Kern setzt auf Bild vom coolen Kanzler

Selfie mit Kanzler Christian Kern
Ist Inszenierung alles? Wie sich der Regierungschef medial neu erfinden und dabei seine Inhalte transportieren will.

Das Format müsste Kanzler Christian Kern behagen: Im 55-minütigen ORF-Sommergespräch ist Zeit für mehr als ein paar "Soundbites", man kann sich und die Welt ausführlich erklären und wird nicht auf den "Einzeiler" reduziert. Nicht zuletzt stellt sich Kern allein den mehr oder weniger kalkulierbaren Fragen von Moderatorin Susanne Schnabl und muss sich die Show nicht mit ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner teilen.

Das soll hartnäckigen Gerüchten zufolge mit ein Grund dafür gewesen sein, dass Kern das allwöchentliche Pressefoyer nach dem Ministerrat abgeschafft hat.

Medientrainer Gerald Gross sieht das jedenfalls so: "Kern hat erkannt, er kann da nichts gewinnen. Ohne genügend Inhalte für einen Auftritt nach jeder Regierungssitzung verliert man bloß Woche für Woche an Glanz." Das will der 50-Jährige, der auf Facebook, Instagram & Co so präsent wie in der realen Welt ist, verhindern. Gross: "Kern hat gelernt: Gusenbauer war gescheit, Faymann fotogen, Kern versucht beides zu vereinen."

Kern, der Medienkanzler? Kern, ein regelrechter Inszenierungskanzler?

Kampagnenprofi Stefan Sengl sagt: "Politik bewegt sich im Spannungsverhältnis zwischen Inhalt und Verpackung. Das ist heute nicht mehr zu trennen. Kern, der selbst seine Karriere als Journalist begonnen hat, ist ein Kommunikationsprofi und sehr bildbewusst. Das wirkt auf viele Leute cool."

Was zieht beim Publikum mehr?

Die Schlüsselfrage bleibt: Was zieht beim Publikum mehr? Die präzise Erläuterung einer wichtigen Gesetzesnovelle oder das stylische Fußball-Foto, tausendfach geteilt im Internet?

Sengl: "Die Fotos sind kein Problem, wenn man auch Inhalte liefern kann. Es ist wie mit den Beinen, man muss mit beiden gehen können. Es ist ja auch kein Nachteil, wenn man beim Fußball mit Rechts und Links trifft."

Kern selbst beklagt sich, dass mehr über seine Sonnenbrillen oder Anzüge gesprochen wird als über Inhalte. Er soll sich auch beklagt haben, dass über das Start-Up-Paket der Regierung nicht ausführlich genug berichtet wurde. Medienprofi Gross hält das für "vorgeschützt naiv". Kern wisse, wie man Schlagzeilen produziert und sie einsetzt, wenn er vom "New Deal" und ähnlichem spricht.

Für Sengl ist der mediale Transport eines Start-up-Paketes das eine, die programmatische Neuausrichtung einer Partei das andere – "das dauert Wochen und Monate."

Kernbotschaft erst noch formulieren

Diese Zeit wird der SPÖ-Chef brauchen, um seine Kernbotschaft zu formulieren, seine Message, sein Narrativ rüberzubringen, wie die Profis sagen.

Bis jetzt – Kern ist seit 17. Mai Kanzler und seit 25.Juni SPÖ-Chef – hätte er von Asyl bis Türkei und von Arbeit bis Maschinensteuer so viele Signale ausgesendet, dass mitunter die eine klare Botschaft verloren geht.

Doch daran arbeiten Kern und sein Team. Vorbereitet wird eine gewichtige Grundsatzrede. Gross wandelt dazu einen Slogan ab: "Erfolg braucht Kontrolle. Kern will Kontrolle über sein eigenes Bild, sein eigenes Wort. Das führt bisher zu sehr kontrollierten Auftritten."

Es werde sich erst zeigen, wie spontan und glaubwürdig der Kanzler in einer Krise kommuniziere oder im direkten Umgang mit Menschen, seinen Wählern. Gross: "Kommunikation spielt sich nicht nur in der Komfortzone ab."

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