Lindner: Wird wilde Abgeordnete zur lahmen Ente?

Monika Lindner 2006 als ORF-Chefin im Parlament.
Ein Mitarbeiter, ein Zimmer, kaum Rechte: Was Monika Lindner im Parlament erwartet.

Noch sitzt sie gar nicht im Parlament. Doch schon jetzt lässt die frühere ORF-Chefin Monika Lindner die Wogen hochgehen. Nach der Ankündigung, ihr Mandat trotz Bruch mit dem Team Stronach anzunehmen, hagelt es Kritik: Die SPÖ spricht von „Wählertäuschung“, Frank Stronach ist „enttäuscht“, und Kathrin Nachbaur fordert Lindner auf, zumindest auf ihre ORF-Pension (rund 7000 Euro) zu verzichten.

Doch was kann Lindner als wilde Abgeordnete ohne Klub bewegen? „Ich habe mich ohne Klubzwang freier gefühlt“, sagt Josef Buchner, der 1987 aus dem grünen Parlamentsklub ausgeschlossen wurde. Gegen fehlende Strukturen (kein Büro, etc.) protestierte er einst in einer legendären Pressekonferenz in der Säulenhalle des Parlaments – mit Erfolg. Die einzige Chance, etwas zu bewegen, sei, sich häufig zu melden: „Ich habe mindestens eine Pressekonferenz gehalten pro Woche.“ So habe er sich als überparteilicher Umweltexperte positioniert.

„Das Abstimmungsverhalten wird einem nicht per Tischvorlage vorgeschrieben, man kann Anträge unterstützen, die einem sinnvoll erscheinen“, sieht auch Gerhard Köfer einen Vorteil. Er trat 2012 aus der SPÖ aus, wurde wilder Abgeordneter, wechselte dann zum Team Stronach. Mittlerweile stehe einem als Abgeordneter ohne Mitstreiter zwar ein Büro und ein Mitarbeiter zu: „Aber es fehlt der Rückhalt des Klubs, ein Jurist, ein Klubsekretär, etc.“

„Ein wilder Abgeordneter kann ohne Unterstützer keine schriftlichen Anfragen an die Regierung einbringen, keine Anträge und aktuellen Stunden im Parlament einberufen und kann in Ausschüssen nur Zuschauer sein“, nennt Werner Zögernitz, Leiter des Instituts für Parlamentarismus, weitere Nachteile. „Lindner hat wirklich wenige Möglichkeiten.“

Und Robert Lugar, einst selbst wilder Abgeordneter beim Team Stronach und mit ein Grund für Lindners Ausscheiden, ätzt: „Wenn man die Funktion als Ausgedinge betrachtet und sich mit der Teilnahme an zwei Parlamentssitzungen pro Monat begnügt, hat man eher wenig zu tun. Das wird bei Lindner eher so sein.“

Als "wilde" Abgeordnete wird sich die frühere ORF-Generaldirektorin Monika Lindner auf einer eher kurzen Liste wiederfinden: Seit 1945 gab es nur 30 fraktionslose Abgeordnete, wie das Parlament für die APA erhoben hat. Ohne Klub waren sie teils freiwillig, teils unfreiwillig, der eine länger, der andere nur kurz. Das Team Stronach, auf dessen Liste Lindner gestanden ist, ist in seiner Geschichte selbst mit "wilden" Abgeordneten verbunden.

Im August 2012 wechselten die damals "wilden" Mandatare Erich Tadler und Robert Lugar zum Team Stronach. Beide hatten bei der Wahl 2008 für das BZÖ kandidiert. Der Salzburger Tadler hatte sich im Jänner 2010 mit dem BZÖ-Klub zerstritten und wurde daraufhin ausgeschlossen. Lugars Wechsel in die Fraktionslosigkeit erfolgte im September 2011. Der erste Abgeordnete, der sich zum Team Stronach bekannt hatte, war aber Gerhard Köfer. Nach fast sechs Jahren im SPÖ-Klub trat er im August 2012 aus, dem später gegründeten Stronach-Klub trat er aber nicht bei, sondern blieb bis zu seinem Ausscheiden aus dem Hohen Haus im März offiziell fraktionslos.

Eine Parallele dazu weist die Geschichte von drei weiteren "wilden" Abgeordneten auf: Wie später Frank Stronach hat 1999 Baumeister Richard Lugner nach Abgeordneten gefischt, um sich das Sammeln von Unterstützungserklärungen für die Nationalrastwahl zu sparen: In letzter Minute konnte er tatsächlich drei überzeugen, nämlich Heinz Anton Marolt, Elfriede Madl und Anton Blünegger aus dem blauen Lager. Die drei waren dann zwischen August und Oktober 1999 fraktionslos. Dann war's das - die "Unabhängigen" gingen mit 1,02 Prozent unter.

Der prominenteste "Wilde" ist wohl nach wie vor der seinerzeitige ÖGB-Präsident und Innenminister Franz Olah. Er gehörte von 1948 bis 1966 dem Nationalrat an, davon ab 3. November 1964 - als Folge seines Parteiausschlusses, von seinen sämtlichen Funktionen war er bereits einige Tage zuvor zurückgetreten - als freier Abgeordneter. Die Vorwürfe gegen Olah betrafen u.a. ungenehmigte Finanztransaktionen im Zusammenhang mit der Gründung der Kronen Zeitung während seiner Tätigkeit als ÖGB-Präsident. Wegen Untreue verurteilt hatte er von Oktober 1970 bis Mai 1971 eine Haftstrafe zu verbüßen. Bei den Wahlen 1966 kandidierte Olah mit der von ihm gegründeten "Demokratischen Fortschrittlichen Partei" (DFP), konnte aber mit knapp 150.000 Stimmen kein Grundmandat erringen.

Mit großem Aufsehen verbunden war auch die Causa Peter Rosenstingl. Mit ihm gab es ab Mai 1998 erstmals einen flüchtigen, bzw. dann in brasilianischer Auslieferungshaft sitzenden "wilden" Abgeordneten. Nach seiner Flucht hatte ihn die FPÖ wegen des von ihm hinterlassenen Finanzdebakels am 7. Mai aus der Partei ausgeschlossen, die Klubzugehörigkeit wurde ihm am 11. Mai aberkannt. Rosenstingl wurde - ein weiteres Novum im österreichischen Parlamentarismus - vom Verfassungsgerichtshof mit Wirkung vom 1. Oktober 1998 das Mandat aberkannt.

Probleme hatten die Freiheitlichen auch mit Werner Königshofer: Er wurde im Juli 2011 aus der FPÖ geworfen, weil er das Massaker auf der norwegischen Insel Utoya mit der Fristenlösung in Zusammenhang gebracht und es gegenüber islamistisch motivierten Gewaltverbrechen heruntergespielt hatte. Zunächst weigerte er sich, sein Mandat zurückzulegen und blieb ein "Wilder". Im Oktober 2011 trat er dann aber doch zurück - "aus gesundheitlichen Gründen", wie er damals sagte.

Mit unpassenden Wortmeldungen musste sich auch die ÖVP herumschlagen: Der VP-Abgeordnete Paul Burgstaller sorgte im August 1993 für einen Skandal, weil er im Ausschuss für innere Angelegenheiten gegenüber der grünen Mandatarin Terezija Stoisits gemeint haben soll, sie solle das Mikrofon in den Mund nehmen und fest daran lutschen. Burgstaller bestritt das zwar, verließ aber die ÖVP in Folge der Causa. Bis zum Ende der Legislaturperiode im November 1994 blieb er aber als "wilder" Mandatar im Nationalrat.

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