"Sehnsucht nach schnelleren Entscheidungen"

Kopf: "Direkte Demokratie ist kein Allheilmittel gegen Parteienverdrossenheit"
Kopf im KURIER-Interview: Mehr Mitsprache der Bürger brächte eine "Repolitisierung".

KURIER: Herr Nationalratspräsident Kopf, die Griechen durften vor zwei Wochen über ein mögliches Sparpaket abstimmen, in Österreich darf heute allein das Parlament grünes Licht für frisches Geld für Griechenland geben. Warum gibt es keine Volksabstimmung zu einer derart wichtigen Frage wie dieser?

Karlheinz Kopf: In die Situation wie die Griechen würde ich die Österreicher nicht bringen wollen: Sie zuerst zu einem Sparpaket Nein sagen lassen. Und dann sagt der Regierungschef Ja zu einem noch schärferen Sparpaket.

Das kurzfristige Plebiszit war für ganz Europa eine unliebsame Überraschung, aber ändert am Wunsch der Bevölkerung nach mehr Mitsprache nichts.

Wir haben eine repräsentative Demokratie und sind durch den Volksentscheid bei der Wahl beauftragt, fünf Jahre lang Gesetze zu machen und Entscheidungen zu treffen. Wenn man sich anschaut, wie gut Österreich heute dasteht, dann sind wir in den vergangenen Jahrzehnten mit unserer konsensorientierten repräsentativen parlamentarischen Demokratie recht weit gekommen.

Die Unzufriedenheit der Wähler mit ihren Repräsentanten nimmt in Österreich aber weiter zu. Wie lange kann sich die Regierung noch leisten, das zu ignorieren?

Auch ich registriere in der Bevölkerung eine gewisse Sehnsucht nach schnelleren, klareren – um nicht zu sagen kompromissloseren – Entscheidungen. Aber schnellere Beschlüsse allein sind keine Garantie für bessere Entscheidungen. Und kompromisslose Entscheidungen stoßen wohl kaum auf breite Zustimmung.

Würde beispielsweise ein Mehrheitswahlrecht zu klareren politischen Verhältnissen und Entscheidungen führen?

In einem Mehrheitswahlrecht bleiben viele Stimmen – vor allem jene für kleinere Parteien – in der Regel ohne Vertretung im Parlament. Da besteht dann die Gefahr, dass diese sich auf der Straße Gehör verschaffen. Das Parlament sollte Spiegelbild der politischen Präferenzen aller oder zumindest möglichst vieler Bürger sein.

Also soll in der Politik weiter alles beim Alten bleiben?

Direkte Demokratie ist kein Allheilmittel gegen die grassierende Parteienverdrossenheit. Aber sie könnte die repräsentative Demokratie repräsentativer machen und uns Politiker zu einer stärkeren inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Wählerinnen und Wählern zwingen. Das könnte auch zu einer Repolitisierung und zu einer Stärkung des Parlaments gegenüber der Regierung führen. Ich bedaure daher, dass das Initiativrecht der Bürger für Gesetze nun doch nicht kommt. Es bleibt aber auf meiner persönlichen Agenda.

Das wird zum Abbau der Parteienverdrossenheit – bei allem Respekt – nicht reichen.

Sie haben Recht: Die Parteien sind noch da, die politischen Lager aber nicht mehr. Der Wählermarkt ist offener denn je, traditionelle Parteibindungen sind längst in Auflösung begriffen. Wer sich nur als Vertreter von Gruppeninteressen definiert, wird weiter an Zustimmung verlieren. Wer die Zukunftsfragen konsequent anpackt und auf die Alltagssorgen der Bürger pragmatische Antworten gibt, wird gewinnen.

Der aktuelle Umgang der Politik mit dem Flüchtlingsproblem hält diesem Wunschbild aber nicht stand. Oder?

Menschen aus Syrien, dem Irak oder Libyen verlassen ihre Heimat nicht, weil wo anders das Wetter schöner ist. Sie verlassen ihre Heimat, weil sie Opfer von Tragödien sind, die die Mehrzahl der Österreicher Gott sei Dank nie erleben mussten und hoffentlich auch nie werden erleben müssen! Wir müssen das Schlepperunwesen in den Griff bekommen und die Asylentscheidungen in sichere Zonen vor Ort verlagern. Kurzfristig brauchen wir ein klug abgestimmtes System von temporären Erstaufnahmezentren und Flüchtlingsquartieren, rasche Asylverfahren und – im Falle von positiven Asylentscheiden – eine funktionierende Integration. Wir brauchen aber vor allem auch die Solidarität zwischen den europäischen Staaten. Es kann nicht sein, dass einige wenige die gesamte Last tragen.

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