Krisengipfel: Wird Kärnten unter Kuratel gestellt?

Schelling will Kärnten harte Bedingungen diktieren. Landeshauptmann Kaiser wehrt sich dagegen.
340 Millionen Euro braucht Kärnten heuer, um nicht in die Pleite zu rutschen. Schelling will dem Land genau auf die Finger schauen, bevor er Gelder freigibt.

In Kärnten brennt der Hut. 343 Millionen Euro benötigt das Bundesland im laufenden Jahr, damit es nicht zahlungsunfähig wird.

Doch das Finanzministerium ziert sich mit der Bewilligung der Geldmittel. Heute um zwölf Uhr spielt es im Kanzleramt High Noon für Kärnten. Am grünen Tisch will die Kärntner Landesregierung mit Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und vor allem mit Finanzminister Hans Jörg Schelling eine Lösung finden.

Dass es die Lösung schon heute geben wird, ist aber unwahrscheinlich. Zu verhärtet sind die Fronten. "Ich möchte eine politische Guideline finden. Dann sollen die Experten weiter den Vertrag aushandeln", steckt Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sein Ziel ab.

Krisengipfel: Wird Kärnten unter Kuratel gestellt?
APA20106878-2_03092014 - WIEN - ÖSTERREICH: Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) am Mittwoch, 3. September 2014, anl. eines Pressefrühstücks im Finanzministerium in Wien. FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Denn zu welchen Konditionen die Bundesfinanzierungsagentur (kurz OeBFA genannt) grünes Licht für die Millionenkredite geben will, ist für die Mehrheit in der Kärntner Landesregierung nicht akzeptabel. "Wir sollten heute auch die skrupellose Vorgangsweise endlich bereinigen", meint Landesrat Rolf Holub (Grüne). Der KURIER erfuhr einige brisante Details aus den Verhandlungen zwischen Finanzministerium, OeBFA und der Kärntner Landesregierung. Was davon umgesetzt wird, soll heute verhandelt werden.

Hohe Risikoaufschläge So soll ein Rahmenfinanzierungsvertrag mit Kärnten abgeschlossen werden. Als Risikoaufschlag will die OeBFA 1,3 Prozent Strafzins von Kärnten verlangen. Ein ähnlich hoher Risikoaufschlag, den auch Spanien auf dem freien Kapitalmarkt für seine Kredite zahlt. Dazu kommt: Alle bereits bestehenden Kredite Kärntens bei der OeBFA werden in diesen Rahmenfinanzierungsvertrag eingerechnet.

Unter Kuratel Jede Änderung des Kärntner Haushalts oder der Liquidität soll in Zukunft der Genehmigung des Bundes bedürfen. Damit wird Kärnten finanziell de facto unter Kuratel gestellt. Auch ein Regierungskommissär für Kärnten wird diskutiert.

Harter Sparkurs Zusätzlich zum Sanierungs-Budgetfahrplan (Einhaltung eines strukturellen Nulldefizits und der Maastricht-Kriterien) soll Kärnten 2016 zusätzliche 54 Millionen Euro einsparen. Im Jahr 2017 verlangt das Finanzministerium weitere 107 Millionen und 2018 sogar 132 Millionen an Einsparungen.

Weg vom Kapitalmarkt Eine weitere Bedingung: Sollte Kärnten Geld auf dem Kapitalmarkt aufnehmen, dann müssen zuerst die Kredite der OeBFA mit diesem Geld bedient werden.

Jederzeit kündbar Werden die Bedingungen nicht eingehalten, kann die OeBFA den Rahmenvertrag jederzeit kündigen.

Alternativlos

Angesichts dieser Perspektive schwanken die Kärntner Politspitzen vor der Krisensitzung zwischen Hoffnung und Verzweiflung. "Es wird sehr viel Sparen eingefordert. Ich hoffe, dass in Wien jemand rechnen kann, was realistisch ist. Auch in Griechenland hat man gesehen, dass zu viel sparen nichts bringt", so Holub. Landesrat Christian Ragger (FPÖ) spricht sogar von der "Entmündigung" des Landes Kärnten. "Wenn der Vertrag so unterschrieben wird, dann heißt der heimliche Landeshauptmann von Kärnten in Zukunft Hans Jörg Schelling", so Ragger.

In die prekäre Lage, so die Meinung der Kärntner, hat der Bund das Land mit dem Moratorium gebracht. Seither bekommt Kärnten kein Geld mehr auf dem freien Kapitalmarkt. Eine Alternative zur Bundesfinanzierungsagentur existiert nicht, daher kann der Bund die harten Bedingungen locker diktieren. "Aber es bringt jetzt nichts, fünf Krankenhäuser zu schließen und 1000 Menschen zu entlassen", klagt Landeshauptmann Kaiser.

