Kurz: "Wir haben die Kontrolle verloren"

Sebastian Kurz: "Es wäre nur ein Placebo".
Sebastian Kurz hat den EU-Außenministern den österreichischen Regierungsplan gegen illegale Migration präsentiert.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat seinen EU-Amtskollegen heute in Luxemburg den österreichischen Plan gegen illegale Migration vorgestellt und dabei nach seinen Aussagen "sehr viel Rückendeckung" bekommen, sagte Kurz im Anschluss an das Treffen.

Den Plan gegen illegale Migration hat Kurz mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) abgesprochen. Die derzeitige Lösung sei nicht zufriedenstellend. "Wir haben die Kontrolle verloren", sagte Kurz im Vorfeld des Treffens in Luxemburg. Die österreichische Regierung ziehe in der Frage der Migration an einem Strang. "Wir sind der Meinung, dass es dringend eine europäische Lösung braucht. Solange es die nicht gibt, müssen wir in Österreich nationale Maßnahmen setzen", betonte Kurz.

"Das derzeitige System funktioniert nicht"

Der Plan der drei Minister sieht vor, dass Migranten, die illegal auf Inseln oder europäisches Festland kommen, künftig nicht mehr weiterreisen können. Sie sollen in "Asyl-und Migrationszentren" in Drittstaaten etwa in Afrika zurückgeschickt werden. Diese Zentren sollen von der EU und dem Flüchtlingshochkommissariat UNHCR gemeinsam betrieben werden. Gleichzeitig soll die Hilfe vor Ort ausgebaut und legale Wege nach Europa geschaffen werden. "Wenn uns das gelingt, werden wir wieder Kontrolle über die Zuwanderung erlangen", hofft Kurz. Nicht die Schlepper dürften entscheiden, wer nach Europa kommt, sondern die Europäische Union. Der österreichische Vorschlag finde auch in anderen Ländern Gehör. "Wenn man im Detail diskutiert, verspüre ich eigentlich bei fast allen meiner Gesprächspartner Verständnis dafür, dass das derzeitige System nicht funktioniert", so Kurz. Er habe gestern Abend auch ein "gutes Gespräch" mit dem Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, geführt, der im Zugang "sehr nahe bei uns ist", sagte der Außenminister. Es gebe aber "Reizworte, wo schnell Ablehnung kommt", räumte Kurz in Anspielung auf Australien ein.

"Das, was in der Türkei und Griechenland möglich ist, muss auch mit Italien und Libyen möglich sein", so Kurz. Griechenland stoppe derzeit illegale Flüchtlinge und Migranten an der Außengrenze, lasse sie von Lesbos und den andern Inseln nicht auf das Festland reisen, sondern versuche, sie in die Türkei zurückzustellen. "Das alleine hat bewirkt, dass sich wesentlich weniger Menschen aus der Türkei nach Griechenland auf den Weg gemacht haben und es sterben dort auch weniger", meinte der Außenminister.

Kurz wünscht sich das auch in Italien am Brenner. Italien habe zwar die Kontrollen verstärkt, der Zustrom sei aber nach wie vor zu hoch. Bisher seien heuer rund 25.000 Menschen in Österreich angekommen - eine "viel zu hohe Zahl für die ersten sechs Monate". "Insofern braucht es hier ein Ende des Weiterwinkens", fordert Kurz.

Libyen, wo der überwiegende Großteil der Flüchtlingsboote startet, hat allerdings bereits klargestellt, nicht wie die Türkei, Schutzsuchende aus Europa zurücknehmen zu wollen. "Wir werden nicht akzeptieren, dass die EU Migranten zu uns zurückschickt", sagte der Chef der neuen "Regierung der Nationalen Einheit", Fayez Sarraj Anfang Juni. "Europa muss Wege finden, sie in ihre Heimatländer zurückzubringen. Sie können nicht bei uns leben."

"Migration ist das Thema des 21. Jahrhunderts"

Kurz sorgte Anfang Juni mit Internierungsideen für Aufregung und nannte das australische Modell als Vorbild. Die australische Regierung verfolgt seit rund zwei Jahren eine sehr restriktive Asylpolitik. Boote mit illegalen Migranten werden regelmäßig auf hoher See abgefangen und zur Umkehr gezwungen oder die Bootsflüchtlinge auf Inseln interniert. Auf den Vorhalt, er wolle Flüchtlinge internieren, sagte Kurz am gestrigen Sonntagabend in der ORF-Diskussion "Im Zentrum", seine Aussagen seien medial zugespitzt worden. EU-Kommissar Johannes Hahn, der heute ebenfalls an dem Außenminister-Treffen teilnimmt, hob die Wichtigkeit des Themas hervor: "Migration ist das Thema des 21. Jahrhunderts", sagte der Nachbarschaft- und Erweiterungskommissar. Insofern sei es wichtig, dass Kurz dieses Thema mit anderen auf die Tagesordnung gebracht habe.

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