Mensdorff: Froschschenkel und Schmiergeld

Mensdorff: Froschschenkel und Schmiergeld
Alfons Mensdorff-Pouilly will nie bestochen haben. Er spricht lieber über Jagd und Froschschenkel.

Die Treibjagd ist „Graf Ali“, wie ihn Freunde nennen, gewohnt. Stolz erzählt Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly dem Richter, dass die Jagdwirtschaft quasi seine Erfindung sei. Er habe extra ein Gebäude gebaut, um die „gut zahlenden Jagdgäste“ unterbringen zu können. Nämlich das Schloss im burgenländischen Luising, „das sich der Herr Staatsanwalt so wünscht“ (es wurde eine Art Beschlagnahme beantragt).

Am Mittwoch im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts ist Jagdherr Mensdorff-Pouilly aber selbst das begehrte Ziel: Scheinwerferlichter knallen ihm ins Gesicht, die Fotografen kämpfen um den besten Platz, von dem aus man den ganzen imposanten Mann auf ein Foto bekommt. Samt Hosenbeinen. Die „pfeifen“, wie man auf gut Österreichisch sagt, sind also etwas zu kurz. Das alles nimmt der wegen Geldwäsche Beschuldigte noch souverän hin, erzählt launig von seinen Geschäften mit Froschschenkeln, Wild und Schnecken und beziffert mit dröhnendem Bass sein Jahreseinkommen: 35.000 bis 40.000 Euro.

Der Anklage von Staatsanwalt Michael Radasztics lauscht er mit geneigtem Kopf, als hätte er die Vorwürfe nie zuvor gehört. Aber beim Eröffnungsplädoyer seines Verteidigers („hoffentlich war es nicht zu langweilig“) wird Mensdorff unleidlich. Bremst ihn mit der Hand. Lässt die müden Füße baumeln. Zieht die Mundwinkel nach unten, als Harald Schuster zu Vergleichszwecken so tut, als würde er mit Mensdorff die Bestechung von Kanzler Faymann besprechen. Schaut Hilfe suchend zu seinem zweiten Anwalt Sascha König, den er in der U-Haft kennengelernt hat, wo dieser – inzwischen freigesprochen – wegen Betrugsverdachts gesessen ist.

Gleich am ersten Prozesstag kann Richter Stefan Apostol verkünden, dass ihm das Jagdglück hold gewesen ist. Er hat mithilfe der Kollegen in London den bisher als verschollen gegoltenen Kronzeugen der Anklage aufgetrieben. Und damit sind wir mitten im Prozessthema.

Stumme Angeklagte

Neben Mensdorff und dessen Schulfreund Kurt D., der für den Lobbyisten Geld im Aktenkoffer transportiert haben soll, sitzen laut Staatsanwalt drei Manager des britischen Rüstungskonzerns BAE Systems (vormals British Aerospace) als „stumme Angeklagte“ hier. Sie sollen eine „kriminelle Organisation“ zum Zweck der Bestechung von Entscheidungsträgern gebildet und Mensdorff als Verteiler von 12,6 Millionen Euro Schmiergeld engagiert haben. Der Weg dieses Geldes wurde über Briefkastenfirmen auf den Virgin Islands sowie Stiftungen in Liechtenstein verschleiert, die mit Firmen verschachtelt waren, die Mensdorff zugerechnet werden.

Die Angeklagten behaupten, die Millionen seien in Projekte gesteckt worden. Eines davon habe ein Duma-Abgeordneter betreut, doch konnte man in Russland nur einen Drogenhändler mit diesem Namen finden. Ein anderes Projekt soll in Dubai gelaufen sein. Leider kann der Projektleiter – ein gewisser Herr Hansa – nichts dazu sagen, er ist gestorben.

Ausgepackt

Ebenfalls gestorben ist Mensdorffs Förderer Timothy Landon, ein reicher Abenteurer, der den Lobbyisten an BAE vermittelt hat. Dafür gibt es überraschenderweise eine Zusage von Landons Vermögensberater Mark Cliff, via Videokonferenz im Prozess auszusagen. Der Kronzeuge der Anklage hatte bereits gegenüber den britischen Ermittlern ausgepackt, dass Bestechungsgelder von BAE „auf geheimen Wegen über den Grafen an Begünstigte“ geflossen seien. Wer wann bestochen wurde, kann der Staatsanwalt nicht nachweisen – weshalb Mensdorff eine Anklage wegen Bestechung erspart blieb. Der Graf, der nicht einmal Lobbyist sein will, bekennt sich in keinem Punkt schuldig. Er habe dem Rüstungskonzern sogar von Bestechungszahlungen abgeraten.

Die Anklage

Falschaussage Zu Prozessbeginn dehnte der Staatsanwalt seine Anklage gleich aus: Mensdorff-Pouilly habe im parlamentarischen U-Ausschuss insgesamt drei Mal gelogen, was seine Verflechtungen mit dem Rüstungskonzern BAE betrifft.

Der Hauptvorwurf Geldwäsche ist mit bis zu fünf Jahren Haft bedroht. Mensdorff soll das Schmiergeld in bar abgehoben (oder seinen Mitangeklagten damit beauftragt) und in Europa verteilt haben. Außerdem soll er einen gefälschten Zahlungsbeleg vorgelegt haben.

