Kanzler-Plan: Max. 500 Flüchtlinge pro Bezirk

In die Veranstaltungshalle Arena Nova in Wiener Neustadt zogen am Freitag vorübergehend 250 Asylwerber ein.
Sechs-Punkte-Plan: Bundeskanzler Faymann will künftig Asylwerber fair auf alle Bezirke Österreichs aufteilen.

Was wir in Europa fordern, werden wir jetzt in Österreich umsetzen: Klare Regeln und eine faire Verteilung von Flüchtlingen", kündigt Bundeskanzler Werner Faymann an. Mit einem Sechs-Punkte-Plan, der dem KURIER vorliegt, will der Kanzler den innerösterreichischen Konflikt um die Unterbringung von Asylwerbern lösen. Die zentralen Punkte sind:

Faire Verteilung auf Bezirke

Den 80 Bezirken und 15 Statutarstädten kommt eine größere Rolle zu. Wie bei der Bundesländer-Quote ist entsprechend der Bevölkerungszahl ein Aufteilungsschlüssel vorgesehen. In den meisten Bezirken wären dies 100 bis 500 Personen (siehe Karte). Der ORF-Report hat erhoben, dass 68 Prozent aller österreichischer Gemeinden keinen einzigen Asylwerber aufgenommen haben. In der Karte sind sie gelb markiert (Menschen in Betreuungsstellen des Bundes, wie Bad Kreuzen, Thalham, Reichenau, Traiskirchen und Wien sind in der Gemeindestatistik nicht erfasst; Anm.)

Kanzler-Plan: Max. 500 Flüchtlinge pro Bezirk

Steuerungsgruppe

Technisch soll auf Bezirksebene eine Steuerungsgruppe eingerichtet werden, die für Beratung und asylpolitische Fragen zuständig ist. Der Bezirkshauptmann, Gemeinde-Vertreter, soziale Organisationen, Kirchen, private Initiativen sollen die Steuerungsgruppe bilden.

Öffnung von Heimen

1500 Plätze sollen kurzfristig im Sommer in Bundesschülerheimen zur Verfügung stehen. Auch Studentenheime und Internate werden für Flüchtlinge geöffnet.

Private Unterbringungen

Weiters sollen Wohnungsbörsen eingerichtet und private Unterkünfte gesucht werden, um unbürokratisch Betroffene unterzubringen. Auch während der Kriege in Ex-Jugoslawien habe dies gut funktioniert.

Keine unbegründete Grundversorgung

Eine Maßnahme ist, anerkannte Asylberechtigte, die eine volle Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung haben, nicht länger unbegründet in der Grundversorgung zu halten, die vier Monate gilt. Sehr oft sind anerkannte Asylberechtigte aber ein Jahr oder länger in der Grundversorgung.

Rückübernahme-Abkommen erweitern

Geplant ist auch, Personen, denen nach höchstgerichtlicher Überprüfung keine Gefahr in ihrem Herkunftsstaat droht, rasch in ihre Heimat zu überstellen. Dies scheitert oft an fehlenden Rückübernahme-Abkommen. Im Bundeskanzleramt heißt es, das Außenministerium soll daher mit weiteren Staaten Rückübernahme-Abkommen schließen. Deutschland etwa habe viel mehr Abkommen als Österreich.

Konkretisiert werden sollen die Pläne nächste Woche. Montagmittag trifft die Regierung mit Vertretern sozialer Organisationen und NGOs zusammen, Mittwochnachmittag mit den Landeshauptleuten.

Faymann ist mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner übereingekommen, bei den Gipfelgesprächen nächste Woche "gemeinsame Aktivitäten" zu setzen. Der Kanzler habe mit dem Vizekanzler über die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bezirke gesprochen. "Es ist die Aufgabe aller politisch Verantwortlichen, hier Lösungen zu finden und sich nicht um dieses Thema herum zu drücken", erklärt Faymann.

Eine am Freitag veröffentlichte Umfrage der Volkshilfe kommt zu dem Schluss, dass die Mehrheit der 1000 Befragten, nämlich 64 Prozent, dafür ist, dass Österreich "schutzbedürftigen Menschen Asyl gewähren" soll.

Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger appelliert an die Ortschefs, "beherzter" bei der Unterbringung vorzugehen. "Zwei Drittel der Gemeinden haben keinem einzigen Flüchtling Herberge gegeben." Dabei reagiere die Bevölkerung auf Quartiere für Schutzsuchende mit einer "Welle von Solidarität", weiß Fenninger.

Liste mit den Quoten aller Bezirke: Asyl-Datentabelle

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Nationalratspräsidentin Doris Bures hat anlässlich des Weltflüchtlingstages am Samstag betont, dass man die aktuellen Flüchtlingsbewegungen "nur gemeinsam und solidarisch bewältigen" könne. Gleichzeitig warnte sie vor "Angstmache". Indes begrüßte die Innenministerin die jüngsten Vorschläge des Kanzlers zur faireren Aufteilung der Asylwerber.

"Solidarität gefragt"

Das Recht verfolgter Menschen auf Asyl sei ein Menschenrecht, betonte Bures. "Österreich hat auch eine historische Verantwortung, Menschen mit Solidarität und Hilfe zu begegnen, wenn sie Verfolgung ausgesetzt sind. Und wir tragen die menschliche Verantwortung, Schutzbedürftigen Sicherheit zu bieten." Gefragt seien nun "die innerösterreichische Solidarität ebenso wie die Solidarität innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft".

