"Kärnten kann sich nicht abputzen"

ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Spindelegger will in der Hypo-Frage "eine Lösung bis zum Sommer".
ÖVP-Chef Spindelegger ist für einen Beitrag Kärntens und einen "nationalen Schulterschluss".

ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger will, dass auch das Bundesland Kärnten einen namhaften Beitrag zum Hypo-Debakel leistet. Das ist eine der zentralen Botschaften von Spindelegger bei der Sondersitzung am Montag im Parlament zur Causa prima.

Die bisherigen Signale von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sind jedoch wenig ermutigend. Den 500-Millionen-Euro-Zukunftsfonds, der aufgelegt wurde, als Kärnten die Hypo an Bayern verkaufte, will man in Klagenfurt nicht anzapfen.

Für die Bundes-SPÖ sagte Finanzsprecher Kai Jan Krainer zum KURIER, man habe zwar einen "politisch, moralischen Anspruch" auf das Geld aus Kärnten, doch rechtlich sei die Sache sehr "wackelig". Landeshauptmann Kaiser würde Amtsmissbrauch begehen, wenn er ohne Zweidrittelmehrheit im Landtag den Zukunftsfonds angreifen würde.

Spindelegger sieht das anders. Er sagte am Sonntag zum KURIER: "Kärnten wird sich nicht abputzen können. Auch wenn es keine rechtliche Handhabe gibt: Aus meiner Sicht würde es der Anstand gebieten, dass Kärnten einen Beitrag leistet."

"Ich will einen nationalen Schulterschluss. Und ich will eine Lösung bis zum Sommer"

Der ÖVP-Chef will außerdem einen "nationalen Schulterschluss" schaffen, denn die Hypo-Lösung müsse im Parlament beschlossen werden. Daher habe er in der vergangenen Woche auch Gespräche mit allen Oppositionsparteien geführt. Spindelegger: "Ich will, dass das bis Sommer erledigt ist."

Bundespräsident Heinz Fischer sieht in der Hypo-Frage "zweifellos eine Informationspflicht" der Bundesregierung. Er begrüße es, dass Bundeskanzler und Vizekanzler in der Sondersitzung des Nationalrats am heutigen Montag eine Erklärung abgeben werden, sagt Fischer der Kleinen Zeitung. "Das halte ich für notwendig." Erst vor Kurzem hatte der Bundespräsident von einer "budgetpolitischen Katastrophe" im Zusammenhang mit dem Hypo-Schlamassel gesprochen.

Aus dem Umfeld von Bundeskanzler Werner Faymann war am Sonntag zu erfahren, dass er die Hypo-Causa im Parlament vor allem als ein "blaues Debakel aus Kärnten" darstellen werde. Der Rückkauf der Bank sei aber notwendig gewesen. Seither habe sich die Bilanzsumme der Hypo um mehr als zehn Milliarden Euro verringert. Jetzt gelte es die Kosten für die Steuerzahler so gering wie möglich zu halten. Wie hoch die Gesamtkosten sein werden, könne derzeit aber kein Experte seriös beantworten.

Auch SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos widmet sich vor allem der Vergangenheitsbewältigung: "Die Milliardenkatastrophe rund um die Hypo ist ganz klar auf blauem Mist gewachsen. Die FPÖ trägt historisch die Verantwortung für diesen Irrsinn, den Staat und Steuerzahler auszubaden haben."

Die ÖVP schießt sich ebenfalls auf die FPÖ ein, geht doch auch FP-Chef Strache mit den Regierungsparteien hart ins Gericht. Unter anderem hat Strache Anzeigen angekündigt und fordert wie auch Grüne, Neos und Team Stronach einen Untersuchungsausschuss. ÖVP-Generalssekretär Gernot Blümel: "Die Strache-FPÖ erzählt den Menschen das Blaue vom Himmel herunter, wenn sie sich als Retter bei der Bewältigung der Hypo Alpe-Adria inszeniert."

Die Grünen wollen vor allem erreichen, dass die Regierung die Alteigentümer der Hypo und die Anleihegläubiger zur Verantwortung zieht. Finanzsprecher Werner Kogler griff am Sonntag die "früheren Eigentümer, nämlich die BayernLB, die Grazer Wechselseitige und die Gruppe um Tilo Berlin" an. Sie alle hätten die "Hypo Alpe-Adria dazu genutzt, mit null Risiko die allerhöchsten Renditen zu machen".

