Hypo? "Eine hohe kriminelle Energie"

Richter Christian Liebhauser-Karl vor den Akten des letzten Hypo-Prozesses mit mehr als 80.000 Seiten.
Christian Liebhauser-Karl verurteile Wolfgang Kulterer und Tilo Berlin. Das Interview.

Richter Christian Liebhauser-Karl (47) fackelt nicht lange – weder mit den Angeklagten und schon gar nicht mit deren Star-Anwälten. Davon durften sich schon die Ex-Hypo Chefs Wolfgang Kulterer, Tilo Berlin oder auch Kärntens Ex-Landes-Vize Uwe Scheuch überzeugen. Sie alle mussten auf der Anklagebank bei Liebhaus-Karl Platz nehmen – und wurden schuldig gesprochen.

Bei den Hypo-Prozessen im Klagenfurter Schwurgerichtssaal hagelt es Ermahnungen wie sonst bei kaum einem anderen Prozess. "Ein Gerichtssaal ist keine Showbühne", so sein Credo. Dienstagnacht kurz vor Mitternacht gab es das vorerst letzte Urteil im Hypo Vorzugsaktien-II-Prozess: 26 Monate Haft (nicht rechtskräftig) für Ex-Hypo-Vorstand Tilo Berlin.

Seit 2010 wird am Landesgericht Klagenfurt rund um die Hypo prozessiert. Die Bilanz: 16 Verurteilungen für 11 Angeklagte zu insgesamt 41 Jahren und 11 Monaten Haft. Davon hat Liebhauser-Karl gleich drei große Hypo-Prozesse (Swap-Verluste, Styrian Spirit und Vorzugsaktien II) geleitet.

KURIER: Herr Liebhauser-Karl, Sie gelten als strenger Richter. Ein Image, das Ihnen gefällt?

Christian Liebhauser-Karl: Nein. Bei den Wirtschaftsgroßverfahren ist es einfach notwendig, dass man eine stringente Prozessführung hat. Diese Prozesse haben einen Umfang von bis 80.000 Aktenseiten. Als Berufsrichter sitzt man wie beim letzten Verfahren als "One Man Show" elf Verteidigern, dem Staatsanwalt und acht Privatgutachtern gegenüber – und das an 20 bis 30 Verhandlungstagen. Die oft von der Verteidigung namhaft gemachte "Waffengleichheit" gegenüber der Anklagebehörde ist da nicht mehr gegeben. Würde man da nicht stringent verfahren, käme es nie zu einem Prozess-Abschluss. Deswegen braucht es auch in diesen Großverfahren unbedingt einen zweiten Berufsrichter als Beisitzer und ich bin sehr froh, dass der neue Justizminister hierfür Verständnis signalisiert hat. Und es würde uns auch sehr helfen, wenn wir bei diesen Verfahren wissenschaftliche Mitarbeiter hätten.

Hypo? "Eine hohe kriminelle Energie"
Interview Liebhauser-Karl in Klagenfurt, Landesgericht, 11. April 2014. Foto: Daniel Raunig
Sie mahnen Verteidiger, darunter auch Ex-Minister Dieter Böhmdorfer, oft wie kleine Schulbuben ab...

Wie man in einen Wald hineinruft, so tönt es zurück. Dr. Kulterer hat sich – nach seinem Verteidigerwechsel – für die aggressive Verteidigungslinie öffentlich beim Gericht entschuldigt. Jedem Verteidiger steht es zu, Anträge einzubringen. Aber man muss sich fragen, wie weit es Sinn macht, wenn in einem Verfahren die Sachverständigen 20-mal abgelehnt werden, der Richter 20-mal abgelehnt wird und detto die Laienrichter. Diese Konfliktverteidigung, die in letzter Zeit einige Verteidiger wählen, hat nicht primär das Interesse, den historischen Sachverhalt einer allfälligen Straftat zu klären. Das ist aber das einzige Ziel in einem Prozess. Und eines muss man auch sagen: Diese Art von Konfliktverteidigung ist nicht immer zum Vorteil des Angeklagten.

Können Sie das Wort Hypo überhaupt noch hören?

Ich habe jetzt das fünfte Wirtschaftsgroßverfahren in diesem Zusammenhang geführt. Und man muss offen und ehrlich sagen: Diese Verfahren schränken einfach die persönliche Lebensqualität ein. Bis man sich in 80.000 Aktenseiten eingelesen und den roten Faden gefunden hat, braucht es viele Stunden – das schafft man einfach nicht in einer 40-Stunden-Woche. Das ist eine absolute Illusion. Wobei wir am Landesgericht Klagenfurt diese Prozesse zügig durchführen.

... und die meisten Urteile vom Landesgericht Klagenfurt werden vom OGH bestätigt. Wie schaut Ihre Erfolgsbilanz aus?

Ich bin seit 12 Jahren Vorsitzender eines Schöffengerichtes und es wurde nur ein einziges Urteil vom OGH aufgehoben.

Bei den Hypo-Prozessen gelten Sie als "gnadenlos". Aber Sie können auch menschlich bemerkenswerte Urteile fällen. Bei einem Euthanasie-Prozess gab es einen Freispruch. Wo liegt da der Unterschied für Sie?

