Leitl: "Sind mit China im Wettbewerb der Systeme"

Am Anfang jedes guten Geschäfts steht das Kennenlernen: Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl beim Visitenkarten-Austausch in China
Wirtschaftskammer-Chef Leitl zieht Bilanz des gemeinsamen Staatsbesuchs mit Präsident Fischer.

Herr Präsident Leitl, Sie waren wiederholt in China. Was war diesmal anders?

Christoph Leitl: Das Land ist professioneller geworden. Man ist nach wie vor freundlich, aber zielgerichteter. Man kommt direkt und konkreter zum Punkt. Das Land hat sich auch in seinem Auftreten radikal geändert. Ich war bei einem Treffen der zehn wichtigsten Generaldirektoren Chinas und zehn wichtiger Firmenchefs aus der ganzen Welt. Dort ist eine beeindruckende Zahl genannt worden: Vor zehn Jahren war Chinas Wirtschaftskraft schwächer als die von Italien. Heute ist sie so stark wie die von Deutschland, Italien und England zusammen. In zehn Jahren wird sie die USA überholt haben.

Was heißt das für Österreichs Handelsbeziehung mit China?

Die Zeit des billigen Jakobs ist auf Sicht vorbei. China ist zunehmend an Produkten und Dienstleistungen interessiert, wo wir viel zu bieten haben: Von erneuerbarer Energie bis zu Design und Architektur, von der Gesundheitsversorgung bis zur Infrastruktur.

Die USA sehen Chinas Politik, verstärkt mit Europa zu kooperieren, sehr kritisch. Sie warnen davor, sich politisch missbrauchen zu lassen. Zu Recht?

Wir leben in einer Welt des Wettbewerbs. Es hindert niemand jemanden, auch so eine Initiative zu setzen wie die Chinesen mit ihrer Seidenstraßeninitiative oder der Gründung der "Asiatischen Infrastrukturinvestitionsbank" AIIB.

Die nun von China propagierte "Seidenstraßeninitiative" wurde aber erstmals von US-Außenministerin Hillary Clinton als Idee in die Welt gesetzt.

Konkurrenz gibt es nicht nur in der Wirtschaft sondern auch in der Welt der Politik. Wer nicht immer mit der Einfuhr der Ernte zeitgleich auch wieder sät, wird bei der nächsten Ernte nicht mehr dabei sein. Daher muss man in China permanent dranbleiben. Gott sei Dank sind die Chinesen und Österreicher in der Wirtschaftsphilosophie einander sehr ähnlich. Beide denken nachhaltig. Ich habe daher überall Applaus bekommen, wo ich mich über die Schäden, die die Finanzindustrie angerichtet hat, kritisch geäußert habe. Die Chinesen werden im Rahmen der G20 ihren Einfluss auch hier geltend machen. Schließlich werden fünfzehn Prozent des Welthandels bereits in der chinesischen Währung Renminbi abgewickelt. Wenn China noch stärkeres Gewicht hat, wird das daher der Welt gut- und nicht schlechttun.

Was kann Österreich insgesamt von den Chinesen lernen?

Geduld, aber vor allem Optimismus. Die Chinesen sind hungrig, wir Europäer sind selbstzufrieden. Wir dürfen nicht vergessen: Wir befinden uns auch in einem Wettbewerb der Systeme. Die Chinesen müssen lernen, dass ihr System auf Dauer nur überleben kann, wenn es auch demokratisch unterfüttert wird. Das Tempo, in dem hier Entscheidungen getroffen werden, ist aber auch eine Herausforderung für unsere Demokratie. Wir müssen daher lernen, dass sich eine Demokratie nicht durch Lähmung und gegenseitige Blockade auf Dauer selbst untergraben darf.

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