"Angst vor Entscheidungen erhöht Kosten"

Techniker mit Mediations-Ausbildung vor Referenz-Projekt Wirtschafts-Uni: „Qualität der Technik-Ausbildung wird immer schlechter. Das schlägt aufs Geschäft durch"
Warum das 500-Millionen-Projekt der neuen Wirtschafts-Uni skandalfrei blieb und was daraus zu lernen ist.
"Angst vor Entscheidungen erhöht Kosten"
KURIER: Herr Gobiet, Ihr Unternehmen war führend am Bau-Management der neuen Wirtschafts-Uni im Wiener Prater beteiligt: Ein Projekt, das nicht nur architektonisch auffällt, sondern auch dadurch, dass es pünktlich, ohne Kosten-Explosion und bislang auch ohne Skandal über die Bühne ging. Wie haben Sie das geschafft?
Andreas Gobiet:
Mit einem guten Team, einer modernen Software und sehr flexiblem Einsatz der Mitarbeiter. Unser Job war es bis zuletzt, den Druck auf die Firmen so zu erhöhen, dass sie nicht nur rechtzeitig, sondern auch in der geforderten Qualität fertig geworden sind.

Warum ist ein Bauprojekt ohne Skandale eine sensationelle Ausnahme und Skandalbauten wie Skylink die Regel?
Das hat vor allem mit dem Bauherrn zu tun. Wenn der wie im Fall der WU das Projekt professionell vorantreibt, dann geht das: Klare Verantwortungen und Mut zu Entscheidungen ohne sich bei jedem Schritt juristisch abzusichern.

Projekte im staatlichen Bereich sind besonders anfällig dafür?
Ja, weil zum einen aus Angst Fehler zu machen, Entscheidungen erst nach langem Hin und Her oder erst gar nicht getroffen werden. Zum anderen: Bei Bauprojekten gibt es zwar eine Bauaufsicht und eine externe begleitende Kontrolle privater Dienstleister. Weil hier hinterher aber der Rechnungshof noch als tertiäre Kontrolle hinzukommt, nimmt die juristische Absicherung von Entscheidungen immer mehr Zeit und Energie in Anspruch. Das schlägt sich auf das Tempo beim Baufortschritt und die Kosten nieder.

Das ist eine kühne These: Der Rechnungshof ist mitverantwortlich, dass Projekte zu langsam, zu teuer und so auch skandalanfälliger sind?
Beim Management von Bauvorhaben ist die begleitende Dokumentation von Leistungen wegen Gewährleistungsfragen und ähnlichem mehr ein wesentlicher Faktor. Wenn aber nur noch die Sorge dominiert, dass der Rechnungshof hinterher ein Manko finden könnte und daher die Dokumentation über die Maßen aufgeblasen wird, dann kommt man bald nicht mehr zum Bauen. Der Rechnungshof ist zu Recht stärker aktiv. Die Gefahr ist nur, dass das zu übertriebener Angst und überbordender Bürokratie führt, die auf die Kosten durchschlägt.

Wo hört richtig dosierte Kontrolle auf und wo beginnt unkontrollierter Wildwuchs?
Das ist ein schmaler Grat. Mir macht aber Sorge, dass die totale Verrechtlichung von Projekten dazu führt, dass immer mehr Rechtsanwälte mit am Tisch sitzen und immer mehr hinterher ausgestritten als vorher gelöst wird. Bei uns müssen z. B. alle Mitarbeiter eine Mediationsausbildung machen. Die Ausbildung der Techniker hat ja mit Kommunikation nichts am Hut. Der Ingenieur lernt Formeln, die wendet er an und will, wenn er das ordnungsgemäß macht, im Streitfall dann auch recht haben. Auf der Baustelle treffen dann zwei aufeinander, die beide recht haben wollen, das geht sich nicht aus. Daher lernen unsere Techniker auch, Problemlösungskompetenz zu entwickeln.

