Koalitionchefs wollen gemeinsam aufräumen

Koalitionchefs wollen gemeinsam aufräumen
Die Milliardenspekulation erschüttert auch die Bundespolitik. Werner Faymann und Michael Spindelegger sprechen im KURIER-Doppelinterview erstmals über die Folgen des Skandals.

KURIER: Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, haben Sie mit Ihrem eigenem Geld schon einmal spekuliert?
Werner Faymann:
Das tue ich nicht, ich investiere nur in mein Einfamilienhaus.
Michael Spindelegger: Ich überlasse die finanziellen Angelegenheiten meiner Frau.

Sie haben beide früher in einer Bank gearbeitet. Was haben Sie da über Spekulationsgeschäfte gelernt?
Faymann:
Ich nichts, ich war bei der Z im Jugendbereich tätig.
Spindelegger: Ich war Anfang der 90er Jahre bei der Girokredit, aber da war Spekulation auch bei einer Bank noch kein Thema. Heute wissen hingegen nicht einmal Bankvorstände genau, welche Gefahren diese Produkte in sich bergen.
Faymann: Zur aktuellen Lage: Wir brauchen einen Einblick, was die Bundesländer mit ihrem Geld machen und eine klare Richtlinie, was erlaubt ist.
Spindelegger: Jede Gebietskörperschaft muss sich transparent machen, wie sie ihr Geld anlegt und ob es Risikogeschäfte gibt. Spekulationen auf fremde Währungen etwa sind vollkommen undenkbar.

Das heißt, volle Transparenz? Der Bund wird in alle Geldgeschäfte der Länder hineinschauen können?
Spindelegger:
Für mich ist klar, dass es mit dem Geld der Steuerzahler keine hochspekulativen Veranlagungen geben darf.

Aber nochmals: Wird der Bund genauen Einblick in die Finanzen der Länder bekommen?
Spindelegger:
Die Regierung soll das mit den Bundesländern jetzt genau erarbeiten. Wir werden per Verfassung aber nicht verbieten, dass jedes Bundesland seine Finanzen selbst verwaltet.
Faymann: Ich bin für volle Transparenz, weil wir als Bundesregierung die Verantwortung für alle Finanzen der Republik Österreich haben. Wir wollen den Ländern nicht die Finanzgebarung wegnehmen, aber genau sehen, was sie machen. Die Bundesländer werden aber weiter die Verantwortung haben, wie sie innerhalb der neuen Richtlinien vorgehen werden.

Das heißt, die Länder müssen ihre Kassen gegenüber dem Finanzminister gläsern machen?
Faymann:
Ja, das haben wir bei Medien geschafft und bei den Parteien. So werden wir das bei den riesigen Beträgen auch machen müssen.
Spindelegger: Es kann doch nicht sein, dass eine Gebietskörperschaft mit Geld, das sie vom Bund bekommt, zocken geht.

„Wir brauchen einen Einblick, was die Bundesländer mit ihrem Geld machen“ Werner Faymann, Kanzler

Aber so war es bist jetzt.
Spindelegger:
Ja, so war es. Aber da werden sich die Länder nicht gegen Richtlinien wehren.

Aber sie tun es bereits.
Spindelegger:
Nein, wir wollen den Ländern nicht die Finanzgebarung aus der Hand nehmen, sondern nur Richtlinien festlegen.

Sie sollen den Ländern auf die Finger schauen, aber im Zweifel auch auf die Finger klopfen?
Faymann:
Wenn es Richtlinien gibt, müssen die eingehalten werden. Wir verantworten die Bonität Österreichs, und da gehören die Finanzen der Länder dazu.
Spindelegger: Den Ländern auf die Finger klopfen wollen wir nicht. Wir brauchen ein gemeinsames System, an das sich alle halten. Mit Steuergeld darf es keine Spekulation mehr geben.

Aber es ist doch auffallend, dass Politiker immer erklären, wie konservativ sie ihr eigenes Geld anlegen, mit fremdem Geld aber spekulieren lassen.
Faymann:
Vor der Finanzmarktkrise wurden Politiker kritisiert, wenn sie Steuergelder nur auf ein Sparbuch gelegt haben, während andere Institutionen mit geschickten Anlagen etwas verdient haben. Öffentliche Haushalte leiden halt immer unter Geldmangel, und da hat man früher geglaubt, man kann mit geschickten Anlagen das Steuergeld vermehren. Aber aus der Krise müssen wir alle lernen.
Spindelegger: Aber die politische Verantwortung bleibt bei jedem Regierungsmitglied, das für Veranlagung der Regierungsgelder zuständig ist.

