Heinisch will Dienstrecht mit ÖVP-Sanktus abschließen

Letzter Versuch von Heinisch, Faymann und Spindelegger, den Sanktus von Beamtenboss Neugebauer zum Dienstrecht zu bekommen.
Lehrer: Scheitert letzter Kompromissversuch mit Gewerkschaft, soll Gesetz beschlossen werden.

Seit 2001 hat es jede Regierung versprochen. So auch die vor fünf Jahren angelobte: ein neues Lehrerdienstrecht. Zustande gebracht haben es Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger nicht – vor der Wahl. Und so wollen sie es jetzt, als „Übergangsregierung“ (Faymann) schaffen. Noch vor Weihnachten sollen die Gehalts- und Dienstregeln für künftige Pädagogen im Ministerrat beschlossen werden, hernach (wegen des Fristenlaufs damit erst Anfang 2014) im Nationalrat.

Wer soll ob der vielen Ankündigungen glauben, dass es nun etwas wird? Tatsächlich haben sich die Voraussetzungen geändert. Die Lehrer-Reform war Sinnbild für den rot-schwarzen Stillstand – und dafür, wie sich die ÖVP von den Neugebauers in ihren Reihen blockieren lässt. Vom Nichtsweiterbringer-Image wollen Rote und Schwarze weg. Da bietet sich die Dienstrechtsreform an; sie wäre ein gutes Entree für einen koalitionären Bund neuen Stils.

Klein-Klein statt Großes

Wie wollen die Regierenden die Standesvertreter für das Vorhaben gewinnen, mit denen sie in 33 Verhandlungsrunden nicht handelseins geworden sind? Einmal versuchen sie es noch. „Ein Termin wird koordiniert“, heißt es im Beamtenministerium von Gabriele Heinisch-Hosek. Sie hat mit Noch-Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Noch-Finanzministerin Maria Fekter den Erstentwurf für das neue Dienstrecht ob des Widerstands der Gewerkschafter entschärft. Diesen missfiel auch die modifizierte Variante. Und so ließen sie die Ressortchefinnen ohne Sanktus der Standesvertreter von Betroffenen und Experten bewerten; 1800, großteils kritische, Stellungnahmen gingen ein. Viel ändern wollen die Regierenden dennoch nicht. „Es wird technische und kleine inhaltliche Anpassungen geben“, verlautet aus Heinischs Büro. Die „Eckpfeiler“ blieben (siehe unten). Andernorts ist von diesem Kompromissangebot die Rede: AHS-Oberstufen-Pädagogen könnten von der höheren Lehrpflicht ausgenommen werden: weil sie ja auch mit der neuen, aufwendigeren Matura und dem Kurssystem beschäftigt seien.

Geheimgespräche

Abseits der Öffentlichkeit wird schon Überzeugungsarbeit geleistet. Mit dem schwarzen Beamtenboss Fritz Neugebauer wird diskret parliert. Lehrergewerkschaftschef Paul Kimberger hat sich in Salzburg mit Landeshauptmann Wilfried Haslauer getroffen; der verhandelt im Auftrag von ÖVP-Obmann Michael Spindelegger eine Schulreform für die künftige Koalition. Er trachtet wohl ebenfalls danach, Kimbergers Widerstand gegen das Dienstrecht zu brechen; auch mit dem Argument, die Betoniererei schade dem Lehrerstand.

Was passiert, wenn das nicht fruchtet? Bleibt alles wie gehabt? Oder beschließen Rote und Schwarze die Reform, obwohl sie von den Standesvertretern nicht gutgeheißen wird? Die SPÖ hatte das vor der Wahl angedacht; die ÖVP war dagegen. Sie wollte es sich mit Neugebauer und seiner Klientel nicht verscherzen. Jetzt ist es für manche Schwarze vorstellbar. „Solch ein Projekt muss man gleich nach der Wahl durchziehen“, heißt es.

