Karl Öllinger auf Facebook: "Diagnose Krebs"

Karl Öllinger
Der ehemalige Abgeordnete der Grünen äußert sich zu seiner schweren Erkrankung.

Mit einem Facebook-Posting geht der ehemalige Grüne Abgeordnete Karl Öllinger an die Öffentlichkeit: „Diagnose Krebs....“, schreibt er am Mittwoch auf seiner Seite. Er habe eine Pause gemacht, die vergangene Woche im Krankenhaus verbracht. Öllinger bittet um Verständnis, er werde in nächster Zeit nicht auf Nachrichten antworten: „Die nächsten Wochen werden anstrengend für mich“, betont der Politiker. „Ich muss mit meinen Energien haushalten. Ich hoffe, Ihr versteht das!“, so Öllinger weiter.

Die Grünen bestätigen auf KURIER-Nachfrage die Erkrankung. Auf Facebook wünschten dem Politiker hunderte Freunde und Bekannte alles Gute, darunter auch Parteikollege Marco Schreuder.

19 Jahre im Nationalrat

Seit 1994 war Öllinger Abgeordneter im Nationalrat. 19 Jahre lang hat er dort soziale Agenden für die Grünen vertreten – bis zur Wahl im September vorigen Jahres. Die Grünen hatten dem Oberösterreicher nur einen Platz auf den hinteren Rängen der Wahlliste zugedacht. Trotz Vorzugstimmenwahlkampf schaffte er den Einzug nicht.
Der Abschied habe ihm wehgetan: Aber das sei „nun mal Basisdemokratie“, meinte er im September gegenüber dem KURIER (siehe Interview unten).
Seither engagiert sich Öllinger vermehrt auf seinen Blogs: der antifaschistischen Website Stoppt die Rechten sowie Öllingers Sozialblog.

Prammers Erkrankung

Erst vor einigen Monaten äußerte sich auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer über ihre Krebserkrankung. Dass sie mit der Krankheit überhaupt an die Öffentlichkeit ging, erklärte die Präsidentin damit, dass sie einer Stigmatisierung von Krebs-Patienten entgegentreten wollte.

Seit 1994 war Karl Öllinger Abgeordneter im Nationalrat. 19 Jahre lang hat er dort soziale Agenden für die Grünen vertreten – bis zu dieser Wahl: Die Partei hat dem gebürtigen Oberösterreicher nur einen Platz auf den hinteren Rängen der Wahlliste zugedacht. Auf der Bundesliste rangierte er auf Platz 42, auf der Wiener Liste auf dem sechsten Platz.

Einen „Schlag in die Magengrube“ nannte der 62-Jährige die Platzvergabe damals. Dennoch hat er versucht, über einen Vorzugsstimmenwahlkampf wieder ins Parlament einzuziehen. Vergeblich: 4600 Stimmen hat er allein in Wien sammeln können, mehr als sein Lieblingsgegner HC Strache. Gereicht hat es trotzdem nicht. Sieben Prozent aller Grünen-Stimmen, also insgesamt 40.000, hätte Öllinger für sich gewinnen müssen, um einzuziehen.

Dass dieser Abschied weh tut, verleugnet Öllinger nicht: Das sei nun mal Basisdemokratie, meint er zu Beginn des Gesprächs mit dem KURIER.

KURIER: Werden Sie die FPÖ vermissen?

Karl Öllinger: Nein, kaum. Obwohl: Es hat auch innerhalb der FPÖ einige – wenige, muss man sagen – gegeben, mit denen ich durchaus ein normales Verhältnis gepflegt habe. Bei ein bis zwei Personen würde ich sogar sagen, dass das eine gegenseitige Wertschätzung war.

Sie wollen keine Namen nennen?