Im aktuellen Fall heißt das, dass der zuständige Landesrat Brenner zurücktreten müsste?
Faymann:
Jetzt geht es darum, dass aufgeklärt wird.

Aber es gibt doch so was wie eine politische Verantwortung, die ja bekanntlich in Österreich nicht sehr ausgeprägt ist.
Faymann:
Aber wir beide haben doch nicht einmal den Einblick, was in Salzburg vorgefallen ist. Genau das wollen wir durch die neuen Richtlinien erreichen.

Wir haben nicht gefragt, ob Sie beide zurücktreten werden.
Faymann (lacht):
Danke.

Sondern ob Salzburgs Landesrat Brenner zurücktreten soll.
Spindelegger:
Das ist eine Angelegenheit der Salzburger. Ich will den Entscheidungen nicht vorgreifen. Aber ich wüsste, was ich zu tun hätte.

Warum wird politische Verantwortung in Österreich nicht ernst genommen?
Faymann:
Wenn eine Bank überfallen wird, muss der Direktor nicht zurücktreten. Wenn er die Bank aber nicht ordentlich geschützt hat, dann ist er verantwortlich. Wenn sich herausstellt, dass ein politisch Verantwortlicher versagt hat, dann ist er verantwortlich.

Herr Bundeskanzler, Finanzministerin Fekter schickt eine „Troika“ zur Aufklärung des Finanzskandals nach Salzburg. Den Begriff kennen wir nur im Zusammenhang mit Griechenland. Wird Salzburg das neue Athen?
Faymann:
Wenn drei Leute miteinander wohin gehen, ist es noch keine Troika. Wenn sie sich um die Aufarbeitung kümmern, ist es auch in Ordnung. Vielleicht sind es aber am Ende auch vier oder fünf. Troika ist kein besonders sympathisches Wort, Aufarbeitung aber schon. Und von der Frau Landeshauptfrau abwärts ist jeder in Salzburg an einer raschen Aufklärung interessiert. Denn erst dann kommt man aus den vielen Vermutungen heraus.

Herr Vizekanzler, Sie haben beim Wort Troika geschmunzelt. Ein gelungener Untergriff im Vorwahlkampf?
Spindelegger:
Nein, darum geht es nicht. Die Finanzministerin wurde von Salzburg gefragt, ob sich die Bundesfinanzagentur das jetzt einmal anschauen kann. Jetzt geht sie das gemeinsam mit dem Rechnungshof und ihren Beamten einmal an. Nachdem wir schon etwas vom europäischen Troika-System wissen, wird das eine strenge Prüfung sein. Das ist in dem Fall auch angebracht.

Mit Salzburg steht 2013 nun noch eine weitere wichtige Wahl an. Die ÖVP freut sich offenbar, dass sie die Chance hat, das Land politisch wieder umzudrehen.
Spindelegger:
Die Sache ist zu ernst um sich zu freuen! Wenn das Vertrauen nachhaltig erschüttert ist, kann man nicht mehr gemeinsam regieren. Dass ich hinter dem Wilfried Haslauer stehe, ist ebenso klar, wie dass Du Werner hinter der Gabi Burgstaller stehst. Das ist klar, aus den politischen Familien heraus aus denen wir kommen....

Politische Familien sind manchmal gefährliche Einrichtungen, wie wir aus Erfahrung wissen. Die Frau Burgstaller war ja immer wieder eine Widersacherin und Kritikerin der Bundes-SPÖ. Manche Kommentatoren meinen, dass Sie, Herr Bundeskanzler, Burgstallers jetzige Probleme nicht nur mit einem weinenden Auge sehen.
Faymann:
Ich sehe es genau umgekehrt. Ich stehe voll hinter der Frau Landeshauptfrau. Ich glaube, dass diejenigen, die jetzt Neuwahlen erzwingen wollen, die Salzburgerinnen und Salzburger nicht unterschätzen sollen. Es wird noch geklärt werden, über wie viele Dinge die ÖVP informiert war. Ich halte es daher für einen Fehler, politisches Kleingeld wechseln zu wollen.
Spindelegger: Das sehe ich diametral anders. Wilfried Haslauer hat zu Recht die Frage aufgeworfen, wie es in einer Regierung noch ein Vertrauen geben kann, wenn man über wesentliche Dinge nicht informiert wurde. Und wenn ich nach Kärnten schaue, dann sehe ich: Die SPÖ und die Grünen sagen dort, zu einem Neuanfang kommt man nur, wenn die Verantwortlichen zurücktreten und man neu wählt. In Salzburg ist es jetzt genau anders. Ich stehe in beiden Fällen auf der gleichen Linie. Neuanfang geht nur, wenn man auch die Karten neu mischt.
Faymann: In Kärnten ist die Aufarbeitung bereits passiert. In Salzburg ist sie noch ausständig.