Verstaatlichung 2009

Wirtschaftsforscher Christian Keuschnigg, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), meldete sich in der ORF-Pressestunde zu Wort. Seiner Ansicht nach habe die Regierung – damals Werner Faymann und Josef Pröll – schon die Notverstaatlichung 2009 "schlecht verhandelt". Bei "reiflicher Überlegung" hätte es "besser ausgehen können". Die Regierung habe keine Erfahrung mit der Abwicklung von Banken gehabt und es habe noch keine EU-Regelung dafür gegeben.

Staatsbankrott?

"Die Mutter aller Probleme" seien aber die Kärntner Milliarden-Haftungen für die Hypo, ist Keuschnigg überzeugt. Das Bundesland Kärnten und damit jetzt der Bund haben Garantien für die Hypo-Anleihen übernommen. Wenn diese Garantien nicht mehr eingelöst werden, sei dies "ein gewisser Staatsbankrott" und "die Handschlagqualität des Staates" infrage gestellt, warnte der Experte erneut vor einer möglichen Insolvenz der Hypo Alpe-Adria.

Es waren die größten drohenden Bankpleiten im Nachkriegsdeutschland: Die Münchner Hypo Real Estate, einer der 30 größten Titel an der Deutschen Börse, und die halbstaatliche WestLB in Düsseldorf drohten in der Finanzkrise zu kollabieren. Ihre Chefs hatten zuvor in einem Beute- und Boni-Rausch auf Schulden gigantisch expandiert und spekuliert.

Die HRE hatte 2005 die größte deutsche Pfandbrief-Anstalt Depfa gekauft. Über Irland, weil das weniger Regeln hatte als Deutschland und ermuntert vom Finanzministerium unter Peer Steinbrück (SPD), der da ein Vorbild sah.

2008 waren es dann – nicht nur für ihn – die "Märkte und Spekulanten", die die mit Anleihen Griechenlands und anderer überschuldeter Euro-Südländer sowie die mit plötzlich wertlosen US-Immobilienpapieren vollgepumpte Bank bedrohten. Weil über die Depfa die Hälfte der "mündelsicheren" deutschen Hypothekenpapiere mitgekracht wären, mussten die Steuerzahler herhalten. Die HRE wurde über Nacht verstaatlicht.

Steinbrücks Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) zerlegte sie 2010: In eine Bank für das Tagesgeschäft und die "Bad Bank" für das alte Gift. Das ging ohne öffentlichen Streit über die Bühne, nicht einmal über das dadurch höhere Budgetdefizit.

Stabilisiert

Die Altlasten der Hypo Real Estate sollte fortan die Bad Bank "FMS Wertmanagement" bis 2020 verkaufen, zu wieder besseren Konditionen nach der Erholung. Da die in Europa und USA bald kam, ging diese Spekulation bisher auf: 2010 übernahm die FMS Papiere im Buchwert von 175 Milliarden Euro, davon sind jetzt gut 125 Milliarden Euro übrig. Die Differenz wurde zu ordentlichen Konditionen verkauft, wenn auch oft noch unter dem Einstandspreis.

Die Bilanz der FMS, die keine Banklizenz hat, sondern eine Anstalt Öffentlichen Rechts ist, geht indirekt in das deutsche Budget ein: Bisher hat der Steuerzahler mit etwa 10 Milliarden Euro für diese Abwicklung der HRE geblutet.

Inzwischen erwirtschaften die 130 FMS-Mitarbeiter über Zinsdifferenzen aber sogar kleine Gewinne. Der überlebende, aber nicht mehr operative Teil der Depfa in Dublin wird gerade verkauft, Hauptinteressenten sind US-Risikofonds. Der HRE-Rest nennt sich jetzt Deutsche Pfandbriefbank, sie wird von früheren Aktionären wegen deren Verlusten durch die Verstaatlichung geklagt. Auch der Vorstand der alten HRE steht derzeit in München vor Gericht. Vorstandschef Georg Funke bestreitet jeden Fehler. Den Prozess um sein hohes Ruhegehalt verlor er, nun handelt er mit Immobilien auf Mallorca.

Peer Steinbrück machte seit dem Abgang aus der Regierung 2009 mit Vorträgen über sein Berufsleben 1,5 Millionen Euro, als erfolgloser SPD-Kanzlerkandidat 2013 forderte er strenge Regeln für Finanzmärkte und die Sondersteuer auf alle Börsengeschäfte, nicht nur "für Spekulanten".