Nein, die will ich nicht beschädigen (lacht). Aber: Vermissen ist das falsche Wort. Ich habe die FP ja akzeptieren müssen, weil sie für 17, 18 Prozent der Wähler und Wählerinnen – und mittlerweile noch mehr – steht. Und es hat bei dem viele Grausen, das da gekommen ist, auch originär einige freiheitliche Anträge gegeben, zu denen sogar ich Ja gesagt habe. Allerdings nicht viele. Und manche Anträge von uns haben die Freiheitlichen unterstützt. Auch das ganze Gerede um Ausgrenzung: Wenn die FPÖ eine vernünftige Idee hat, kann man schon zusammenarbeiten.

Wenn Sie rekapitulieren: Was war die größte Errungenschaft der Grünen?

Das ist schwierig. Wenn ich die letzten Jahre hernehme, würde ich sagen: Transparenz-Regelungen - aber das ist auch eine Angleichung an eine europäische Normalität. Insgesamt würde ich sagen: Die hohe Sensibilität in Österreich gegenüber der Atomenergie ist ein Verdienst der Grünen; auch jene in ökologischen Fragen. Da bin ich zwar nicht zufrieden, aber das ist auch nicht die Schuld der Grünen – da ist noch sehr viel offen. Was ich den Grünen hoch anrechne, ist, dass sie für Minderheiten eine laute Stimme waren. Das schließt sogar Mehrheiten mit ein, was die Frauenpolitik betrifft.

Was haben die Grünen nicht geschafft?

Die ökologische Frage mit der sozialen Frage so zu verbinden, dass auch für den durchschnittlichen FP-Wähler – oder den Wähler allgemein - verständlich wird, dass wir Antworten zu bieten haben. Die Leute wissen oft nicht, dass die Grünen in dieser Frage etwas zu sagen haben. Das konnten wir nicht transportieren.

Im Grünen Wahlkampf dieses Jahr ist das Thema Soziales so gut wie gar nicht angeschnitten worden. War das ein Fehler?

Ja. Wobei ich daran nicht zum ersten Mal leide - das war schon immer so. Wir sind eigentlich immer mit einer breiten Palette in den Wahlkampf gegangen, aber später hat das trotzdem nie eine Rolle gespielt. Höchstens dann, wenn soziale Themen von anderen Parteien ins Spiel gebracht worden sind. Das war aber heuer bei keiner Partei so. Sonst hätte uns das auch in dem Wahlkampf mehr Möglichkeiten verschafft.

Bleiben wir bei Fehlern: Die Koalitionsverhandlungen 2003 – war das ein Knackpunkt in der Grünen Geschichte?

Ein Knackpunkt war es sicher, vor allem für die Glaubwürdigkeit der Grünen. Natürlich fragt man sich im Rückblick: Wäre das nicht eine Chance gewesen, Österreich weitere vier Jahre Schwarz-Blau zu ersparen? Diese Frage ist legitim. Aber wenn man sieht, was die ÖVP uns damals abverlangt hätte, muss man nein sagen. Das war inakzeptabel. Die Grünen haben bei den Wahlen 2002 enorm dazugewonnen, die ÖVP aber ungleich mehr. Sie waren daher in einem Siegesrausch und mit einem Selbstbewusstsein ausgestattet, sodass wir keine herzeigbaren Verhandlungsergebnisse gehabt hätten. Und daneben gibt es das dunkle Kapitel dieser Zeit – die Parallelverhandlungen mit der FPÖ.

Ist Eva Glawischnigs Ansage nach dieser Wahl, in Opposition gehen zu wollen, eine Folge daraus?

Ich glaube schon. SPÖ und ÖVP haben rechnerisch die Mehrheit, sind nicht angewiesen auf eine dritte Partei. Eine Erweiterung käme nur infrage, wenn sich jede Partei einen Partner nehmen dürfte – die ÖVP die NEOS, die SPÖ die Grünen. Das hätte aber keinen Sinn. Ich finde ja, dass Harald Walsers Vorschlag, eine Minderheitsregierung zu tolerieren, einer ausführlichere Diskussion bedurft hätte. Wir denken immer nur in traditionellen Bahnen, die beiden potentiellen Regierungsparteien schwitzen ja jetzt schon darüber, was sie als „neu“ verkaufen sollen – etwas mehr Mut und Offenheit gegenüber anderen Regierungsformen würde Österreich sicher nicht schaden. Auch wenn ich mir das angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht vorstellen kann, gerade was die Innovation angeht. Da ist die FPÖ, das Team Stronach – und die NEOS, von denen ich auch nicht so eine hohe Meinung habe.

