Kopftuch-Verbot löst Kopfschütteln aus

Kopftuch-Verbot löst Kopfschütteln aus
ÖVP, SPÖ, Neos und Lehrervertreter halten nichts vom Begehren von ÖVP-Ex-Politikern.

Angestoßen hat die Debatte über "Integrationsunwilligkeit" ein Roter, der steirische Landeshauptmann Franz Voves – zum Unbehagen seiner Partei, die wegen des Begehrens nach Ahndung geziehen wird, auf FPÖ-Kurs zu sein.

Nun rufen immer mehr Schwarze nach Konsequenzen für Zuwanderer, die Integration verweigern. Minister Sebastian Kurz will Verwaltungsstrafen, der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl einen "Integrationspass" (Gemeindeleistungen wie die Wohnungsvergabe sollen an "Immigrantenpflichten" wie den Besuch von Deutsch-Unterricht gekoppelt werden). Und die einstigen Spitzenpolitiker Heinrich Neisser und Josef Riegler wollen nicht nur ein Bußgeld von 1000 Euro oder den Entzug der Familienbeihilfe. Sie drängen auch darauf, dass verboten wird, im Staatsdienst und an Schulen ein Kopftuch zu tragen; detto, sich in der Öffentlichkeit voll zu verschleiern.

"Kopftuch-Ideologie"

"Wir brauchen endlich einen verpflichtenden Ethikunterricht an den Schulen, in welchem die europäischen Werte vermittelt und die Kinder und Jugendlichen in diesem Wertesystem sozialisiert werden. Da hat das Kopftuch als Ausdruck der Ideologie der Ungleichheit von Mann und Frau keinen Platz", befindet Riegler, einst ÖVP-Vizekanzler der Republik. "Und natürlich kann nicht akzeptiert werden, wenn Schülerinnen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen, aber auch hier muss gelten – normale Schwimmbekleidung und kein Burkini".

Neisser, ehemals Zweiter Nationalratspräsident der ÖVP, ergänzt: "Für die Haltungen, die hinter der Kopftuch-Ideologie stehen, kann es in Europa keine Toleranz geben – weil sie mit Menschenrechten und Gleichberechtigung der Geschlechter unvereinbar sind."

Schon 2010 hat eine aktive ÖVP-Politikerin Derartiges verlangt: Die damalige Wiener ÖVP-Chefin Christine Marek wollte untersagen, im "öffentlichen Raum" eine Burka zu tragen. Von der FPÖ wurde ihr dafür applaudiert. Von der jetzigen ÖVP-Spitze kommt kein Beifall für Riegler und Neisser. Im Gegenteil. "Schnellschüsse sind in aufgeheizter Stimmung absolut nicht angebracht – und bringen nichts", heißt es aus der Parteizentrale gegenüber dem KURIER.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek sagt via KURIER ebenfalls Nein: "Ich bin gegen ein Verbot. Ein Kopftuch zu tragen, ist eine individuelle Entscheidung. Mir ist wichtig, dass Frauen diese Entscheidung selbstbestimmt treffen können. Anstelle der Verbotsdebatte braucht es eine Diskussion darüber, wie man Frauen durch Information und Beratung zu einem selbstbestimmten Leben verhelfen kann."

Die roten Schülervertreter orten "Neisser und Riegler auf rechten Irrwegen".

Wie sehen die Vertreter der Pädagogen die Angelegenheit? "Ich halte nichts von einem Verbot, weil das Kopftuch eine Form der Tradition und Privatangelegenheit ist", sagt Pflichtschullehrergewerkschaftschef Paul Kimberger zum KURIER.

Für Neos-Vormann Matthias Strolz ist gar "Topfen", was Neisser und Riegler, die zu den Liberalen in der ÖVP zählen, wollen. "Da stellt sich nämlich die Frage: Wo hören wir auf? Nehmen wir dann auch Kindern das Halsketterl mit einem Kreuz ab?" Wer es mit einer liberalen Gesellschaft ernst meine, müsse "vorsichtig sein mit Kleidungsvorschriften und Verboten", urteilt Strolz im KURIER-Gespräch. "Ich kann an diesem Beitrag keine liberale Haltung erkennen."

Für gut hielte er den von den beiden geforderten Ethikunterricht, den er um "Religionenunterricht" ergänzen würde – "auch im Respekt gegenüber Religionen, weil sie ein wichtiger gesellschaftlicher Faktor sind".

In Österreich ist die islamische Glaubensgemeinschaft seit 1912 anerkannt – und anderen Religionsgemeinschaften gleichgestellt. Ein Kopftuch zu tragen, gilt als Inanspruchnahme des Rechtes auf Religionsfreiheit, das im Staatsgrundgesetz 1867 und in Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbrieft ist. In Frankreich ist nicht erlaubt, Kopftuch zu tragen. In Deutschland ist das Lehrkräften an Schulen und Hochschulen in einigen Bundesländern wie Bayern und Niedersachsen untersagt.

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