"Kettenreaktion der Vernunft" vs. "Putsch"

Mikl-Leitner und Kurz: Zustrom muss eingedämmt werden
Westbalkan-Konferenz: In Wien wurde paktiert, wie der Flüchtlingsstrom eingedämmt werden müsse. Griechenland ist massiv verärgert.

Weil auf EU-Ebene bis dato keine Lösung für das Flüchtlingsproblem gefunden wurde, soll nun das Nicht-EU-Mitglied Mazedonien praktisch die Hauptaufgabe im Management des Asylwerber-Stroms übernehmen. Das ist ein zentrales Ergebnis der Westbalkan-Konferenz, die am Mittwoch in Wien stattgefunden hat.

Hauptziel war, "ein klares Signal zu senden, dass wir den Zustrom reduzieren müssen", sagte Außenminister Sebastian Kurz, der das Treffen gemeinsam mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner initiiert hatte. Letztere sagte, man wolle eine "Kettenreaktion der Vernunft" erreichen.

"Kettenreaktion der Vernunft" vs. "Putsch"
Dass sich die Länder am Mittwoch abgestimmt haben, ist kein Zufall. Am Donnerstag, kommen die Justiz- und Innenminister der EU in Brüssel zusammen. Österreich und die südlichen Nachbarn wollten vorab den Druck erhöhen, damit es rascher zu den nötigen Schritten auf europäischer Ebene kommt (Schutz der EU-Außengrenze, Aufnahmezentren für Asylwerber etc.).

20 Polizisten für Mazedonien

Geeinigt haben sich die drei EU-Länder Österreich, Slowenien, Kroatien mit den sechs Nicht-EU-Ländern Albanien, Bosnien, Kosovo, Serbien, Mazedonien, Montenegro u. a. darauf, dass man sich eng abstimmen und gegenseitig unterstützen wird. Österreich wird Mazedonien mit 20 Polizisten aushelfen. Mazedonien hat eine maßgebliche Rolle: Es soll alle Flüchtlinge, die Richtung Norden weiterreisen wollen, registrieren (Fingerprints, biometrische Daten etc.) bzw. jene abweisen, die nicht schutzbedürftig sind.

Schon derzeit übernimmt das Zwei-Millionen-Einwohner-Land aus Griechenland fast nur noch Syrer und Iraker. Afghanen werden meist abgewiesen. In Wien heißt es, es würden dennoch weiterhin alle Länder auf der Balkan-Route eigene Kontrollen durchführen. Auf die in Mazedonien gesammelten Daten können die anderen Staaten mangels Rechtsgrundlage nicht zugreifen. Die Flüchtlinge erhalten nur ein Schriftstück als Beleg dafür, dass sie in Mazedonien behördlich erfasst worden sind.

Rüge für Griechenland

Der mazedonische Außenminister Nikola Poposki schilderte, durch sein Heimatland seien im Vorjahr 700.000 Menschen gereist seien. "Wir würden uns wünschen, dass das, was wir machen, an der griechisch-türkischen Grenze gemacht wird."

Erstaunlicherweise hat selbst die EU-Kommission gestern die Griechen für ihre laschen Kontrollen gerügt. Das Land habe zwar Fortschritte beim Aufbau der Hotspots zur Flüchtlingsregistrierung erzielt, es seien aber "mehr Bemühungen an allen Fronten erforderlich".

Bisher hat Brüssel ja vor allem Länder wie Österreich kritisiert, die mangels europäischer Ansätze die Grenzen dichtmachen. Die Gegenwehr aus Wien scheint nun aber Wirkung zu zeigen. Auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gab sich gestern im Ton versöhnlicher. Man befinde sich (wegen der Obergrenzen) zwar in einem Rechtsstreit mit Österreich, er bewundere aber "die Anstrengungen, die das Land für die Flüchtlinge gemacht hat". Man suche nun eine gemeinsame Lösung.

"In Panik"

Nach wie vor verstimmt sind hingegen die Griechen, weil sie nicht zur Westbalkan-Konferenz eingeladen waren. Giannis Mouzalas, Vizeminister für Migrationsfragen, wetterte, Österreich sei offenbar "in Panik geraten" und schmiede daher "Allianzen mit anderen Ländern". Dass Mazedonien nun auf Druck der anderen Staaten die Grenze dichtmache, käme einem "Putsch" gleich.

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