Minister sein – ein Kinderspiel?

Minister sein – ein Kinderspiel?
Spindelegger, Kurz, Ostermayer & Co: Kann man als Ressortchef einfach vom einen ins andere Ministerium wechseln?

Studium? Hat er keines, zumindest kein abgeschlossenes. Diplomatische Erfahrung? Fehlanzeige, er war weder Botschafter noch außenpolitischer Sprecher.

Und selbst in Sachen Lebenserfahrung scheint Sebastian Kurz alles andere als prädestiniert für den Job des Außenministers. Kurz ist 27 und damit absolut jüngster Ressortchef in Europa.

Dass der Meidlinger polarisiert, sollte nicht verwundern – das war schon 2011 so, als „Basti“ (© Krone) zum Staatssekretär avancierte.

Bemerkenswert ist freilich, dass auch andere Ressort-Übernahmen irritierten.

Nehmen wir Josef Ostermayer: Der frühere Medien-Staatssekretär ist als Minister plötzlich für Kunst- und Kultur zuständig. Oder Michael Spindelegger: Der Vizekanzler wechselt quasi über Nacht vom Außen- ins Finanzressort, Vorgängerin Maria Fekter sah weiland ebenfalls kein Problem, die „Kieberei“ (Fekter) gegen die „Finance“ zu tauschen. Und selbst Rudolf Hundstorfer muss sich die Frage gefallen lassen: Wie kann es sein, dass ein Sozialminister bei Koalitionsgesprächen die Landwirtschaft verhandelt?

Zählt im Regierungs-Karussell denn Fachwissen heute gar nichts mehr? Hat nun jeder das Zeug zum Minister?

„Wenn man sich die Personalbestellungen der letzten Regierungen ansieht, könnte man diese Frage beinahe bejahen“, sagt Othmar Hill. Hill ist seit fast 40 Jahren Personalberater und lässt kein gutes Haar an der Art und Weise, wie die Koalition ihre Minister fand.

Inferiores Signal

„Das beliebige Wechseln zwischen den Ressorts ist ein inferiores Signal an die Bürger. Es zeugt von einer gewissen Geringschätzung“, sagt Hill.

Aber Sebastian Kurz hat sich als Staatssekretär doch passabel geschlagen. Warum sollte er keinen guten Minister abgeben?

„Die Frage muss anders lauten“, sagt Hill. „Würde einer, der nicht nur Kurz’ Talent, sondern zusätzlich Fachwissen und Lebenserfahrung hätte, den Job nicht besser machen? Ich meine ja – und zwar um ein Vielfaches.“

Als wesentliches Problem betrachtet der Unternehmer das Tempo der Bestellungen. Auch diesmal wurden Kandidaten binnen Stunden zu einer Zusage genötigt. „Derart wichtige Entscheidungen trifft man nicht um zwei Uhr früh am Handy“, sagt Hill. Das sei unprofessionell, fahrlässig. „Jede Halbtags-Assistentin wird genauer überprüft.“

Soviel zum Beobachter. Aber sind die Verhältnisse wirklich so übel, wie sie der Personalberater sieht?

Bernhard Görg kann viel über Personalbesetzungen in der Politik erzählen. Görg war Wiener ÖVP-Chef und führte neun Jahre lang die Personalagenden bei IBM – er kennt beide Welten.

„In der Spitzenpolitik gelten ähnliche Regeln wie in der Privatwirtschaft, nämlich: Ab einer gewissen Hierarchie-Stufe zählen vor allem Manager-Qualitäten. Das Detail-Wissen tritt dann in den Hintergrund“, sagt Görg.

Finanzminister müssten nicht notwendigerweise Bilanzen lesen können. Als Negativ-Beispiel erwähnt er Parteikollegen Niki Berlakovich. „Er war bei Sachthemen sicher sattelfest, als Landwirtschaftsminister aber trotzdem nicht erfolgreich.“

Warum nicht? Was macht den erfolgreichen Minister aus?„Das Wichtigste ist die Kompetenzvermutung“, sagt Görg. „Die Bürger fragen sich: ,Welche Kompetenz vermute ich bei diesem Minister, traue ich ihm die Lösung unserer Probleme zu?‘“

Vertrauen ist auch das Stichwort für Dietmar Ecker und Heidi Glück. Die beiden Agenturchefs waren jahrelang in der Politik. Ecker als Sprecher von Finanzminister Lacina, Glück im Team von Bundeskanzler Schüssel. Was das Fachwissen von Ministern angeht, sind sie sich einig: Fachliche Expertise lässt sich beschaffen – vom Team, aus den Ministerien.

Die wahren Qualitäten kompetenter Minister seien andere: „Entscheidungsprozesse sind in der Politik mitunter weit komplexer als in der Privatwirtschaft“, sagt Ecker. Da gelte es nicht nur das Gegenüber, also den Koalitionspartner, einzuschätzen. Auch die Sozialpartner, ja selbst die Opposition, deren „Ja“ man für allfällige Zweidrittel-Mehrheiten benötige, sei von Belang.

„Wenn beispielsweise ein Gesundheitsminister eine Reform durchziehen will, muss er Kompromisse mit dem Koalitionspartner finden, die Abläufe im Parlament und die Dynamik der öffentlichen Meinung kennen“, sagt Glück. „Dieser Minister braucht strategische und soziale Intelligenz. Ein Medizinstudium braucht er nicht unbedingt.“

Die neuen und alten Köpfe in der Regierung:

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