Die NEOS wären also kein denkbarer politischer Partner für die Grünen?

Ich habe die NEOS in erster Linie an ihren öffentlichen Auftritten gemessen. Aber was ich zum zentralen Bereich Bildung bei den NEOS gesehen habe, hat mich schwer erschüttert. Das, was sie sich selbst zubilligen – Innovation und Vermittlung zwischen ÖVP und SPÖ – kann ich überhaupt nicht erkennen. Ehrlich gesagt: Nein, ich sehe hier nicht, wo sich etwas Gemeinsames auszahlt. In den sozialen Fragen habe ich die LIF-Positionen wahrgenommen, und das sind die uralten Positionen des bedingungslosen Grundeinkommens – was heißt: 1066 Euro für jeden, und das war der Sozialstaat. Und das ist eine absolut brutale Position.

"Da werde ich zum Deutschen-Liebhaber"

Die NEOS sehen sich ja weder links noch rechts, das Team Stronach ist eher rechts der Mitte, heißt es. Bleiben nur die Grünen und die SPÖ, die das linke Spektrum bedienen. Verglichen mit anderen Staaten ist die Linke in Österreich recht klein – haben Sie eine Erklärung dafür?

Das ist vermutlich historisch bedingt. Links war immer der Ausschließlichkeitsanspruch der SPÖ, den die Grünen mit dem Parlamentseinzug 1986 erstmals angeknabbert haben. In Folge sind wir von der SPÖ oft als „missratene Kinder der Sozialdemokratie“ behandelt worden, die noch nicht wissen, wo es langgeht und denen man noch Manieren beibringen muss. Dazu haben wir einen so breiten Boulevardmediensektor wie kein anderes europäisches Land. Dieses Zusammenspiel aus rechtspopulistischen Parteien und Boulevardmedien, die differenzierte Problemlagen bewusst verkürzen und auf Gefühle wie Wut, Ärger und Angst reduzieren, ist ein Riesenproblem für die Entwicklung einer kritischen, aufgeklärten Öffentlichkeit. Die ist in diesem Land nur in homöopathischen Dosen da. Man braucht sich nur österreichische und deutsche Diskussionssendungen anschauen – da werde ich zum Deutschen-Liebhaber.

Würden Sie die Grünen als links bezeichnen?

Nein, mit Sicherheit nicht uneingeschränkt. Die Grünen sind in verschiedenen Fragen wie Menschenrechte und Sozialpolitik einen linkeren, auch liberaleren Zugang haben. Aber natürlich gibt‘s auch Menschen, die nur über die ökologische Frage, aus Ablehnung aus einer verzopften, konservativen ÖVP-Politik oder aus einer klaren christlichen Überzeugung zu den Grünen gekommen sind. Das ist eine spannende Mischung. Natürlich müsste man dazu fragen, was heute noch „links“ ist.

"Wir erwecken in unseren öffentlichen Auftritten offenbar manchmal den Eindruck, dass es nur die Grünen gäbe, die das Gute, Wahre, Schöne und Richtige vertreten"

Wo sehen Sie die Zukunft der Grünen?

Fangen wir mit dem Leichten an: Prozentuell haben die Grünen noch Potential vor sich. Der zweite Punkt ist schwieriger: Den Grünen muss es gelingen, den öffentlichen Diskurs so zu lenken, dass er die Menschen zueinander bringt. Solange alles von Ausgrenzung und Angst bestimmt ist, haben die Grünen wenig zu melden. Was mich auch an uns Grünen so sehr irritiert: Wir erwecken in unseren öffentlichen Auftritten offenbar manchmal den Eindruck, dass es nur die Grünen gäbe, die das Gute, Wahre, Schöne und Richtige vertreten - mit dieser Einstellung kommt man nicht weiter. Sie entspricht auch nicht dem, was die Grünen in ihrer politischen Praxis leben. Es muss klar werden, dass die Grünen nicht nur Schulterklopfer sind, die „Wir sind die Besseren“ sagen. Dass die Grünen so wahrgenommen werden, finde ich völlig daneben.

