Konflikt-Stoff Kopftuch

Lehrerin mit Kopftuch: In Wien kein Problem, in Berlin schon, in Paris sogar schon lange
Symbol der Unterdrückung? International wird über ein Verbot diskutiert, nun auch in Österreich.

In Frankreich ist das Kopftuchverbot seit Jahrzehnten ein Thema, auch in Deutschland werden seit Langem Debatten darüber geführt, in wie weit die (teilweise) Verhüllung im öffentlichen Raum, etwa in Schulen oder Ämtern, erlaubt sein soll (siehe unten).

Selbst in der Türkei gilt in manchen Bereichen – für Richterinnen oder Lehrerinnen – nach wie vor ein Kopftuchverbot.

Religionsfreiheit & Selbstbestimmung

In Österreich steht eine gründliche Debatte noch bevor: Im Zuge der Flüchtlingsströme – für heuer werden 95.000 Asylanträge erwartet – darunter auch von sehr viele Frauen muslimischen Glaubens. Viele von ihnen stammen aus Regionen, in denen Religion streng ausgeübt wird. Während in ihrer Heimat das Kopftuch zum alltäglichen Straßenbild gehört, kann es hierzulande noch immer irritieren.

Nach herrschendem österreichischem Recht gilt sowohl die Religionsfreiheit als auch die Selbstbestimmung: Jede Frau – und nur sie allein – darf entscheiden, ob sie ein Kopftuch tragen will.

Neue Situation

Der Ex-ÖVP-Generalsekretär und Wiener Parteichef Gernot Blümel sieht genau hier aber Diskussionsbedarf. Österreich sei durch die vielen Flüchtlinge nun in einer neuen Situation. Bisher habe es keinen Diskussionsbedarf darüber gegeben, ob zum Beispiel ein Kopftuchverbot sinnvoll sei, weil niemand in Zweifel gezogen hat, dass dabei Grundwerte unserer Verfassung wie Freiheit und Gleichheit infrage gestellt werden könnten. Aber unter den Flüchtlingen, so Blümel, seien immer mehr Menschen, die nicht wissen, was sie unter den Werten unserer Verfassung verstehen sollen, Menschen, "die dieses Grundverständnis nicht haben."

Daher sollten wir darüber reden, "wie wir die Religionsfreiheit handhaben auf Basis unserer Leitkultur, unserer Werte", sagt Blümel im KURIER-Gespräch.

Unterdrückung

"Wenn wir zum Schluss kommen, dass es in anderen Religionen Symbole der Unterdrückung gibt, die mit unserem Verfassungsbogen nicht konform sind – und das Kopftuch ist ein solches mögliches Symbol der Unterdrückung von Frauen –, dann müssen wir auch darüber diskutieren, ob man solche Symbole der Unterdrückung im öffentlichen Raum zulässt. Und wenn wir dabei zum Schluss kommen, dass es Symbole der Unterdrückung gibt, dann sind die auch zu verbieten."

Selbstbestimmung

Einfach wird die Diskussion, wie sie Blümel anstoßen will, nicht. Die Wiener SPÖ-Integrations- und Frauenstadträtin Sandra Frauenberger hatte sich erst kürzlich öffentlich einmal mehr (in einem Presse-Interview) gegen ein Verbot ausgesprochen: "Beim Kopftuch haben wir uns als SPÖ-Frauen darauf geeinigt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Frau vorgeht." Generell würde sie als Frauenstadträtin Geschlechterunterschiede im 21. Jahrhundert prinzipiell nicht verstehen. "Deswegen sprechen wir in den Willkommenskursen in Wien auch über Gleichberechtigung."

Bis vor wenigen Jahren waren Kopftücher im öffentlichen Raum selten zu sehen. Seit 2008 gibt es die erste Bedienstete der Wiener Linien mit Kopftuch (bis 2004 was Dienstmütze Pflicht).

Bei der Polizei sind Kopftücher laut "Polizeiuniformtragevorschrift" verboten – aber auch alles andere, was nicht zur Uniform gehört.

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