Maut-Streit: "Aug' um Aug', Zahn um Zahn"

Maut-Streit: "Aug' um Aug', Zahn um Zahn"
Die Bundesländer proben den Aufstand: Salzburg und Oberösterreich pochen auf eine „Ausländermaut“.

Die Bundesländer drohen mit Revanche: Sollte Deutschland, wie angekündigt, tatsächlich das viel kritisierte Mautmodell einführen, so plädieren Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) und Oberösterreichs Verkehrslandesrat Reinhold Entholzer (SPÖ) für eine Retourkutsche – ein ähnliches Mautsystem in Österreich nämlich.

"Zeitalter der Raubritter"

Maut-Streit: "Aug' um Aug', Zahn um Zahn"
APA13388840 - 25062013 - SALZBURG - ÖSTERREICH: ZU APA172 II - Der neue Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) bei einem Interview mit der Austria Presse Agentur (APA), am Montag, 24. Juni 2013, in Salzburg. APA-FOTO: BARBARA GINDL
"Dann wird man sicher prüfen, ob ein derartiges System sowohl auf den Autobahnen, als auch am niederrangigen Straßennetz eine Option ist", so Haslauer imÖ1-Morgenjournal – also eine Maut auch auf Bundes- und Landesstraßen, aber faktisch nur für Ausländer. Entholzer: "Dann werden wir wieder in das Zeitalter der Raubritter zurückfallen, werden Ketten spannen und dementsprechend etwas einfordern von denen, die über unsere Straßen fahren."

Der Oberösterreicher verweist sogar auf die Bibel, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen: "Aug' um Aug', Zahn um Zahn – was ich nicht für sinnvoll halte, aber natürlich kann es nicht sein, dass die Österreicher in Deutschland zahlen müssen und umgekehrt die Deutschen ungeschoren davonkommen". Kärntens Landeshauptmann gibt sich da etwas zurückhaltender: "Es gibt unterschiedliche Experten- und auch Politikmeinungen dazu", so Peter Kaiser – er hofft, dass das Modell auf EU-Ebene nicht gestattet wird.

Bund lässt prüfen

Auf Bundesebene gibt man sich abwartend: Man wolle sich alle rechtlichen Schritte offen halten - zwar gelte es zunächst, das Gesetz sobald es vorliegt zu prüfen, aus derzeitiger Sicht sei der Vorschlag aber EU-rechtswidrig, erklärte Bundeskanzler Faymann am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Damit stärkt er Verkehrsministerin Bures den Rücken, die eine derartige Vorgehensweise angekündigt hatte. "Wir werden das nicht augenzwinkernd zur Kenntnis nehmen", so Faymann. "Deutschland spielt gut Fußball, aber hat sich auch an EU-Recht zu halten. Wir lassen uns keine Regelung gefallen, die EU-Recht widerspricht. Das nehmen wir genau unter die Lupe."

Vizekanzler Spindelegger fährt eine ähnliche Linie: Er geht davon aus, dass der deutsche Vorschlag EU-rechtswidrig ist. Aber er möchte nicht den zweiten vor dem ersten Schritt setzen, meinte er bezüglich des Vorstoßes der Bundesländer, auch in Österreich mit den selben Waffen zu kämpfen - auch Faymann ließ offen, ob im Fall des Falles eine ähnliche Lösung in Österreich denkbar wäre. Verkehrsministerin Bures hat sich allerdings bereits gegen die Idee ausgesprochen.

Arbeitsgruppe

Die Länder haben allerdings schon reagiert – für den Ernstfall hat man eine Arbeitsgruppe eingesetzt, bis 2015 untersuchen die Verkehrslandesräte eine flächendeckende Maut. "Wir werden völlig ergebnisoffen prüfen. Das ist eine vernünftige Herangehensweise", so Kaiser auf Ö1.

Auch die Niederländer freuen sich nicht über die deutschen Mautpläne. Der niederländische Automobilclub ANBW - ein Partnerclub des deutschen ADAC - reagiert mit einer Petition. Um dafür Aufmerksamkeit zu erlangen, drehte der ANBW einen Videoclip, in dem man falsche Ordnungshüter ausrücken ließ, die deutschen Urlaubern in Holland Extra-Gebühren für alles mögliche aufs Auge drücken. Begleitet werden sie von einer versteckten Kamera.

Nicht nur das Autofahren ist in dem Video mit einer Deutschen-Steuer belegt. Auch der Hering wird gleich um zehn Euro teurer, wenn der Kunde deutsch spricht. Am Ende gibt's die Aufklärung - alles nur ein Spaß.