„Es kann doch nicht sein, dass ein Land oder eine Gemeinde, mit dem Geld vom Bund zocken geht“ Michael Spindelegger, Vizekanzler

Soll die Salzburger SPÖ mit Gabi Burgstaller und David Brenner in die nächsten Wahlen ziehen?
Faymann:
Ich stehe voll hinter Gabi Burgstaller, auch wenn es manchmal Meinungsverschiedenheiten gibt. Ich würde ihr sehr zuraten, sich da nicht unterkriegen zu lassen. Mit welcher Mannschaft sie in die Wahlen zieht, entscheiden sie und ihre Salzburger Freunde.

Wie weit ist ihr eigener Wahlkampfslogan für die Nationalratswahl, „Besteuert die Spekulanten“, beschädigt? Zumal beim Wort Spekulanten jeder derzeit zuerst an ihre Salzburger Parteifreunde denkt...
Faymann:
Dass mein Wunsch, die Spekulation einzudämmen, stimmt, wird täglich durch Nachrichten aus der ganzen Welt bestätigt. Da braucht es nicht die Missstände in manchen öffentlichen Haushalten.

ÖVP-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl sagte gestern sarkastisch in Richtung SPÖ: „Jene, die zuerst den Raubtierkapitalismus angeprangert haben, betreiben jetzt Casino-kapitalismus“...
Faymann:
Vielleicht sollte er einmal in den Pensionsfonds seiner Kammer hineinschauen, mit welchen Folgen dort spekuliert wurde. Mir geht es vielmehr darum, dass wir ernsthaft mit einer Finanztransaktionssteuer die weltweite Spekulation eindämmen.
Spindelegger: Man muss sich aber schon einmal vor Augen führen, dass nach derzeitigem Wissensstand in Salzburg ein Fünftel des Landesbudgets verspekuliert wurde. Hochrisikospekulation hat bei öffentlichen Geldern nichts verloren.

Werden aufgrund der vielen Wahlen im Frühjahr auch im Bund die Karten vorzeitig neu gemischt?
Faymann:
Ich wünsche mir das nicht.

Wünschen ja, aber wird es auch so kommen?
Faymann:
Vorzeitige Neuwahlen sind Sache des Parlaments, aber wir beide wünschen uns nicht, dass vorzeitig gewählt wird.
Spindelegger: Ich sehe nicht im Entferntesten einen Anlass, warum früher gewählt werden soll.

Wenn wie sie sagen tatsächlich erst im Herbst 2013 gewählt wird, bleibt reichlich Zeit für Sacharbeit. Wann kommt endlich das versprochene Lehrerdienstrecht?
Faymann:
Es gibt ein erstes Grundsatzpapier, das nun zwischen den Ministerinnen Heinisch-Hosek, Schmied und Fekter endgültig akkordiert werden muss.
Spindelegger: Es geht in die richtige Richtung, dass neu eintretende Lehrer künftig mehr Zeit entweder für den Unterricht oder für die Nachmittagsbetreuung aufbringen müssen. Dafür wird es auch ein höheres Anfangsgehalt geben müssen. Das ist die gemeinsame Regierungslinie, die jetzt mit der Gewerkschaft verhandelt werden muss.

Aber Sie versprechen uns gemeinsam ein neues Lehrerdienstrecht vor der nächsten Wahl?
Faymann:
So sollte es sein.

Wird es so sein?
Faymann:
Es ist uns sehr ernst, das noch vor den Wahl zustande zu bringen.
Spindelegger: Jetzt wird einmal ordentlich verhandelt mit dem Ziel, noch vor der Wahl ein Ergebnis zu haben.