Die Verrechtlichung der Vergabe von Bauprojekten soll eine Absicherung gegen "Freunderlwirtschaft" sein. Zu Unrecht?
Ich kann durch gezielte Definition von Leistungen und Ansprüchen auch heute den Bieterkreis einschränken oder sogar auf einen Anbieter maßschneidern. Aber auch wenn der Bieterkreis sehr breit gehalten wird, glaube ich, dass eines überholt ist: Das Preisdumping durch Vergabe an den Billigstbieter bringt weder niedrigere Kosten geschweige den bessere Qualität. International setzt sich daher immer mehr die Vergabe nach dem Prinzip der "Quality-based selection" durch: Zuerst suche ich den besten Anbieter und erst danach diskutiere ich den Preis, der marktgemäß angemessen sein muss. Die Erfahrung damit zeigt, dass so nicht die Kosten steigen, sondern die Qualität steigt. Der Preis spielt in der Dienstleistung zunehmend eine kleinere Rolle. Immer wichtiger werden Problemlösungskompetenz und Referenzen.

Was steht mehr Qualität beim Bauen in Österreich im Weg?
Wenn ich international, wie zuletzt im Irak, ein Projekt mit der Weltbank mache, dann hat der Vertrag zwei Seiten. In Österreich machen Vergabeanwälte die Verträge, jeder ist anders, aber in jedem Fall umfangreich. Weniger wäre hier mehr.

"Angst vor Entscheidungen erhöht Kosten"
Andreas Gobiet/IGZT Interview Josef Votzi 29.7._9 Uhr, 6., Mariahilfer Straße 17/1. DG

Sie brauchen hoch qualifiziertes Personal. Wie zufrieden sind Sie mit dem Nachwuchs, den die heimischen Universitäten anbieten?
Die Qualität wird immer schlechter. Die Technische Universität in Wien, die weltweit anerkannt war, ist aus der Liste der 200 Besten rausgefallen und nur noch unter ferner liefen. Die Fachhochschulen sind zwar sehr bemüht, aber überall wird das Insidertrading bei der Rekrutierung des Personals spürbar. Statt frisches Blut von außen zu holen, werden die Professorenstellen intern vergeben und nachbesetzt.

Die Unis sandeln wegen "Inzucht" ab?
Leider ja und das schlägt auch auf die Umsatzzahlen durch. Denn für unser Geschäft ist das Ranking der Unis sehr wichtig. Österreich war einst im Tunnel-Bau weltweit anerkannt und gefragt. Österreichische Ingenieurbüros werden aber nur dann weltweit weiter wahrgenommen, wenn die Universitäten und damit die Ausbildung der künftigen Ingenieure einen guten Ruf haben.

Wie nimmt jemand, der in einer schwierigen Branche täglich an der Front steht, die aktuellen politischen Debatten wahr?
Es wird sehr viel um des Kaisers Bart, wie die Bundeshymne oder das Binnen-I gestritten. Aber die Frage, warum etwa die Schweiz auch mit viel weniger Bürokratie und einer viel geringeren Steuerbelastung ein lebenswertes und erfolgreiches Land ist, wird nicht angegangen. In Österreich schützt jeder nur seine Klientel. Aber kluge Leute sagen, das ist ein europäisches Phänomen: Europa ist überpolitisiert und überreguliert. Wachsen und Geschäft machen, kannst Du nur noch außerhalb von Europa. Dazu fällt mir daher immer der Satz ein: Im Leben geht alles vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen. Im Moment verharren wir schon zu lange beim Komplizierten. Wir müssen dringend den Weg zum Vereinfachen suchen.

Karriere

Andreas Gobiet (56) ist Geschäftsführer eines der größten Ziviltechniker-Büros Österreichs. Die Ingenos.Gobiet.ZT.GmbH. hat 120 Mitarbeiter in Wien, der Steiermark, in Oberösterreich und Niederösterreich. Die Firma war führend am Management der neuen Wirtschafts-Uni im Wiener Prater beteiligt, die im August 2013 pünktlich und ohne Kostenüberschreitung fertiggestellt wurde.

Von 2006 bis 2010 Präsident der Kammer der Ziviltechniker in Wien, NÖ und Burgenland. Derzeit Vorstandsmitglied des Weltverbands der Ingenieure und Präsident des Ziviltechniker-Verbandes (VZI).

Aktuelle Bau-Projekte

Projektmanagement Krankenhaus Wien-Nord; Generalplanung Smart Office Nr. 1 Nordbahnstraße; Begleitende Kontrolle Institute of Science and Technology.

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