Mindestlohn: Kaske will "1500 Euro für alle"

AK-Präsident Rudolf Kaske: „Dürfen nicht in kollektive Depression verfallen“
Niedriglohnsektor: AK-Präsident wettert gegen deutsches "Verarmungsmodell" Hartz IV.

In die Debatte um Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose und die Höhe von Mindestsicherung und Arbeitslosengeld kommt mit der ÖGB-Forderung nach einem Mindestlohn von 1700 Euro frischer Wind. AK-Präsident Rudolf Kaske unterstützt die Forderung, gibt aber im KURIER-Gespräch zu bedenken: "1700 Euro ist ein mittelfristiges Ziel. Kurzfristig müssen wir erst einmal 1500 Euro für alle schaffen."

Vollzeit unter 1500

Derzeit würden immerhin noch 163.000 Vollzeitbeschäftigte – vor allem Frauen – weniger als 1500 Euro brutto im Monat verdienen. Das sind zum Beispiel Friseurinnen, Reinigungskräfte oder Angestellte von Ärzten und Rechtsanwälten. Kaske: "Das ist zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel." Neben dem Gerechtigkeitsaspekt würde solch eine Mindestlohn-Erhöhung – in Kombination mit der Steuerreform 2016 – den Konsum massiv ankurbeln, ist Kaske überzeugt.

Im Gegensatz zu Österreich hält er die florierende Inlandsnachfrage in Deutschland, neben demografischen Faktoren, für eine zentrale Erklärung der starken Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-Entwicklung im Nachbarland.

Was sich aus Sicht Kaskes nicht zum Vorbild eignet, ist der riesige Niedriglohnsektor in Deutschland im Gefolge von Hartz IV und den Ein-Euro-Jobs. Kaske: "Hartz IV kann man sich für Österreich nicht wünschen, das ist ein Verarmungsmodell. Wenn die Herrn Schelling und Leitl das haben wollen, sollen sie es offen sagen."

EU-Daten würden zeigen, dass die Armutsgefährdung unter Arbeitslosen nirgendwo in Europa so groß sei wie in Deutschland. 69 Prozent der deutschen Arbeitslosen leben demnach unter der Armutsschwelle, in Österreich sind es 45 Prozent. Ein Grund: In Deutschland gibt es keine Notstandshilfe wie in Österreich.

Angesichts der Rekordarbeitslosigkeit steht Kaske voll auf der Bremse, wenn es um zusätzliche Arbeitsbewilligungen für Drittstaatsangehörige geht. Zudem braucht es aus seiner Sicht konkrete Maßnahmen seitens der Wirtschaft und der öffentlichen Hand, um die Konjunktur anzukurbeln.

Dran bleiben will der AK-Chef auch beim Thema "Umverteilung der Arbeit" zugunsten von Teilzeitkräften, geringfügig Beschäftigten und Arbeitssuchenden. Unter anderem wünscht er sich, dass öfter Modelle wie die 4-Tage-Woche umgesetzt werden oder den Abbau von Überstunden.

12-Stunden-Tag

In diesem Zusammenhang will er einen Schritt auf die Arbeitgeber zugehen und die wechselseitige Blockade beim geplanten Arbeitsrecht-Paket durchbrechen. Dies bedinge jedoch, dass man bei den Verhandlungen nicht nur über die 12-stündige Maximalarbeitszeit bei echter Gleitzeit eine Lösung sucht, sondern auch bei der leichteren Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche für alle Arbeitnehmer zu einer Einigung kommt. Der oft kolportierte Ansatz eines generellen 12-Stunden-Tages kommt für Kaske nicht infrage.

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