Ihre nächste Hürde als Regierung ist die Abstimmung der Wehrpflicht am 20. Jänner. Alle Umfragen prognostizieren ein eindeutiges Ja zur Wehrpflicht. Wird ab 21. Jänner der Verteidigungsminister wieder daran gehen müssen, „die Wehrpflicht in Stein zu meißeln“, oder bereits sein Nachfolger?
Faymann:
Er wird das Ergebnis, egal wie es ausgeht, umzusetzen haben.

Auch gegen seine Überzeugung?
Faymann:
Bruno Kreisky war , wie wir wissen, für Kernkraftwerke und hat nach der Ablehnung von Zwentendorf das AKW eingemottet.
Spindelegger: Lassen wir doch einmal die Bevölkerung abstimmen und ergehen uns nicht schon davor in Spekulationen, was am Tag danach passieren wird. Ich bin aber sehr dafür, dass Darabos bleibt und das Ergebnis konsequent umsetzt.

Auch wenn er die Abstimmung verliert?
Faymann:
Gegen das Volk kann man nicht verlieren.
Spindelegger: Darabos hat noch vor einem Jahr gesagt, die Wehrpflicht ist in Stein gemeißelt. Also wird er sie wieder in Stein meißeln.

Herr Vizekanzler, der Bundeskanzler ist heute wieder auf einem Europagipfel. Tritt er dort zu schwach auf oder sollte er öfter die Vetokeule auspacken?
Spindelegger:
Bundespräsident Fischer hat gesagt, wer das Wort Veto zuerst in den Mund nimmt, ist eine Frage des Temperamentes. Ich kann gut damit leben, dass ich in dem Fall der Temperamentvollere bin.

Der Vorwurf kommt ohnehin selten genug. Aber tritt der Kanzler in der EU forsch genug auf?
Spindelegger:
Wenn es um das Geld der Steuerzahler geht, muss man seinen Standpunkt laut und klar vertreten. Das mache ich und werde es auch in Zukunft tun. Entscheidend ist das Ergebnis.
Faymann: Das ist der Punkt. Wir wollen ein gemeinsames Ergebnis und das erreicht man in der EU am besten mit Verhandlungen und nicht mit Veto-Drohungen.

Der Salzburger Finanzskandal: Weitere Reaktionen und Hintergründe lesen Sie hier

Nein, es waren nicht böse Finanz-Haie, die in Salzburg vielleicht über eine Milliarde Euro verzockt haben, wie sich nun langsam herausstellt. Es war eine biedere Vertragsbedienstete mit Unterstützung der Landesregierung. Jetzt werden die Konsequenzen gezogen – da wird wohl noch mehr kommen als die dramatische Entschuldigung der Salzburger Landeshauptfrau. Die ÖVP schlachtet den unfassbaren Skandal aus: Finanzministerin Fekter schickt – der EU/Griechenland-Logik folgend – eine „Troika“ in das möglicherweise bankrotte Bundesland. Die ÖVP ist (vorübergehend) politische Kriegsgewinnlerin, doch neben der Salzburger SPÖ könnte auch die heimische Börse Verliererin sein. Denn nun fühlen sich wieder einmal all jene bestätigt, die den Finanzmarkt immer schon für des Teufels gehalten haben. Damit sind sie in bester Gesellschaft: Wichtige Vertreter der Republik quer durch alle Parteien arbeiten seit Jahren daran, der Börse das „R“ im Namen abzujagen. Mittlerweile wird jeder Verlust als Verbrechen hingestellt – was natürlich Schwachsinn ist.

Eigentlich sollte jeder Schulabsolvent wissen, dass sich am Kapitalmarkt hohe Gewinne nur mit hohem Risiko erzielen lassen. Die Mischung macht’s. Nach der amerikanischen Lehman-Katastrophe zwang die österreichische Regierung die (Pensions-)Versicherer, weniger in Aktien zu investieren – eine populistische Panikreaktion. In einigermaßen guten Börsejahren und bei so niedrigen Zinsen wie heuer ist das ein Nachteil. Die Verluste von damals wurden amtlich zementiert. Mit der neuen Steuer auf Kursgewinne wurde im abgelaufenen Jahr der Börseplatz Wien außerdem ohnehin fast ruiniert.

Ein sorgsamerer Umgang der Länder bei der Finanzierung ihrer Aufgaben ist nötig. Dabei sollte man aber bitte nicht gleich auch den Kapitalmarkt versenken.

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