Besorgt zeigte sich die Nationalratspräsidentin über "zum Teil unsachliche, populistische und menschenverachtende Stimmen" in der aktuellen Diskussion. "Angstmache ist gefährlich. Sie wird weder dem Ernst der Lage gerecht, noch ist sie eine adäquate Antwort auf die Sorgen der Bevölkerung", warnte Bures.

Umfrage: FPÖ für 29 Prozent in Asylpolitik kompetent

Vor allem die Freiheitlichen standen zuletzt wegen Aussagen und Aktionen gegenüber Flüchtlingen in der Kritik. Genau dieser Partei sprechen die Österreicher aber laut einer aktuellen profil-Umfrage (500 Befragte) in der Flüchtlingspolitik am meisten Kompetenz zu. Auf die Frage "Welche Partei hat die richtigen Ansichten und Lösungsvorschläge in der Asylpolitik" nannten 29 Prozent die FPÖ, zwölf Prozent die ÖVP und je zehn Prozent die SPÖ und Grünen, drei Prozent die NEOS.

Die Beratungen der Länder mit Johanna Mikl-Leitner in St. Pölten zu den Quartieren für Asylwerber sind beendet. Genau genommen war es ein Treffen der Landesflüchtlingsreferenten, an dem dann auch die Innenministerin teilnahm. Das von ihr ausgerufene Ultimatum an die Länder zur Unterbringung von Flüchtlingen lief heute aus.

Entschieden wurde von den Landesräten ein Zehn-Punkteprogramm. Deutschkurse und Qualifizierungsmaßnahmen gehören dazu. Ebenso die Bekämpfung der Schlepperbanden. Nach einer 1,5-stündigen Verspätung trat die Innenministerin vor die Presse. Sie sprach die schlimme Situation in Italien und Frankreich an. "Und auch wir in Österreich haben eine Ausnahmesituation. Allein letzte Woche hatten wir 2000 Asylanträge". Das sei ein neuer Rekord, sagte die Innenministerin. 1020 Asylwerber sind in "Übergangszelten" untergebracht.

Traiskirchen darf kein "Puffer" mehr sein

Vorwerfen will sie den Ländern nichts, aber man müsse jetzt "gemeinsam an einem Strang" ziehen. Die Diskussion um die Erfüllung der Quoten wird seit Jahren geführt. Beschlossen wurde ein neues Grundversorgungssystem. Damit sollte es zu einer fairen Verteilung auf die Bundesländer kommen. "Was bleibt ist das Unterbringungsproblem", sagte Mikl-Leitner. Thalham und Traiskirchen dürften nicht mehr als "Puffer" herhalten.

Salzburg und Tirol hätten zugesagt, bis nächste Woche die 100-Prozent-Quote zu erfüllen. Kärnten, Burgenland, OÖ und Vorarlberg könnten das noch nicht. Deshalb wurden Notmaßnahmen beschlossen. Notwendig seien "Adaptierungsarbeiten" an den bereits vorhandenen Quartieren. Mikl-Leitner betont, dass es "feste Quartiere" sein müssten, "egal ob es Gasthöfe oder Kasernen" sind. Wo genau die neuen Notquartiere sind, wollte die Innenministerin noch nicht sagen. Sie will das den Bürgermeistern nicht über die Medien ausrichten.

Sie freut sich über den Schulterschluss auch auf Bundesebene. Beim Regierungsgipfel nächste Woche werde man sich erneut dieses Themas annehmen. Ziel sei auf lange Sicht eine verpflichtende Quote für alle EU-Länder.

"Dringender Appell"

Im Vorfeld des "Asylgipfels" trafen sich der frisch angelobte steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und sein niederösterreichische Amtskollege Erwin Pröll. Beide waren sich einig: Der Kanzler müsse sofort tätig werden. Von Bundeskanzler Werner Faymann kommt zu wenig Initiative in Sachen Asyl. "Er degradiert sich selbst zum Zuschauer", sagte Pröll. Und Schützenhöfer ergänzte: "Die derzeitige Situation ist nicht Aufgabe einer einzelnen Ministerin, die gesamte Regierung ist gefordert. Und diese Regierung hat einen Vorsitzenden."

Der dringende Appell an Faymann: Der Kanzler müsse sofort Gespräche mit den Regierungschefs der EU-Nachbarn aufnehmen. "Da lehnen sich einige Mitgliedsstaaten zurück", kritisierte Pröll. "Die tschechische Republik etwa hat insgesamt zur Stunde 600 Flüchtlinge untergebracht." Gerade aus Sicht zweier Bundesländer, die - neben Wien - die einzigen sind, die die geforderte Unterbringungsquote erfüllen, sei hier mehr Unterstützung seitens des Bundeskanzlers gefragt.

"Wir wollen wissen, ob der Kanzler das Asylthema bei seiner jüngsten Reise nach Griechenland angesprochen hat", sagte Pröll. Gerade über Griechenland kämen zahlreiche Flüchtlinge auch nach Österreich. Pröll kündigte eine parlamentarische Anfrage der ÖVP an Faymann an.

Schützenhöfer betonte, dass bei der Flüchtlingsunterbringung die Grenzen des Machbaren "für unser kleines Land" erreicht seien. Zwar lehne er einen generellen Aufnahmestopp ab, dennoch sei es dringend an der Zeit, eine gesamteuropäische Lösung herbeizuführen.

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