Ein nicht risikoloses Unterfangen: Im SPÖ-Parlamentsklub sind auch Gewerkschafter, im ÖVP-Klub Vertreter des ÖAAB. „Da ist dann die Frage: Ist ihnen dieses Hemd näher als der Regierungsrock?“

Wie würde die Gewerkschaft reagieren, wenn SPÖ und ÖVP die Sache durchziehen? „Sollte die Regierung von der bewährten sozialpartnerschaftlichen Praxis abgehen, muss sie sich auch über die Konsequenzen im Klaren sein“, sagt Kimberger dem KURIER. „Die Gewerkschaft wird sich immer alle Möglichkeiten offenhalten.“

Was steht im Entwurf?

Mit 2420 € ist die Einstiegsgage höher als derzeit, dafür gibt es weniger Gehaltssprünge und ein niedrigeres Einkommen am Ende der Karriere. Derzeit haben Pädagogen eine Lehrpflicht von18 bis 22 Stunden pro Woche. Künftig sollen es generell 24 sein – mit Ausnahmen (etwa für Klassenvorstände). Es gibt Zulagen für einige Fächer und für den Schuldirektor. Das Dienstrecht gilt für alle neuen Lehrer erst ab 2019/2020, Junglehrer können aber schon davor vom alten ins neue Dienstrecht wechseln. Junglehrer bekommen Mentoren beigestellt.

Was sagt die Gewerkschaft?

In den Stellungnahmen wird der Entwurf „abgelehnt“ (BMHS), er sei „inakzeptabel“ (AHS). Die Reform sei eine „Nivellierung nach unten um jeden Preis“. Durch eine höhere Arbeitszeit würden12.000 bis 14.000 Posten wegfallen, sagen die Standesvertreter. „Verluste im Laufe des Berufslebens von weit über einer halben Millionen Euro“ drohten. Zudem könnten Lehrer künftig an jeder Schule eingesetzt werden – auch wenn sie dem nicht zustimmen. Ob es mehr Hilfskräfte (Sekretäre, Psychologen) an den Schulen geben wird, bleibe offen.

Die Sensation ging in der simplen Botschaft „Neue Regierung soll vor Weihnachten stehen“ unter: Die alte Regierung will freiwillig nachsitzen. Rot und Schwarz versprechen, vor einem Neustart jene Hausaufgabe nachzuliefern, die sie fünf Jahre unerledigt vor sich hergeschoben haben.

Auch wenn das Wort bald keiner mehr hören kann: Das Lehrer-Dienstrecht soll noch vor Unterzeichnung eines neuen Koalitionsvertrags einvernehmlich Richtung Parlament durchgewunken werden. Fünf Jahre lang ist das an der gegenseitigen Blockade gescheitert und so zum Symbol für den Stillstand geworden.

Die ÖVP schwankte bis zur Unkenntlichkeit zwischen vollmundigen Schulreform-Ansagen und kleinmütigem Einknicken vor der schwarz dominierten Lehrergewerkschaft. Die SPÖ ließ die eigene Ministerin schon beim ersten Widerstand am Start des Kabinetts Faymann I im Regen stehen. Den Rest der Legislaturperiode bestritten beide mit lähmenden Schuldzuweisungen.

Die glücklose Claudia Schmied taugt künftig für niemandem mehr als Sündenbock. Sie wird nicht mehr am Verhandlungstisch sitzen. Das Lehrerdienstrecht wird so zum Testfall für den neuen Stil der alten Regierung: Setzt sie – im Notfall auch gegen Widerstand der Beamtengewerkschaft – neue Gehälter und Arbeitszeiten durch, die den Weg zu modernen Schulen mit verschränktem Ganztagesunterricht frei machen – oder wird die Reform so verwässert, dass sie im Schulalltag weiterhin nichts ändert.

Der freiwillige Nachzipf in der Schulpolitik ist ein mutiges Unterfangen von Faymann und Spindelegger. Fällt die Regierung alt dabei durch, braucht sie als Regierung neu gar nicht mehr anzutreten.

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