Fortsetzung am Dienstag

Mensdorff hatte bereits 1992 einen Berater-Vertrag mit dem größten europäischen Rüstungskonzern Europas abgeschlossen, wobei ihm der Ehemann einer seiner Cousinen, Timothy Landon, die Rutsche zu der lukrativen Geschäftsverbindung legte. Landon - ein ehemaliger Geheimagent, der unter dem Beinamen "Weißer Sultan" in den 1970-er Jahren im Arabischen Raum operiert hatte und federführend an einem Staatsstreich in Oman beteiligt gewesen sein soll - entwickelte sich zum Mentor Mensdorffs: Der von BAE Systems anfangs belächelte Graf stieg mithilfe des Millionärs zu einer wesentlichen Stütze für die Briten auf, wobei ihm der Umstand, dass er 1994 die damalige ÖVP-Umwelt- und spätere Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat ehelichte, für Aufbau und Pflege politischer Kontakte und eines weitverzweigten Netzwerkes dienlich gewesen sein dürfte.

Im Rahmen seiner Lobbyisten-Tätigkeit sollte Mensdorff zunächst dafür sorgen, dass bei der Anschaffung von Abfangjägern in Tschechien, Ungarn und Österreich jeweils der von BAE Systems und dem schwedischen Saab-Konzern vermarktete JAS 39 Gripen ausgewählt wurde. Als den Briten aber klar wurde, dass der Konzern mit dem Eurofighter mehr verdienen würde, den BAE-Systems ebenfalls im Angebot hatte, wurde Mensdorff "gebeten, beiseitezutreten und im Prinzip den Eurofighter gewinnen zu lassen", wie ein ranghoher BAE-Manager später der britischen Antikorruptionsbehörde Serious Fraud Office (SFO) berichtete, der nun auch im Wiener Verfahren als Zeuge auftreten soll.

In diesem geht es um insgesamt 12,6 Mio. Euro, die Mensdorff laut Anklage zwischen 2000 bis 2008 unter Zwischenschaltung von Briefkastenfirmen von BAE Systems erhalten und zum Zwecke der Bestechung eingesetzt hat, wobei laut Strafantrag die Geldflüsse mit Scheinverträgen getarnt wurden.

Eine dieser Gesellschaften war etwa die Valurex International SA mit Sitz in Panama, über die Mensdorff jahrelang Berichte an BAE lieferte, um nach außen hin seine Berater-Tätigkeit zu legitimieren. Die Berichte sollen jedoch inhaltsleer und jedenfalls nicht das Geld Wert gewesen sein, das der Graf dafür an Honoraren kassierte. Verfasst haben soll sie der pensionierte Chef der österreichischen Luftwaffe, Josef Bernecker, der im Ruhestand in Mensdorffs Wiener Büro einen Schreibtisch hatte.

Bis zu fünf Jahre Haft

Die Probleme, die sich für Staatsanwalt Radasztics in dem Verfahren ergeben könnten, in dem es für Mensdorff um bis zu fünf Jahre Haft geht: Einerseits dürfte BAE Systems kaum an einer Aufklärung der inkriminierten Vorgänge interessiert sein, zumal der Konzern im Jahr 2010 gegen die Übernahme von Bußzahlungen von umgerechnet 326 Mio. Euro die Einstellung sämtlicher gegen ihn anhängiger Verfahren in Großbritannien und den USA erwirkt hat. Davon profitierte auch Mensdorff-Pouilly, der zu diesem Zeitpunkt in London in U-Haft saß und - nachdem auch die Ermittlungen in England gegen ihn fallen gelassen wurden - im Nachhinein von der britischen Justiz eine Haftentschädigung von 430.000 Euro zugesprochen bekam.

Außerdem sind einige Zeugen, die bei wahrheitsgemäßen Angaben die Darstellung der Wiener Anklagebehörde womöglich stützen hätten können, nicht mehr greifbar: Landon ist bereits 2007 an Lungenkrebs gestorben, Bernecker am Heiligen Abend des Vorjahrs.

Hauptbelastungszeuge aufgetaucht

Ein weiterer Zeuge galt als verschollen, ist aber nun wieder aufegtaucht: Der ehemalige Vermögensberater von Timothy Landon, Mensdorffs Mentor bei BAE Systems, dessen Spur sich im Oman verloren hatte, konnte dank eines Rechtshilfeersuchens an die britische Justiz stellig gemacht werden. Das gab Richter Stefan Apostol am Ende des ersten Verhandlungstags gegen Mensdorff bekannt.

Mark Cliff - ein Steuer- und Finanzberater, der lange Jahre Landon und damit zumindest auch mittelbar BAE Systems gedient hatte - wird im Wiener Verfahren auch als Zeuge aussagen. Er habe sich zu einer Einvernahme im Weg einer Video-Konferenz bereit erklärt, stellte Apostol fest. Wann diese Befragung stattfinden wird, ist noch offen. Klar dürfte allerdings sein, dass das offiziell bis zum 17. Jänner ausgeschriebene Verfahren länger dauern wird. Das ließ Apostol durchblicken, indem er am Rande der Hauptverhandlung von einem "Beweisverfahren in den nächsten Monaten" sprach.

Die Verfügbarkeit von Cliff dürfte vor allem Staatsanwalt Michael Radasztics erfreuen. Cliff hatte gegenüber dem Serious Fraud Office (SFO) - der britischen Anti-Korruptionsbehörde - ausgepackt und die Ermittlungen gegen BAE Systems erst ins Rollen gebracht.

Die Rolle des Kurt D.

Bleibt abzuwarten, ob ausgerechnet der Mitangeklagte im Mensdorff-Prozess gegen seinen Bekannten aus gemeinsamen Schultagen aussagen wird: Kurt D. (61) soll als formaler Geschäftsführer der auf den British Virgin Islands etablierten Brodmann Business SA regelmäßig BAE-Gelder im Auftrag Mensdorffs weiterverteilt bzw. verschoben haben. Mindestens 1,6 Mio. Euro soll D. in bar behoben haben. Wofür die Beträge verwendet wurden, konnte laut Staatsanwaltschaft "nicht aufgeklärt werden".

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