Apropos Krankenhäuser: Falls eines der Landeskrankenhäuser nicht mehr zu halten ist, dann bietet sich schon ein Retter an. Helmut Samonigg, Schwiegervater von Staatssekretär Harald Mahrer und Betreiber des Krankenhauses in Spittal/Drau, ist zu Übernahmegesprächen für das Wolfsberger Spital bereit. "Ich bin interessiert und ich wäre in der Lage, das Spital in Wolfsberg zu betreiben und mit dem vorhandenen Budget auch noch Investitionen zu tätigen", sagt Samonigg.

Kärnten wird oft mit Griechenland verglichen, und was jetzt gerade passiert, rechtfertigt diesen Vergleich tatsächlich. Beide Länder sind nicht kapitalmarktfähig, kein Anleger borgt ihnen Geld, weil die Gefahr besteht, es nicht zurückzubekommen. "Diese Problematik, dass Kärnten kein Geld mehr auf dem Kapitalmarkt bekommt, ist durch den Bund entstanden, indem er über die Heta ein Schuldenmoratorium verhängte. Anleger befürchten, dass Kärntens Haftungen schlagend werden, und borgen dem Land daher kein Geld. Sie antizipieren einen Zahlungsausfall, der derzeit noch theoretisch ist", erklärt Finanz- und Wirtschaftsprofessor Gottfried Haber.

Kredite gegen Auflagen

Griechenland wendet sich an EU, IWF und Weltbank ("Troika"), damit diese Griechenland Geld borgen und somit vor der Zahlungsunfähigkeit retten. Die Troika verlangt für die Kredite Auflagen – Zinsen, Reformen usw. – also das, worüber zwischen der linken Syriza-Regierung und der EU gestritten wird.

Kärnten wendet sich an den Bund, damit dieser das Bundesland finanziert und vor der Pleite rettet. Heute wird zwischen Landes- und Bundesregierung verhandelt, welche Auflagen Kärnten für die Bundeskredite erfüllen muss.

Der Bund ist Kärntens Troika.

So weit, so schlimm für Kärnten.

"Das Schlimmste", so Haber, "steht jedoch noch bevor und ist noch nicht einmal im Ansatz gelöst." Das sei die Frage: "Was passiert mit Kärnten, wenn die Haftungen schlagend werden?"

Schuldenschnitt

Zur Erinnerung: Finanzminister Hans Jörg Schelling plant einen Schuldenschnitt. Die Abbaugesellschaft Heta sitzt auf 18 Milliarden Bank- und Leasinggeschäften der vormaligen Hypo und versucht, diese zu Geld zu machen. Mit dem Geld soll die Heta die Hypo-Gläubiger auszahlen. Weil die Bundesregierung aber kein Steuergeld mehr zuschießen will, darf die Heta derzeit keine Gläubiger bedienen. Dieses "Zahlungsmoratorium" dauert bis inklusive Mai 2016.

Danach wird die Finanzmarktaufsicht einen Schuldenschnitt verordnen. Die Höhe des Schuldenschnitts bemisst sich danach, wie viel von den elf Milliarden Anleihen, für die Kärnten haftet, von der Heta getilgt werden kann. Der Rest wird den Gläubigern "weggeschnitten". Haber: "Der Schuldenschnitt löst die Haftungen Kärntens aus. Kärnten wird zahlen müssen."

Schelling und Kärnten bauen zwar darauf, dass sich die Gläubiger mit einem Teil des Geldes zufriedengeben werden und auf Klagen verzichten. Haber glaubt das jedoch nicht. "Es gab in den letzten Monaten sicher Hedgefonds, die Hypo-Anleihen aufgekauft haben. Die Hedgefonds klagen sicher."

Darüber hinaus haben viele deutsche Finanzinstitute Klagen angekündigt, laut deutscher Bundesbank sitzen die Deutschen auf sieben Milliarden Hypo-Anleihen. Manche haben Klagen sogar schon eingebracht.

Haftungen ausgelöst

Was passiert, wenn den Gläubigern vom Gericht zuerkannt wird, dass Kärnten zahlen muss? Haber: "Wenn die Haftungen rechtlich halten, muss Kärnten zahlen. Eine Möglichkeit ist, das Land leiht sich das Geld beim Bund und stottert die Schulden über Jahrzehnte ab."

Die Variante, dass sich Kärnten für pleite erklärt, und trotz Gerichtsurteil nicht zahlt, hält Haber für kaum durchführbar: "Wenn das reiche Land Österreich mit seinem soliden Haushalt zuschaut, wie eines seiner Bundesländer Schulden nicht begleicht, würden auch alle anderen Bundesländer aus dem Kapitalmarkt gedrängt. Die Folge davon wäre, dass sich alle Bundesländer – nach dem Muster Kärntens – nur mehr über den Bund finanzieren könnten. Damit würde der Bund erst recht für die Länderschulden haften, was er jetzt formalrechtlich nicht tut. Der Knalleffekt, die Bundesländer aus dem Kapitalmarkt zu drängen, würde für den Bund zum Eigentor."

Kommentare