Zu meinem Ruf möchte ich festhalten: Ich bin am Landesgericht Klagenfurt der Richter mit den meisten Freisprüchen. Als Strafrichter muss man unterscheiden, ob der Angeklagte in einer emotionellen Ausnahmesituation stand oder nicht. Das Euthanasie-Verfahren war sehr beklemmend. Ich habe im Prozess den Abschiedsbrief der todkranken Kärntnerin vorgelesen – da hat mir die Stimme versagt. Sie hatte den Wunsch zu sterben, weil sie unheilbar krank war und einen Erstickungstod hätte erleiden müssen. In dem Fall konnte man das Gesetz mit einem entschuldigten Notstand anwenden und es war für mich klar, hier einen Freispruch zu fällen. Es ist aber etwas ganz anderes, wenn mit hoher krimineller Energie, mit System und in einer Art kriminellen Vereinigung das System ausgenützt wird und ein volkswirtschaftlicher Schaden herbeigeführt wird. Das muss man schon verschieden bewerten und unsere Gesetze sehen das auch so vor.

Sie hatten bei den Hypo-Prozessen, die vom OGH bereits bestätigt wurden, den Eindruck, dass hier bei den Verurteilten eine hohe kriminelle Energie existent war ...

Man hat in den rechtskräftig abgeschlossen Fällen der Hypo gesehen, dass hier gewisse Systeme sowie eine kleine Gruppe mit einer immer wieder kehrenden Vorgangsweise agiert haben.

Welche Systeme?

Indem hier von relativ wenigen Protagonisten, die die Fäden in der Hand gehabt haben und mit einem hohen Machtpotenzial ausgestattet waren, wissentlich Handlungen gesetzt wurden, die letztlich zum Schaden der Bank geführt haben.

Warum wollten Sie Richter werden und nicht Anwalt?

Ursprünglich wollte ich Musiker werden, bin ausgebildeter Cellist und leite heute den 50-köpfigen Kammerchor Klagenfurt -Wörthersee. Ich bin eigentlich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Aber die Unabhängigkeit an der Richtertätigkeit ist für mich das Ein und Alles. Für mich wäre es undenkbar, nicht unabhängig in der Rechtsprechung agieren zu können. Deswegen scheidet für mich auch ein Beruf, der ausschließlich dem Mandaten verpflichtet ist, aus.

Wolfgang Kulterer hat bis jetzt drei Millionen Euro an Anwaltskosten gezahlt. Das große Geld hat Sie nie gereizt?

Die Gehaltssituation bei den Richtern ist natürlich mehr als ausbaubar. Was ich aus den APA-Meldungen hinsichtlich den Anwaltsgagen entnommen habe, dann sind das Jahresgehälter von uns. Manchmal sind es Gagen, die wir Richter in einer Lebensverdienstsumme nicht erreichen können. Aber wenn man hier viel Geld machen kann, ist das legitim. Doch Geld ist in meinem Fall kein Motivator.

Eines Ihrer Hobbys ist Segel­fliegen. Was ist die Faszination daran?

Es ist die Faszination, mit den Kraftfeldern der Natur umzugehen, und es ist ein sehr befreiendes Gefühl, abzuheben und gewisse Sachen am Boden lassen zu können. Ich möchte dieses Gefühl nicht missen. Aber wenn ich noch mehrere Hypo-Fälle verhandeln muss, wird es sich immer weniger ausgehen.

Wolfgang Kulterer, Tilo Berlin & Co. könnten noch öfters auf Ihrer Anklagebank Platz nehmen. Bei einigen dieser Herren stellt sich eine gewisse Furcht ein, wenn Sie den Namen Liebhauser-Karl hören. Verstehen Sie das?

Ich glaube, es ist wichtig, dass ein Richter einschätzbar ist und das gewisse Grundprinzipien eingehalten werden, wie etwa ein faires Verfahren und Recht muss Recht bleiben. Zwei und zwei ergibt immer vier und nicht fünf.

Kurt Scheuch nannte Sie nach der Verurteilung seines Bruder Uwe eine "Kröte". Wenn Sie Kurt Scheuch in Klagenfurt auf der Straße begegnen, wechseln Sie dann die Seite?

Nein.

Würden Sie ihn grüßen?

Jeden, der mich grüßt, grüße ich zurück. Frauen grüße ich als höflicher Mensch natürlich zuerst.

Hypo? "Eine hohe kriminelle Energie"
APA11082540 - 21012013 - KLAGENFURT - ÖSTERREICH: ZU APA 125 WI - Richter Christian Liebhauser - Karl am Montag, 21. Jänner 2013, vor Beginn des Prozesses wegen Untreue gegen Ex-Hypo-Manager im Fall der pleitegegangenen Fluglinie Styrian Spirit im Landesgericht Klagenfurt. APA-FOTO: GERT EGGENBERGER
Christian Liebhauser-Karl: Ein Richter räumt den Kärntner Sumpf auf
Seine Prozesse zieht Christian Liebhauser-Karl (47) mit enormen Tempo, großer Präzision und strengem Stil durch. Außerdem hat er keinen Respekt vor Prominenz. Seine Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen – seine Urteile werden vor den Höchstgerichten in der Regel bestätigt. Bekannt wurde Liebhauser-Karl auch, weil ihn Kurt Scheuch nach der Verurteilung seines Bruders eine "Kröte" nannte. Kurt Scheuch wurde wegen Beleidigung angeklagt, musste sich schriftlich entschuldigen und 6000 Euro Strafe zahlen. Doch eigentlich wollte der Top-Jurist Musiker werden. In seiner Freizeit leitet er den Klagenfurter Kammerchor. Außerdem spielt Liebhauser-Karl konzertreif Cello. Und wenn ihm neben der Hypo noch Zeit bleibt, hebt er gerne zum Segelfliegen ab. Liebhauser-Karl hat auf der Uni Klagenfurt im Rahmen eines Lektorats eine Vorlesung für Strafrecht.

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