Kapsch: Sozialpartner "trugen zur Verkrustung bei"

"Aussagen des Vizekanzlers haben einiges für sich, sagt Kapsch.
Industriellen-Präsident Georg Kapsch rät der Regierung, sich über "Partikularinteressen" von Interessenvertretungen hinwegzusetzen.

Georg Kapsch, Vormann der Industriellenvereinigung, zur Debatte über die Rolle der Sozialpartner.

Herr Präsident Kapsch, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat im KURIER befunden, die Sozialpartner müssten sich "komplett ändern". Müssen Sie das?

Georg Kapsch: Wenngleich es sicher richtig ist, dass die Bundesregierung die Lösung der wesentlichen Themen über Jahre verschleppt hat, so haben die Aussagen des Vizekanzlers doch einiges für sich.

Ist die Sozialpartnerschaft überholt?

In der Form, wie sie derzeit gelebt wird, hat sie sich überlebt. Sie hat zur Verkrustung der Strukturen im Land massiv beigetragen.

Was stört Sie?

Alleine die absurde Tatsache, dass Interessenvertretungen in der Verfassung festgeschrieben sind, muss zu Systemkonservierung und Inflexibilität führen. Das Miteinander von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zum Wohle der Menschen ist eine wesentliche Säule. Dies bedeutet aber nicht, dass ein ganzes Staatssystem von den die jeweiligen Interessen vertretenden Institutionen dominiert sein soll. Vergessen scheint auch zu werden, dass Vertreter der Sozialpartner sowohl im Parlament als auch in der Bundesregierung Sitz und Stimme haben.

Die Sozialpartner liefern der Regierung aber immer wieder Expertise. Sie haben etwa ein Bildungskonzept vorgelegt.

Ja, sie haben in den vergangenen Jahren teilweise gute Vorschläge unterbreitet, die jedoch leider nicht umgesetzt worden sind. Aber in so manchem dringend reformbedürftigen Bereich wie Pensionen, Arbeitsrecht, Gesundheit und Sozialversicherung gab und gibt es bis heute auch keine übereinstimmende Position. Hier kann und darf die Regierung nicht weiter zuwarten.

Sie sollte ohne Sanktus der Sozialpartner agieren?

Es gibt Situationen, in denen man sich im Sinne der Stärkung der Standortattraktivität zur Schaffung dringend benötigter Arbeitsplätze oder zur Absicherung von Pensionen über Partikularinteressen einzelner Interessenvertretungen hinwegsetzen können muss. Hätten die Premiers Persson in Schweden und Schröder in Deutschland auf alle Befindlichkeiten Rücksicht genommen, wäre es nicht gelungen, diese Länder zu sanieren.

Kämmerer Leitl sagt, die Regierung müsse sich ändern, AK-Chef Kaske: "Wir sind Teil der Lösung, nicht des Problems."

Die Sozialpartner können in den kommenden Wochen beweisen, ob sie Zukunft haben, indem sie die nötigen Veränderungen bei Bürokratie, im Gewerberecht, bei Arbeitszeit, Föderalismus, Pensions- und Gesundheitssystem etc. nicht nur der eigenen Klientel verpflichtet mittragen. Da hat Ideologie keinen Platz, sondern der Blick auf das Ganze, die Bereitschaft, kurzfristig zurückzustecken.

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