Innerhalb der Grünen gibt es überproportional viele Quertreiber, interne Kritiker wie etwa Johannes Voggenhuber. Wieso eigentlich?

Das Beispiel Voggenhuber passt hier nicht wirklich. Ich habe ihn immer geschätzt, aber seine ganze Kritik, die er immer heftiger an die Grünen adressiert – auch so, dass ich sie nicht mehr verstehen kann – verpufft im Leeren. Je mehr er den Eindruck hat, es wird ihm nicht geantwortet, desto heftiger wird er. Insofern ist er da eine Ausnahme.

Anderes Beispiel: Freda Meissner-Blau? Sie hat vor der Wahl gemeint, erstmals nicht mehr die Grünen wählen zu wollen.

Das hat mich natürlich auch sehr hart getroffen. Aber andererseits verstehe ich Freda. Sie hat sich in ihrer Kritik ja sehr auf die Salzburger Koalition bezogen, bei der ist es mir angesichts der handelnden Personen beim Team Stronach auch sehr schlecht gegangen. Ihre Sorge, ihren Frust, ihre Kritik konnte ich nachvollziehen - was die Einschätzung von Salzburg betrifft, war ich aber anderer Meinung. Sie und Johannes Voggenhuber - das sind Leute, die aus einer Bindung zu den Grünen befürchten, dass die Partei irgendwo im Beliebigen landet.

Diese Furcht teilen Sie nicht?

Das kann durchaus passieren. Das kann man bei keiner Partei ausschließen. Bezogen auf Salzburg: Hätten die Grünen eine Regierungsbeteiligung verweigert, hätten sie sicher viele derer, die sie gewählt haben, verprellt. Aber es ist gut, dass es Leute wie die Freda gibt, die noch die öffentliche Stimme haben, um zu sagen: „Jetzt seid ihr zu weit gegangen.“ Das gibt's ja überall: diese älteren Zwischenrufer, die dann der Partei erklären, was gut und richtig ist. Das finde ich meist nicht besonders sinnvoll oder produktiv.

Sie wollen also keiner dieser älteren Zwischenrufer werden. Was dann?

Das werden die nächsten Monate zeigen. Was ich weiter betreiben will, ist „Stoppt die Rechten“. Da haben wir in den letzten Jahren ein Wissen erworben, bei dem es schade wäre, wenn es nicht weiter produktiv eingebracht würde. Das Zweite ist mein Sozialblog – das hängt auch davon ab, welche Rolle wir dafür finden. Der Blog ist aus der Not heraus entstanden; weil es uns nicht gelungen ist, über die mediale Öffentlichkeit soziale Fragen zu thematisieren. Er hat meine Erwartungen völlig übertroffen - viele Leute erwarten sich deshalb auch, dass da was weitergeht. Die geänderte Situation ist: Das war der Blog des Sozialsprechers Karl Öllinger, und das wird er in Zukunft nicht sein können. Da muss man schauen, ob es eine Rolle gibt, den oder die Sozialsprecher sinnvoll zu unterstützen.

Als Ombudsmann zum Beispiel?

Ja, das wäre vorstellbar. Ob das so eine deutliche öffentliche Rolle werden kann, weiß ich nicht. Das hängt aber noch von der Bereitschaft der Grünen und den öffentlichen Stellen ab - einstweilen bin ich ja noch bekannt, also könnte das funktionieren.

Zu guter Letzt: Haben Sie eigentlich jemals geglaubt, den Vorzugsstimmen-Wahlkampf zu gewinnen?

Nun ja. Das Quorum für Vorzugsstimmen in Österreich ist absurd hoch – ich hätte mehr als 40.000 Stimmen gebraucht, um den Einzug zu schaffen. Also kann man sich die Perspektive ausrechnen (lacht).

Danke für das Gespräch.

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