Viel Arbeit für die Regierung im "Schicksalsherbst"

Für Kern und Mitterlehner wird der Herbst eine Bewährungsprobe.
ÖVP ruft die letzte Chance für die rotschwarze Koalition aus. Wo es noch hakt, wo eine Lösung in Sicht ist.

Die Herbstarbeit der Bundesregierung wird mit besonderem Argwohn beäugt. Rot und Schwarz stehen unter großem Erwartungs- und Reformdruck. Täglich mehren sich die Stimmen jener (vor allem in der ÖVP), die im Falle des Nicht-Zustandebringens substanzieller Weichenstellungen vorgezogene Neuwahlen prophezeien.

Die jüngste Runde der Warner und Mahner hat der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer eröffnet. Er fordert ein großes Reformpaket im Herbst, sonst sieht er "für diese Parteien miteinander wenig Zukunft". Sein Vorarlberger Kollege Markus Wallner (ÖVP) sagt, dass die Asyl-Obergrenze von 37.500 nicht überschritten werden dürfe, "ansonsten ist die Regierung rücktrittsreif." Auch VP-Wien-Chef Gernot Blümel spricht von einem "Schicksalsherbst": Die Regierung habe nur noch wenige Monate Zeit zu zeigen, was sie kann, "sonst rechne ich nächstes Jahr mit Neuwahlen".

Doch nicht nur beim Thema Flüchtlinge und Asyl scheiden sich mitunter die koalitionären Geister, auch in anderen Bereichen gibt es Hürden, von denen jetzt schon klar ist, dass sie in diesem Jahr nicht mehr genommen werden können.

PLUS - Mindestsicherung neu:
Relativ weit ist die Regierung hingegen bei der Reform der Mindestsicherung. Die SPÖ sagt, 90 Prozent seien hier bereits erledigt. Der von der ÖVP geforderte Deckel von 1500 Euro dürfte fix sein, seit die Schwarzen der SPÖ-Forderung nach mehr Sachleistungen zugestimmt haben. Über diesen Umweg können künftig Wohnkosten über den Deckel hinaus abgegolten werden. Außerdem wird es schärfere Sanktionsmöglichkeiten bei Missbrauch, aber auch einen verbesserten Anreiz zur Arbeits-Aufnahme geben. So können Mindestsicherungsbezieher, die wieder zu arbeiten beginnen, ein Drittel der bisherigen Sozialhilfe bis zu zwölf Monate weiter beziehen. Nicht paktiert ist die von der ÖVP geforderte Wartefrist für Flüchtlinge. Die SPÖ ist gegen die Ungleichbehandlung von In- und Ausländern.

PLUS - Konjunktur-Spritze:
Nach der Steuerreform und dem Start-up-Paket sollen weitere Wirtschaftsanreize kommen und die Bürokratie abgebaut werden. Die ÖVP drängt auf ein "Ausmisten" der Gewerbeordnung, die SPÖ sieht das mit Wohlwollen. Umgekehrt hat die SPÖ mit der degressiven Abschreibung eine alte Wirtschaftsbund-Forderung aufgegriffen, damit Investitionen vorgezogen werden. Über die Abschaffung der kalten Progression wird noch debattiert, aber die Detail-Probleme (ab welcher Inflations-Grenze, wer wird genau entlastet) dürften lösbar sein. Allerdings drängt auch hier die Zeit, denn schon am 12. Oktober hält Finanzminister Hans Jörg Schelling seine Rede zum Budget 2017.

MINUS - Finanzausgleich alt:
Eine substanzielle Neuverteilung von Steuern und Abgaben zwischen Bund und Ländern gilt wegen der komplexen Materie als heuer kaum noch schaffbar. Damit eng verknüpft ist die umstrittene Frage nach der Steuerautonomie der Bundesländer. Selbst Befürworter rechnen, dass es noch Jahre dauern könnte, bis die Länder – ähnlich wie in der Schweiz, wo die Einführung 15 Jahre gebraucht hat, selber Steuern einheben werden. Als belastend für die Verhandlungen zum Finanzausgleich gilt der enorme Kostenanstieg in der Pflege und bei der Gesundheit und die aus Länder-Sicht unzureichende Abgeltung dieser Kosten durch den Bund.

MINUS - Schule weiter in Not:
Wenig weiter gegangen ist seit letztem Herbst bei der Schulreform. Nach dem Abgang der verantwortlichen SPÖ-Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek folgte im Mai Sonja Hammerschmid. Seither ist es um das Thema Bildungsreform leise geworden. Der letzte Beschluss in diesem Bereich war, dass immerhin 750 Millionen Euro aus der Abschlagszahlung der Banken (für die Bankensteuer) in den Ausbau ganztägiger Schulformen fließen soll. Ob die 2015 paktierte große Bildungsreform doch noch umgesetzt wird, ist derzeit völlig offen.

MINUS - Stillstand bei Pensionen:
Ausverhandelt, aber noch nicht umgesetzt, sind auch die Beschlüsse des Pensionsgipfels vom Februar. Die ÖVP wirft Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) Versäumnisse vor. Er hätte die Vorhaben schon vor dem Sommer angehen, sprich die Gesetze in Begutachtung schicken müssen. VP-Wien-Chef Blümel macht jetzt nochmals Druck: "Wenn das noch heuer in einen Gesetzesentwurf gegossen wird, wäre das ein Riesenwurf und hätte maximale Auswirkungen, auch auf die Stimmung in der Bevölkerung."

UNGEWISS - Nur Kassen-Studie:
Die renommierte London School of Economics wurde zwar mit einer Studie über die Reform-Möglichkeiten bei den heimischen Sozialversicherungsträgern beauftragt. Welche Struktur-Empfehlungen die Briten abgeben und was davon umsetzbar sein wird, ist jedoch offen.

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