Manipulationsgerüchte im Faktencheck

Jede Partei kann Beisitzer schicken, die über die Auszählung wachen.
FPÖ schürt weiter Zweifel an Hofburg-Stichwahl. Der KURIER ging den Vorhalten nach.

"Viele Fragen bleiben offen" postete FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Mittwoch auf Facebook und feuerte mit einer Aufstellung sogenannter "Ungereimtheiten" erneut Verschwörungstheorien rund um die Bundespräsidentenstichwahl an. Robert Stein, Wahlleiter des Innenministeriums, klärt über die Briefwahl auf:

Mehr als 850.000 Wahlkarten wurden beantragt. Warum sind statt den prognostizierten rund 740.000 dann doch 766.076 retourgekommen?
"Ich habe mich verschätzt", gesteht Robert Stein ein. Die Wahlkarten kommen üblicherweise per Post direkt zur zuständigen Bezirkswahlbehörde. Wenn die Karten stattdessen in einem Wahllokal abgeben werden, werden die Kuverts bis spätestens Montag an die zuständige Behörde weitergeleitet. Das waren laut Stein eben viel mehr als erwartet.

Wie kam man auf die unrealistisch hohen Wahlbeteiligungen in Waidhofen an der Ybbs und in Linz?
In Waidhofen durch einen Abschreibfehler: Anstatt die Briefwahlstimmen gesondert anzugeben, war die Zahl mit den Urnenstimmen von Sonntag addiert worden. So kam man auf eine Wahlbeteiligung von 147 Prozent. In Linz wurden die Ergebnisse der mobilen Kommissionen vermischt und als Sondersprengel bezeichnet. Das ergab dann 598 Prozent. Auf den Wahlausgang hatte das aber keinen Einfluss.

Warum dürfen die Briefwahlstimmen erst am Montag ausgezählt werden?
Per Gesetz muss eine beschlussfähige Kommission die Auszählung vornehmen. "Und weil man nicht will, dass Beamte das in der Nacht unbeaufsichtigt machen, nachdem sie schon stundenlang die Urnenstimmen ausgezählt haben, verschiebt man es auf den nächsten Morgen", erklärt Stein. Die Auszählung startet in ganz Österreich um punkt 9 Uhr – keine Minute früher oder später. In Villach (siehe unten) besteht der Verdacht, dass das nicht eingehalten wurde.

Wie stellt man bei der Briefwahl die Anonymität sicher, wenn das Kuvert doch mit dem Absender beschriftet ist?
Auch deshalb sieht das Gesetz eine Kommission und den strengen Termin vor, erklärt Stein: "Die Kuverts müssen unter Aufsicht anonymisiert werden." Zuerst werden die Briefkuverts aufgeschnitten und die Wahlkarten zusammengefaltet in neutrale Kuverts umgesteckt. Diese werden in einem Bottich gesammelt und erst dann wie üblich ausgezählt.

Ist die Anonymität auch beim Ankreuzen gewährleistet – zum Beispiel bei älteren Personen im Pflegeheim?
"Wenn man das Gesetz einhält, ist es wasserdicht", sagt Stein. Demnach muss der Postbote den eingeschriebenen Brief mit der Wahlkarte direkt ans Krankenbett bringen. Kann die Person die Wahlkarte nicht selbst ausfüllen, muss sie vor der fliegenden Wahlbehörde (diese kommt auf Anfrage in jedes Heim) entweder mit einem Ja oder einem Nicken eine Vertrauensperson bestätigen. Einfach so einen Pfleger ankreuzen lassen, ist gegen das Gesetz. "Und das kann angezeigt werden", sagt Stein. Dem Wahlleiter ist aber kein Fall bekannt, indem sich der Verdacht verdichten hat lassen.

Wer schaut den Auszählern auf die Finger?
Jede der österreichweit 113 Bezirkswahlbehörden stellt eine Kommission zusammen, die aus einem Bezirkswahlleiter und neun Beisitzern plus Ersatzbeisitzern besteht. Jede Partei, die im Nationalrat vertreten ist, kann Beisitzer nominieren.

Kann oder muss jede Partei Beisitzer stellen?
Sie muss nicht, aber es wäre in ihrem Interesse, mitzukontrollieren. Die SPÖ soll hier sehr aktiv sein, während der FPÖ, aber auch den Grünen, immer wieder vorgeworfen wird, in einigen Sprengeln wenig bis gar nicht vertreten zu sein. Der Vorwurf ist nicht quantifizierbar: Eine Aufstellung nach Parteien führt die Wahlbehörde nicht.

Was kann noch schiefgehen bei der Briefwahl?
"Es gab Einzelfälle, in denen die eingeschriebenen Briefe auf dem Postweg verschwunden sind. Die Adressaten konnten dann nicht wählen", erzählt Stein.

Wann kann eine Wahl angefochten werden?
"Anfechten kann man immer, aber Aussicht auf Erfolg hat das nur, wenn eine Rechtswidrigkeit vorliegt und diese einen Einfluss auf das Wahlergebnis hat", erklärt Stein. Wie groß dieser Einfluss sein muss, entscheidet der Verfassungsgerichtshof.

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