"Höre oft, ich soll ein bissl brav sein"

"Höre oft, ich soll ein bissl brav sein"
Wiens Vizebürgermeisterin über ihr durchwachsenes Verhältnis zu Michael Häupl.

Sechs Wochen, nachdem die Wiener rot-grüne Koalition wegen der gescheiterten Wahlrechtsreform auf der Kippe stand, kommt der nächste Affront. Es ist ein 10,9 x 19,4 Meter großes Plakat (siehe Foto), das Michael Häupl gar nicht gefallen wird. Wiens Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou lacht gefesselt von einer XXL-Plakatwand runter, rund um die grüne Mary stehen freche Sprüche wie: "Ich soll die Pappn halten, wenn der Michi spricht." Eine Brüskierung für die Wiener SPÖ? Oder nur eine Karikatur? Welche Botschaft dahintersteckt, verrät Vassilakou im KURIER-Interview.

KURIER: Frau Vassilakou, Sie lachen gefesselt von der Plakatwand. Ist das Ihr Gefühlszustand in der rot-grünen Koalition?

Maria Vassilakou: (lacht). Nein. Das ist ja mehr eine öffentliche Karikatur. Ich wollte auf humorvolle Weise zeigen, mit welchen Stereotypen ich so konfrontiert bin. Aber das gilt nicht für mich alleine, das geht anderen Frauen in der Arbeitswelt ähnlich.

Wenn es um ein allgemeines Frauenbild geht, warum bringen Sie dann Michael Häupl mit frechen Slogans ins Spiel?

"Höre oft, ich soll ein bissl brav sein"
Die Slogans beziehen sich darauf, wie meine Rolle in der Regierung von einigen gesehen wird. Ja, ich bin eine sehr unangepasste, eine sehr lästige Politikerin. Ich scheue nicht davor zurück, anzuecken. Deswegen bin ich immer wieder mit der Aufforderung konfrontiert, ich soll vom Gas gehen oder ich höre, ich soll ein bissl brav sein.

Von wem? Vom Bürgermeister?

Das bezieht sich weiß Gott nicht auf den Bürgermeister, sondern auf eine Stimmung, die mir in den letzten Jahren entgegengeschlagen ist.

Sie glauben, Michael Häupl wird das Plakat tatsächlich auch so locker sehen?

Das Plakat ist für jeden Betrachter frei zu interpretieren. Aber nachdem ich weiß, dass er viel Humor hat, gehe ich davon aus, dass ihm der Humor wegen so eines Plakates nicht ausgegangen ist.

Verlangt der rote Machtapparat in Wien von Ihnen manchmal, die "Pappn" zu halten?

Jeder Mensch, der etwas verändern will, löst Kontroversen aus und kämpft gegen Machtapparate.

Versuchen Sie jetzt nicht auszuweichen, um dem nächsten Konflikt mit der SPÖ auszuweichen?

"Höre oft, ich soll ein bissl brav sein"
Wollen Sie es ehrlich wissen? Das ist deswegen, weil es mir relativ egal ist. Ja, die SPÖ ist eine Partei, die seit Jahrzehnten in der Stadt regiert. Sie ist eine Partei, die deshalb auch in vielen Bereichen Elan verloren, Lust auf Neues eingebüßt hat, bequem wurde, und die auch davor nicht zurückscheut, dann und wann die Macht zu missbrauchen. Das ist so. Nur halte ich es umgekehrt auch für schade, meine Energie ununterbrochen daran abzuarbeiten. Ich finde, wer etwas verändern will, muss auch gegen die vermeintliche Allmacht der SPÖ seinen Weg gehen.

Ist das Plakat eine Art Retourkutsche für das Überlaufen von Gemeinderat Senol Akkilic?

Nein, die Entscheidung ist schon früher gefallen. Aber natürlich wird manche Interpretation im Lichte dieses Abwerbens erfolgen.

Sie haben nach dem Überlaufen entschieden, nicht die Koalition zu verlassen. Bereuen Sie es mittlerweile, die ,Krot‘ schlucken zu müssen? Die SPÖ blockiert Ihr Ringstraßen-Projekt?

In Wahlkampfzeiten taucht dieser Reflex immer wieder auf. Ich sage es gleich, ich werde bei diesem traurigen Spiel des reflexhaften Neinsagens nicht mitmachen. Aber klar hatte ich mir selber vor sechs Wochen die Frage zu stellen, woher ich den Willen nehme, weiterzumachen, wenn der Koalitionspartner den schlimmsten Verrat begangen hat. Ich habe die Krot geschluckt, weil ich nicht aus verletztem Stolz die Möglichkeit weiterzuarbeiten zum Fenster hinauswerfen werde.

Wäre es nicht die "grünere" Haltung gewesen, die Koalition zu verlassen?

Das ist eine schöne Frage: Was ist die grünere Haltung?

Sich nicht alles gefallen zu lassen, um an der Macht zu bleiben.

Wir haben es aber nicht mit einer Situation zu tun, wo man sich alles gefallen lassen musste.

Sie sprechen vom größten Vertrauensbruch. Diese Verletzung reicht noch nicht?

Das war sicher nicht die erste und die letzte Verletzung. Aber Grün bedeutet, nicht das Handtuch zu werfen. Vielleicht hat es nicht allein mit Grün zu tun, sondern nur mit mir. Wer regieren will, darf keine Mimose sein. Regieren bedeutet auch, mit Verrat im manchen Momenten umgehen zu müssen. Verloren hat nur, wer sich geschlagen gibt.

Geben Sie sich deswegen so einsichtig, um sich nicht eine Koalition mit der SPÖ zu verbauen?

Eine weitere Koalition mit der SPÖ ist alles andere als ausgemacht. Aber ich gehe von einer hohen Wahrscheinlichkeit aus. Entscheidend wird sein, dass die Grünen ein sehr gutes Wahlergebnis haben. Ich denke 14 bis 16 Prozent sind realistisch.

Ist nicht die wichtigere Voraussetzung für eine Koalition ein gutes Verhältnis zu Michael Häupl? Das war Ihr Erfolgsgeheimnis vor fünf Jahren.

Das behauptet man, das habe ich auch schon gehört. Ich warne davor, das Ganze zu verklären. Michael Häupl und ich waren vor den letzten Wahlen keine persönlichen Freunde. Aber was uns eint: Wir schätzen beide einen guten Schmäh. Wir konnten während der Regierungszeit lachen, und wir können es immer noch. Und wir haben immer noch die Fähigkeit Probleme zu lösen.

Sie haben Michael Häupl den Eklat um das Wahlrecht verziehen. Haben Sie auch Senol Akkilic vergeben?

Ich mag den Ausdruck Vergebung nicht, weil er mir zu religiös ist. Fakt ist, dass meine Enttäuschung in den letzten Tagen gewachsen ist.

Warum?

In den letzten 20 Jahren habe ich Senol Akkilic als unglaublich kritischen Geist gegenüber den Schwächen der SPÖ-Integrationspolitik erlebt. Intern hatten wir immer wieder Schwierigkeiten, Akkilic auf Koalitionskurs zu halten. Wenn dann just er, nach dem Überlaufen in diesen Fragen der SPÖ einen Persilschein ausstellt, dann ist das echt enttäuschend.

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