WestLB-Skandal

Die teuerste Erfahrung mit Pleitebanken machte der deutsche Steuerzahler mit der "Westdeutschen Landesbank". Die hatte das 14-Millionen-Einwohner-Land Nordrhein-Westfalen 1969 aus öffentlichen Regionalbanken gezimmert. Auch die WestLB expandierte viel zu rasch. Sie galt als Machtinstrument der in Düsseldorf dauerregierenden SPD, deren Langzeit- Ministerpräsident Johannes Rau über die vielen Flüge im Firmenjet fast stürzte. Seinen Nachfolgern, darunter Steinbrück, bescherte die WestLB nur mehr Skandale, Fehlspekulationen und Streit mit der EU. Schon angeschlagen, ging auch die WestLB in der Finanzkrise in die Knie – und musste gerettet werden.

Für ihre 200 Milliarden Euro illiquiden Papiere wurde die "Bad Bank" EAA (Erste Abwicklungsanstalt) geschaffen. Sie soll die bis 2032 möglichst verlustarm loswerden. Was ihr schon bei etwa einem Drittel davon gelang.

Auch wenn das so weitergeht, wird die WestLB den Steuerzahler in Summe so um die 50 Milliarden Euro gekostet haben. Banker oder Politiker wurden hier aber nie konkret zur Rechenschaft gezogen.

Mit einer ins Trudeln geratenen Bank kennt sich Norbert Walter-Borjans aus. Der nordrhein-westfälische Finanzminister hatte 2012 die Aufgabe, die schwer angeschlagene WestLB, die damals größte Landesbank in Deutschland, zu zerschlagen. In einer Bad Bank, die heute als "Mutter aller Abbaubanken" gilt, wurden zunächst 77 Mrd. Euro an toxischen Papieren und nicht-notwendigen Geschäftsfeldern ausgelagert. In einem weiteren Schritt wurden dann noch einmal 100 Milliarden übertragen.

"Diese wurden schon zu großen Teilen abgebaut und die Verluste liegen wegen einer besseren Entwicklung der Märkte deutlich unter den Prognosen", macht Borjans im KURIER-Gespräch Österreich in Sachen Hypo Alpe-Adria Mut. Aktuell sind noch Papiere im Wert von knapp über 100 Mrd. Euro im Portfolio der Bad Bank, 55 Prozent davon haben Investmentgrade. Das zeigt: Es wurden keineswegs nur die leichtverkäuflichen Assets mit Top-Rating abgestoßen.

Borjans Reise nach Wien galt eigentlich dem Thema Verwaltungsvereinfachung, am Rande war auch die Hypo Thema. Nur indirekt lässt er durchblicken, dass eine Insolvenz nicht der bessere Weg wäre. "Finanzmärkte schauen auf Signale. Eine Insolvenz verunsichert sie und führt zu höheren Verlusten für alle Seiten." Eine geordnete Abwicklung verhindere eine Pleite und verringere die Belastung der Steuerzahler.

Alice Schwarzer

Borjans ist auch als Vorreiter im Kampf gegen Steuersünder bekannt. Mit dem Fall der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer ist das Thema erneut hochgekocht. Sie hatte zugegeben, seit den 80er-Jahren ein Schweizer Konto vor den deutschen Steuerbehörden verheimlicht zu haben. Laut aktueller Gesetzeslage muss sie nach ihrer Selbstanzeige nur für die vergangenen zehn Jahre Steuern plus einem Strafzuschlag von fünf Prozent nachzahlen. Borjans will nun die Regeln verschärfen. Auch der Koalitionspartner in Berlin stehe dazu positiv.

"Bei hohen Beträgen kann sich niemand mehr auf einen Irrtum berufen", so seine Begründung. Es dürfe nicht mehr länger möglich sein, dass Steuersünder "den Ehrlichen die lange Nase zeigen".

Borjans war auch einer der Verantwortlichen, der das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz im Vorjahr zu Fall gebracht hat. "Ich wollte keinen Vertrag, der das Licht ausgeschaltet und Schwarzgeldgeschäfte weiter ermöglicht hätte." Denn die Fahndung nach Steuersündern wäre eingeschränkt worden und Daten-CDs aus der Schweiz hätten nicht mehr gekauft werden dürfen.

Borjans setzt lieber weiter auf die Jagd nach Steuerhinterziehern. Alleine im heurigen Jänner gab es 783 Selbstanzeigen (176 im Vorjahresmonat) von Deutschen mit Schweizer Konten. "Prominente Namen sorgen sicherlich dafür, dass sich noch unentdeckte Steuerhinterzieher ebenfalls für eine Selbstanzeige entscheiden. Die Rechtsanwälte haben jetzt viel Wochenendarbeit."

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