere vermeidbare Faktor. Prävention ist möglich. Alles was benötigt wird, ist der politische Wille dazu."

Stöger beklagt fehlende Mehrheit

Der ist bei Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) zumindest laut eigener Aussage vorhanden: Er tritt seit Jahren für ein völliges Rauchverbot in der Gastronomie ein, weiß aber, dass er dafür in dieser Legislaturperiode keine Mehrheit finden wird. "Aber nach der Nationalratswahl im Herbst werden die Karten neu gemischt", sagt Stöger zum KURIER. Die Wirtschaftskammer hingegen hält die bestehende Regelung für ausreichend.

Links:

MedUni Wien - Institut für Umwelthygiene

The Lancet

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