Justizchef: "Das sind kriminelle Akte"

Justizminister Wolfgang Brandstetter
Minister Brandstetter kritisiert Pro-Erdogan-Aktionen – und will "Einschränkungen" bei Spontan-Demos.

Justizminister Wolfgang Brandstetter ist "sehr besorgt" – angesichts dessen, was sich nach dem Putsch in der Türkei auch in Österreich abgespielt hat: Pro-Erdogan-Kundgebungen in Wien.

Hunderte heimische Anhänger des türkischen Präsidenten hatten sich am Wochenende bei zwei Demonstrationen mit ihm solidarisiert – die türkische Fahne schwenkend, "Türkiye!" und "Allahu akbar!" rufend. Der Gastgarten eines kurdischen Lokals wurde demoliert.

"Hat mit dem Demonstrationsrecht nichts zu tun"

"Für mich hat das mit dem Demonstrationsrecht nichts zu tun. Das sollte man nicht in Zusammenhang bringen. Beide Kundgebungen waren nicht angemeldet, also illegal", sagt Brandstetter im KURIER-Gespräch.

Es gehe um ein "tiefer liegendes Problem. Man muss sich anschauen, was da inhaltlich passiert: Es darf nicht sein, dass die Errungenschaften und Grundsätze unseres Rechtsstaates ausgenützt und mit Füßen getreten werden. Das ist inakzeptabel. Das müssen wir diesen Leuten klarmachen." Es gehe nicht an, dass in Österreich für eine Staatsgewalt eingetreten werde, "die all unseren Werten widerspricht. Das ist noch viel zu wenig bewusst gemacht worden." Die Aufmärsche seien "ja auch mit kriminellen Aktivitäten verbunden" gewesen, "etwa mit dem Angriff auf ein kurdisches Lokal", sagt der Ressortchef: "Das sind kriminelle Akte."

Bekenntnis zu unseren Grundwerten

Was ist zu tun? "Das Bekenntnis zu unseren Grundwerten muss von allen eingefordert werden. Man kann das so nicht stehen lassen. Man darf nicht zu Tagesordnung übergehen. Da geht es nicht nur um einen formalen Verstoß wegen Nichtanmeldens einer Kundgebung, sondern um mehr. Was sich da abgespielt hat, ist indiskutabel im Sinne einer wehrhaften Demokratie."

Sollte gesetzlich nachgeschärft werden? "Man könnte bei unangemeldeten Versammlungen Einschränkungen überlegen. Das ist aber Sache des Innenministeriums", antwortet Brandstetter.

Richter-Alarm

Alarmierend ist für ihn auch, was in der Türkei nach dem Putsch vor sich geht. Erdogan "säubert"; fast 9000 Beamte sind entlassen worden. Deswegen habe sich die heimische Richtervereinigung brieflich an ihn gewendet, sagt der Minister.

Deren Präsident Werner Zinkl schreibt mit Verweis auf die fast 3000 Richter, die des Amtes enthoben, teils auch verhaftet worden sind: "Dies ist der Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung, die wir bereits seit längerer Zeit beobachten. Schon in den letzten Jahren gab es unbegründete Versetzungen und Suspendierungen von Richterinnen und Richtern." In einem demokratischen Rechtsstaat dürften Richter "nur in den in der Verfassung festgelegten Fällen und nach einem rechtsstaatlichen und fairen Verfahren versetzt oder abgesetzt werden. Dieses Prinzip scheint in der Türkei außer Kraft getreten zu sein."

Und so wird Brandstetter ersucht, alles "in seiner Macht stehende" zu tun, um das zu stoppen.

Europäischen Grundwerte sind einzuhalten

Er werde das auch "auf EU-Ebene thematisieren", sagt der politische Justiz-Chef: "Der Türkei muss klar sein, dass sie nicht solche Wege beschreiten kann. Die Türkei hat die Menschenrechtskonvention unterzeichnet. Dahingehend muss sie in die Pflicht genommen werden. Die europäischen Grundwerte sind einzuhalten. Es gab schon Verurteilungen am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wegen Menschenrechtsverletzungen." Ist für ihn die EU-Mitgliedschaft der Türkei damit außer Reichweite? Das sehe er wie Außenminister Sebastian Kurz, sagt Brandstetter. Kurz befindet: "Wer die Todesstrafe einführt, hat definitiv keinen Platz in der EU." Erdogan erwägt, die Todesstrafe in seinem Land wieder zu ermöglichen.

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