Die für 2016 geplante Pkw-Maut auf allen Straßen in Deutschland sorgt in Salzburg für Aufregung und stößt vielerorts auf Kritik. Betroffen sind vor allem jene rund 1.450 Salzburger, die zu ihrer Arbeitsstelle ins angrenzende Bayern pendeln. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bezeichnete die Mautpläne als "krassen Widerspruch zum Europäischen Gedanken" und "weder gerecht noch zeitgemäß".

Das kleine Deutsche Eck, gemeint ist die Strecke von Unken im Pinzgau über Bad Reichenhall in Bayern nach Salzburg, nutzen viele Pinzgauer, um in die Stadt Salzburg zu pendeln. Einer reger "Grenzverkehr" besteht auch zwischen Salzburg und Freilassing, wo Salzburger einkaufen oder auch wohnen, weiters zwischen Salzburg und Bad Reichenhall - dort ist die "Rupertustherme" bei Salzburgern sehr beliebt - sowie zwischen Salzburg und Berchtesgaden - hier befindet sich die ebenso von Salzburgern gerne genutzte "Watzmanntherme" - und zwischen Oberndorf und Laufen. Im Falle einer Vignettenpflicht für alle deutschen Straßen könnten die Gästezahlen aus Österreich in den deutschen Hallenbädern oder Geschäften zurückgehen, meinen Wirtschaftstreibende.

Rachegedanken

Einige Salzburger vermuten einen gewissen Rachegedanken bei den deutschen Nachbarn, wie der Bürgermeister von Wald im Pinzgau, LAbg. Michael Obermoser (ÖVP): "Ich kann mich noch gut an die Diskussionen mit den deutschen Urlaubsgästen erinnern, als in Österreich die Vignette eingeführt wurde. Da hat es geheißen, die Österreicher seien Raubritter. Im Pinzgau wären sicher sehr viele Pendler von den Plänen des deutschen Verkehrsministers betroffen", sagte der Hotelier im Gespräch mit den "Salzburger Nachrichten".

Kein Verständnis für die Pläne Dobrindts hat auch der Salzburger SPÖ-Verkehrssprecher Andreas Haitzer: "Es spricht nichts dagegen, für die Benützung des eigenen Straßennetzes auch eine Gebühr einzuheben. Das ist in vielen Staaten gängige Praxis. Aber diese Regelung gesetzlich so zu verankern, dass nur ausländische Autofahrer zur Kasse gebeten werden, ist ungerecht und widerspricht allen Integrationsabsichten der Europäischen Union. Zuerst torpedierte Deutschland den Airport Salzburg und nun sollen die Autofahrer dran sein, das kann's wohl nicht sein."

"Hier muss eine Lösung her"

Die grenznahen Pendler, "die ohnehin schon die hohen Kosten durch das tägliche Anreisen zum Arbeitsplatz zahlen müssen, wären von der Ausländermaut doppelt betroffen", betonte Haitzer. "Hier muss eine Lösung her", appellierte er sowohl an die Salzburger Landesregierung als auch an die Bundesregierung und die EU.

VCÖ-Experte Markus Gansterer ist jedenfalls überzeugt: "Mit diesem Modell untergräbt Deutschland seine Glaubwürdigkeit als tragende Säule der EU. Die 'Pkw-Maut für Ausländer' ist ein Armutszeugnis für Deutschlands EU-Politik." Der Salzburger Verkehrsexperte Peter Haibach, Sprecher von "Probahn Österreich", kann hingegen den deutschen Plänen Positives abgewinnen. "Die Deutsche Pkw-Maut ist ein Schritt in die richtige Richtung", erklärte er am Dienstag. "Österreich sollte, statt klagen zu wollen, die Chance nutzen und im Windschatten der deutschen Pkw-Maut seinerseits ein Modell für die Bemautung aller Straßen entwickeln, wobei das Schweizer Modell des Roadpricings, also einer kilometerabhängigen Maut, der richtige Ansatz wäre."

Es sei vorstellbar, dass auch andere EU-Staaten sich die deutsche Pkw-Maut zum Vorbild nehmen, meinte Haibach. "Wenn daraus ein Fleckerlteppich an Mautsystemen entsteht, birgt das die Chance in sich, dass ein europaweit geltendes Mautsystem zwangsläufig eingeführt wird." Durch Mauteinnahmen könnte die teils marode Infrastruktur von Straßen, aber auch von Bahnen saniert werden, erklärte der Probahn-Sprecher. "Bisher musste der Steuerzahler dafür aufkommen, jetzt werden die Nutzer stärker zur Kasse gebeten." Der Ansatz, den Inländern die Maut über eine Senkung der Kfz-Steuer rückzuvergüten, dürfte bei knappen Kassen bald wieder zurückgenommen werden, prophezeite Haibach.

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